IBM-Strategie auf dem Prüfstand

06.04.1999

STUTTGART: IBMs Final-Assembly-Programm steht auf dem Prüfstand. Im Herbst soll sich an der Struktur in Europa einiges ändern. Die Partner wissen von nichts - und auch in der Deutschland-Zentrale des Herstellers herrscht Ratlosigkeit über Details.Die Stimmung in der BTO-Abteilung bei Computer 2000 ist prima. Noch. "Derzeit wird gerade die zweite Fertigungsstrecke gebaut - im Sommer können wir dann loslegen", freut sich Jörg Brünig, BTO-Chef des Distributors. Tausende von IBM-PCs sollen dann dort vom Band gehen - zusammgestellt nach Kundenwünschen. Die genaue Größenordnung liegt noch nicht fest, es ist aber anzunehmen, daß die Vereinbarung zwischen Computer 2000 und IBM mindestens 25.000 Stück pro Jahr beinhaltet. Denn so hoch ist auch die Zielvorgabe bei Macrotron, das ja bereits seit Ende 1997 die Final Assembly im AAP-Programm (Authorised Assembler Program) für Big Blue in Deutschland macht.

Doch ob der Optimismus bei den Münchnern angebracht ist, sei noch dahingestellt. Denn hinter vorgehaltener Hand munkelt der Markt von flauen Stückzahlen, da der Hersteller die Auslieferung der notwendigen Komponenten zur Assemblierung nicht im Griff habe. "IBM macht ewig lange mit der Zertifizierung der Komponenten herum. Bis da dann das Schildchen drauf ist, ist die Komponente oft schon nicht mehr aktuell", glaubt ein ehemaliger Handelspartner, um die Schwierigkeiten bei IBM zu wissen.

So belaufen sich die produzierten Stückzahlen bei Macrotron beispielsweise im ersten Quartal dieses Jahres gerade einmal auf 4.000 PCs. Da müssen die Assemblierer in den drei weiteren Quartalen schon mächtig zulegen, um das Soll zu erfüllen.

Grosser belgischer Partner plant den Absprung

Während sich hierzulande die Partner hinsichtlich Lieferanten-Kritik offiziell recht bedeckt halten, gehen sie andernorts mittlerweile entnervt an die Öffentlichkeit. So meldet beispielsweise die aktuelle "PC Europa", daß der belgische IBM-Assemblierungspartner Systemat ankündigte, im nächsten Jahr voraussichtlich das Handtuch zu werfen. "IBM steht unserer Ansicht nach nicht zu dem Konzept", wird dort Systemat-Chef Jean-Claude Loge zitiert. "Ich bin nicht sicher, ob wir im nächsten Jahr weitermachen. Dieses Jahr haben wir unsere Vorgabe nicht erreicht." Erste Stimmen werden laut, die das BTO-Konzept von IBM per se anzweifeln und sogar vermuten, daß es demnächst komplett ausgemustert wird.

Auch bei Computacenter-Managern hält sich die IBM-BTO-Begeisterung schwer in Grenzen: "Nach 18 Monaten haben wir mit der Assemblierung noch kein Geld verdient", so Europa-Manager Martin Hellawell. Und das werde man voraussichtlich auch nicht tun, wenn IBM es nicht schaffe, die Komponenten-Auslieferung gewitzter zu organisieren. Denn nur dann könnte man bei Computacenter das Lager kleiner und damit profitabler halten. Hellawell geht allerdings - zu Recht - davon aus, daß IBM weiterhin dem BTO verbunden bleibt.

Das bestätigt eine Unternehmenssprecherin in der IBM-Zentrale in Stuttgart. Sicher ist aber auch, daß das derzeitige Konzept nicht bestehen bleibt. Abgesehen von den angesprochenen Problemen bei der Lieferung der Komponenten hat IBMs Final-Assembly-Konzept nämlich noch weitere Schönheitsfehler. "Ziel der Personal System Group bei IBM ist es, große Mengen von PCs gemäß BTO zu liefern. Da ist der Disti in der Tat gefordert, eine regelrechte Fertigungsinfrastruktur aufzubauen", erklärt ein Firmenkenner. "Das Problem: IBM unterhält Fertigungsstätten, der Disti tut es auch. Und am Ende - schon wegen steigender Versandkosten je Einheit beispielsweise - ist Dell günstiger und auch nicht langsamer."

Der IBM-Partner geht deshalb davon aus, daß sich der Hersteller in Europa zum Herbst hin stärker an das US-Konzept anlehnen wird. Dort assem-bliert demnächst Merisel IBM-PCs in der herstellereigenen Produktionsstätte in Raleigh. "Der Trend in den USA und auch in Europa geht hin zu Co-Location-Projekten, in denen einerseits die Kosten der Herstellung wieder auf eine Fertigungsstätte reduziert werden und andererseits die logistische Flexibilität des Channels beibehalten wird. Dies macht aber nur mit wenigen Distis Sinn. Es ist vorstellbar, daß Co-Location-Modelle in den USA und in Europa die bestehenden Channel-Programme verdrängen." Da stellt sich doch die Frage, warum Distis hierzulande hohe Summen in eigene Fertigungsstraßen investieren sollten. Doch sowohl Computer 2000 als auch Macrotron sorgen sich derzeit noch nicht. Da man in der deutschen IBM-Zentrale zwar die geplante Umstrukturierung bestätigte, nicht aber sagen konnte, wohin die Reise geht, wissen auch die Assemblierungspartner nicht, was auf sie zukommt.

Eher schielen die beiden Broadliner derzeit noch auf die Konzepte des jeweiligen Mitbewerbers. Macrotron setzt im Konkurrenzkampf auf seine Erfahrung: "Wir sind ja schon seit Ende 1997 dabei - und wir verfügen über die internen Strukturen", hebt BTO-Chef Alexander Meier hervor. Zudem plane man demnächst mehr "Value Add", Details seien aber noch nicht spruchreif. Jörg Brünig, sein Pendant bei Computer 2000, