IBM-PC-Chef Jürgen Renz: "Der Markt sieht uns wieder in einem anderen Licht"

20.06.1997
MÜNCHEN: Nicht müde wird die IBM, ihrem neu entdeckten Partnervertrieb ewige Treue zu schwören. Die mit ihm im vergangen Jahr gestartete Offensive im PC-Markt zeigt jetzt erste Erfolge. Im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Lothar Derichs nennt PC-Chef Jürgen Renz Zahlen und stellt sein SystemCare-Programm vor, mit dem er so manchen Stein von des Händlers Brust wälzen möchte.?Sie haben nach dem ersten Halbjahr jetzt 160.000 bis 170.000 PCs verkauft. Das wäre ja soviel wie im vergangenen Jahr insgesamt.

MÜNCHEN: Nicht müde wird die IBM, ihrem neu entdeckten Partnervertrieb ewige Treue zu schwören. Die mit ihm im vergangen Jahr gestartete Offensive im PC-Markt zeigt jetzt erste Erfolge. Im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Lothar Derichs nennt PC-Chef Jürgen Renz Zahlen und stellt sein SystemCare-Programm vor, mit dem er so manchen Stein von des Händlers Brust wälzen möchte.?Sie haben nach dem ersten Halbjahr jetzt 160.000 bis 170.000 PCs verkauft. Das wäre ja soviel wie im vergangenen Jahr insgesamt.

RENZ: Wir laufen momentan sehr, sehr gut. Aber diese Zahl schaffen wir nicht ganz. In Stückzahlen wachsen wir momentan im Vergleich zum Vorjahr um zirka 50 Prozent. Das Umsatzwachstum beträgt derzeit 38 Prozent. Das ist ein sehr solides Wachstum. Das geht auch über alle Kanäle raus, und wir werden mit einer Größenordnung abschließen von zirka 140.000. Und das ist natürlich eine sehr angenehme Situation im Augenblick. Wir fühlen wirklich, daß der Markt uns wieder in einem anderen Licht sieht.

?Das wundert mich eigentlich ein bißchen, denn nachdem was aus dem Kanal zu hören ist, haben Sie die Lieferproblematik immer noch nicht ganz im Griff.

RENZ: Das wundert mich. Denn im Augenblick sind wir, was die Liefersituation angeht, in einer völlig anderen Situation als bei unserem letzten Gespräch (siehe ComputerPartner 5/1997). Im ersten Quartal gab es einen Engpaß bei den PC 700. Den haben wir jetzt völlig gelöst, und wir haben im Augenblick im Kanal ausreichend Ware von allen Produkten zur Verfügung. Auch von den Optionen. Dort haben wir ein bißchen noch Nachholbedarf gehabt, was die Verfügbarkeit angeht. Das ist jetzt im Augenblick eigentlich gelöst.

?Ist das ein Wort, auf das man sich dann auch berufen kann?

RENZ: Ja. Definitiv. Wir merken das an einer ganz einfachen Sache: Die internen Eskalationen nach Produkten haben bei uns dramatisch abgenommen. Der große Anteil von Eskalationsarbeit, die wir früher gemacht haben, um an Ware zu gelangen, ist im Augenblick auf einen verschwindendes Maß gesunken.

?Welche Zielgruppen haben denn diese PCs gekauft?

RENZ: Der offizielle Channel Split ist zu 70 Prozent Dealer, 25 Prozent Distributoren und der Rest Consumer. Das Großkundengeschäft ist also nach wie vor groß. Ein neuer Schwerpunkt liegt aber auf der Distribution. Über die Distributoren haben wir viele neue Händler erreicht bei Servern und Desktops. Das freut uns sehr. Vor allem die kleinen Server laufen extrem gut in der Händlerschaft.

?An wen verkaufen diese Händler?

RENZ: Kleine und mittlere Unternehmen, Mittelstand also. Genau, was wir beabsichtigt haben.

?Läßt sich das auch in Zahlen ausdrücken? Wie viele Händler haben Sie dazugewonnen?

RENZ: Vor unserem Distributionskonzept im letzten Jahr hatten wir noch 300 Direkthändler. Jetzt sind es 50. 250 tragen das IBM-Logo, werden aber über die Distribution beliefert. Insgesamt wurden in diesem Jahr bisher 2.000 Händler bedient. Das ist doch eine enorme Steigerung, eine ganze Menge, meine ich. Natürlich haben die nicht alle gleichviel umgesetzt. Viele haben vielleicht nur einen PC verkauft. Aber immerhin haben die zum ersten Mal einen IBM-PC in die Hand genommen. Das ist doch schon mal was.

?Sie haben also bisher die Ziele erreicht, die Sie sich gesteckt haben.

RENZ: Ja.

?Wie, glauben Sie, haben Sie das erreicht?

RENZ: Ich führe das auf unser innovatives Partner- und Distributionsprogramm zurück, zum Beispiel durch unsere Special-Bit-Preise, die jetzt allen Händlern zugute kommen.

?Was planen Sie als nächstes?

RENZ: Noch in diesem Sommer kommt ein Programm namens SystemCare. Das wird wirklich revolutionär dazu beitragen, Themen unserer Partner, gerade hinsichtlich Liquidität und Kundenbindung, auf völlig neue Beine zu stellen.

?Was verbirgt sich da konkret dahinter?

RENZ: Mit SystemCare wollen wir die Probleme der Endkunden adressieren, die sie heute haben, also hinsichtlich, a) daß die Technologie sich ständig ändert, b) daß ständig der Preisdruck da ist, c) das Thema "Total Cost of Ownership", was überall eine Rolle spielt, und d) Themen wie Software- und Hardware-Verteilung, und wie ist die Komplexität von PC-Netzwerken zu managen?

Das sind die Probleme, die heute draußen beim Kunden sind. Wir haben jetzt eine Antwort da drauf, indem wir ein Vertragswerk entworfen haben, das nur über unsere Geschäftspartner vertrieben wird. Im Rahmen von SystemCare können unsere Technologien, aber auch andere Produkte eingebunden werden. Der Business-Partner kann seine eigenen Services anbieten oder IBM-Services von uns kaufen und damit sein Portfolio abrunden. Und das wesentliche ist: Dieser Vertrag wird nun komplett finanziert, unabhängig vom Hersteller. Damit hat der Partner absolut keine Liquiditätsprobleme mehr.

?Ist das so etwas ähnliches wie diese Finanzierungsgesellschaft, die Compaq vor kurzem gegründet hat?

RENZ: Nein. Nein. Es geht weit darüber hinaus. Wir haben ja im Finanzierungsgeschäft schon lange Erfahrung mit unseren eigenen Produkten. Wir bieten das ja schon eine ganze Reihe von Jahren an. Wir gehen darüber insofern weit hinaus, weil wir grundsätzlich andere Elemente mit einbeziehen, das heißt, wenn der Partner heute ein Angebot draußen beim Kunden macht, ist es ja in der Regel hoffentlich unsere Hardware, zweitens seine Services, drittens Software aus mehreren Bereichen, und er muß nun in der Regel zu seiner Bank gehen, um die Zwischenfinanzierung zu realisieren.

Wir bieten ihm jetzt an, daß wir ihm dieses gesamte Paket, sobald es beim Kunden draußen ist, sofort komplett bezahlen. Auch seinen Service, den er zum Beispiel über das nächste halbe Jahr erbringt. Wir fakturieren dem Endkunden die Raten. Insofern hat er einen enormen Liquiditätsgewinn, der wirklich signifikant ist und somit ist Raum geschaffen für Wachstum.

?Das alles zu den marktüblichen Zinsen?

RENZ: Die sind besser. Wir haben sogar Sonderkonditionen für die Zeit, in der die Ware beim Händler auf Lager, aber noch nicht

beim Endkunden draußen ist. Das finanzieren wir ihm zu Zinsen, die 50 Prozent vom marktüblichen sind. Und last, but not least: Kundenbindung. Um die zu sichern, bieten wir eine Technologieaustauschoption an, die der Partner macht, nicht wir. Das heißt, der Partner bekommt direkten Zugang zu unserem Asset Management. Damit er sieht jederzeit die PCs, die sein Kunde gekauft hat, und kann nun selber genau Promo-Aktionen starten, um zu sagen: Ich kaufe Dir jetzt dieses System raus und ersetze es gegen ein neues. Wir nehmen diese gebrauchten Geräte nach 24 Monaten zurück und sind auch für verantwortlich für die Weitervermarktung.

SystemCare ist das Kernthema, was wir im nächsten halben Jahr für unsere Partner tun werden und nichts anderes. Das wird uns einen Riesenwettbewerbsvorteil bringen gegenüber unseren Mitbewerbern.

?Compaq will ja angeblich in Zukunft mit Großkunden direkt Geschäfte machen. Was halten Sie davon?

RENZ: Also, ich habe die ersten Anrufe aus dem Markt bekommen, und man wird dort von den Endkunden auch mit sehr großer Verwunderung gefragt, was denn dort eigentlich los ist. Ich habe konkret Kundennamen hier auf dem Tisch, wo ich weiß, daß Compaq direkt anbietet. Die möchte ich aber nicht nennen.

?Compaq begründet das ja auch damit, daß sehr viele große Kunden ja eigentlich lieber direkt mit dem Hersteller zu tun haben, als mit dem Vertriebspartner.

RENZ: Also die Situation ist ja folgendermaßen: Wir haben ja vor zwei Jahren ebenfalls noch einen Direktvertrieb gehabt, IBM-Direkt, wie das ja bekannt ist. Wir haben uns dann aufgrund der Gespräche mit und Drängens von unseren Geschäftspartnern dazu entschieden, IBM-Direkt komplett zu schließen, weil wir einfach sehen, daß man diesen Konflikt zwischen Direktbelieferung und Partnergeschäft nicht lösen kann.

Ich habe hier unterschiedliche Konditionsmodelle. Ich habe unterschiedliche Marktzugänge. Das heißt, wir haben uns von IBM aus ganz klar positioniert und machen heute in Deutschland kein einziges Geschäft, ohne einen Partner einzubinden. Absolut keines. Ohne Ausnahme. Und wir stehen auch dazu und werden uns auch in Zukunft ganz klar zu den Partnern bekennen.

Ich glaube aber: Immer, wenn man von Direktgeschäften hört oder auch US-Analysen sieht, stellt man ja eines fest: In dem reinen Massenvertrieb von Desktops und ähnlichem, kann man sich ja vorstellen, daß dieses Modell für den Hersteller zu Kostenersparnissen führt. Auf der anderen Seite aber ist das PC-Geschäft ja durchaus von komplexer Natur; das heißt, ich habe ja auch Server-Projekte, ich habe ja Thinkpad-Projekte, die ja einen ganz anderen Support vor Ort benötigen. Ich habe ja bei Projekten in der Regel aus einem Kundenwunsch heraus immer die Integration mehrerer Hersteller. Ich habe ja selten den Fall, daß alle Komponenten, ich rede jetzt auch von Netzwerk-Komponenten usw., von einem Hersteller kommen.

Des weiteren spielt noch eine Rolle, daß im Rahmen eines Projekts, im Rahmen eines Roll-outs, ja auch im Vorfeld schon Serviceleistungen erbracht werden, also Vorinstallation, Tests von Netzwerken usw. Das kann ja ein Direktbelieferer alles gar nicht leisten. Oder er muß es dann auf den Kunden abwälzen. Und das halte ich ja für das Schlimmste, was uns eigentlich passieren kann. Denn wenn der Kunde heute, das muß man sich mal vorstellen, einen PC direkt kauft, dann macht er ja folgendes: Er gibt den Service wieder raus an einen anderen Partner, das mag sein, dann hat er nur noch den Service. Der reine Kauf vom Produkt und der Service werden völlig entkoppelt, und niemand trägt dann mehr die Gesamtverantwortung. Und was das dann etwa für das Thema Total Cost of Ownership bedeutet, kann man sich ja vorstellen.

?Wie erklären Sie sich dann, daß Compaq da so einen Versuchsballon losläßt?

RNZ: Wir alle in der Branche beobachten natürlich intensiv das Konzept der Direktanbieter. Und der Erfolg von Direktanbieter stellt natürlich immer wieder das eigene Vertriebskonzept in Frage. Man kommt dazu, nachzudenken, ob denn die eigenen Vertriebskonzepte richtig sind. Wir haben diese Überlegung bei uns im Haus auch angestellt, und wir haben uns entschieden, diesem Konzept nicht zu folgen, sondern ganz klar zu sagen: Wir stehen zu unseren Partnern und machen die Belieferung grundsätzlich über unsere Partner, weil wir - auch aus dem Grundgedanken der Total Cost of Ownership heraus - die Bedeutung der Partner in dieser ganzen Value-Chain so hoch einschätzen, daß sie im Markt wirklich notwendig sind.

Server und Server-Konzepte zum Beispiel kann ich nicht direkt verkaufen. Das ist definitiv, weil die Kunden immer Beratung brauchen, und da muß immer ein Haus vor Ort sein, das wirklich die Verantwortung übernimmt für diese Gesamtlösung. Und das kann ein Direktanbieter nie leisten. Da, glauben wir, geht der Weg hin. Deshalb setzen wir auf dieses Konzept.

?Ja, also diese reine Lehre hat ja auch Compaq eigentlich bisher immer lauthals vertreten. Um so überraschender ist ja jetzt diese Ankündigung.

RENZ: Ich möchte nicht die Strategie von Compaq diskutieren, weil Compaq hat sicherlich gute Gründe hat, diese Strategie zu verfolgen. Wir sind eben der Meinung, daß es nicht richtig ist. Deshalb haben wir entschieden es nicht zu tun.

?Kommen wir vielleicht jetzt vom Business-Anwender zum Consumer-Markt. Da haben Sie ja auch eine Offensive angekündigt vor nicht allzu langer Zeit. Auch Kooperationspartner haben Sie angekündigt, die Sie zur Cebit aber noch nicht verraten wollten.

RENZ: Wir stehen nach wie vor in Verhandlungen mit einem Partner, um wirklich im Consumer-Markt eine Offensive zu starten. Die Vertragsverhandlungen sind kurz vor dem Abschluß. Die haben sich etwas länger hingezogen, weil die Materie sich als etwas komplexer erwies, als wir erst angenommen haben. Ich gehe aber davon aus, daß wir das vor der Sommerpause ankündigen.

?Ich nehme an, bei dem Partner handelt es sich um die ComTech.

RENZ: Möchte ich nicht sagen.

?Was war das dann für eine Aktion, als sie vor einigen Monaten in ComTech-Prospekten mit ihrem eigenen Konterfei Aptiva-PCs für den Heimanwender anpriesen?

RENZ: Nun, im Consumer-Markt vertreten wir folgende Auffassung: Im Augenblick ist dort eine enorme Bewegung - insbesondere eine Bewegung hin zu Markenprodukten. Und wir glauben, daß wir derzeitig fast der einzige Markenhersteller sind, der sich in diesem Markt bis heute eigentlich noch nicht so intensiv getummelt hat. Jetzt ist aus unserer Sicht die Zeit reif, weil die Konsumenten inzwischen eine breitere Schicht einnehmen; das heißt, wir haben nicht mehr nur die Einsteiger, die reinen Megabyte- und Giga-Flops-User, sondern wir haben inzwischen auch die Business-Men, die auch daheim einen PC wollen.

Ich glaube, da haben wir das richtige Angebot. Deshalb gehen wir derzeit grundsätzlich aggressiv in diesen Markt rein. Und da haben wir jetzt mit ComTech eine Marketing-Kooperation geschlossen, die sich darin äußert, daß ComTech auch seine Filialen mit speziellen IBM-Corners ausgestattet hat, daß ComTech seine Verkäufer entsprechend geschult hat. Wir haben über ComTech wirklich sehr gute Absatzerfolge bis heute erzielt.

?Seit wann gibt es diese Zusammenarbeit?

RENZ: Die Zusammenarbeit ist jetzt richtig intensiv seit dem 1. April.

?Und was sind die Ziele dieser Zusammenarbeit?

RENZ: Die Ziele sind, daß wir vom Käuferverhalten einen neuen Markt adressieren wollen, und zwar den des Easy-to-use-Anwenders. Der sieht einen PC wirklich als Werkzeug, der ihn in seiner täglichen Arbeit unterstützt. Der erwartet auch die entsprechenden Servicestrukturen, die da sein müssen, um daheim ISDN-, Internet-Anbindungen und ähnliches zu machen. Das leisten wir alles mit diesem Offering über die Firma ComTech beziehungsweise Escom, die ja beide kooperieren.

Und das ist die Zielgruppe, die wir eigentlich im Auge haben. Wir haben auf der anderen Seite aber das so attraktiv gepriced, daß wir auch jetzt im Vergleich zu den anderen Produkten, die derzeit im Markt sind von, ich möchte mal sagen No-Name-Herstellern, durchaus extrem aggressiv auftreten. Aber noch einmal: Unser Zielmarkt ist jetzt nicht der klassische Technikverliebte, sondern unser Zielmarkt ist eindeutig der nutzenorientierte Anwender. Und über die Kooperation mit ComTech können wir eigentlich zwei Zielgruppen adressieren: a) den technikorientierten und b) den Easy-to-use-Anwender.

?Gut, wie sind die Erfahrungen bisher? Oder ist es da zu früh was zu sagen?

RENZ: Wir haben bisher sehr positive Erfahrungen gesammelt. Natürlich wurde einiges in Mitarbeiterschulung und Marketing investiert, sowohl bei uns als bei der Firma ComTech. Die Erfahrungen, was den Abverkauf angeht, sind exzellent. Wir haben dort einen Riesensprung gemacht gegenüber dem, was wir letztes Jahr hatten, wo wir nur stückweise agiert haben. Heute sehen wir da eine schöne Expansionsmöglichkeit.

?Läßt sich das in Zahlen ausdrücken?

RENZ: Das möchte ich noch nicht machen.

?Wie sind Sie ausgerechnet auf ComTech gekommen?

RENZ: ComTech bietet uns mit seinem Filialnetz eine sehr große Flächendeckung an.

?Steht diese ComTech-Zusammenarbeit in Zusammenhang mit der anderen Offensive im Consumer-Markt, die Sie eben erwähnt haben?

RENZ: Das wird sich dann zeigen.

?Sind das also verschiedene Paar Schuhe, oder gehört das unter ein Dach?

RENZ: Wie gesagt, dazu möchte ich nicht Stellung nehmen

?Herr Renz, vielen Dank für das Gespräch.

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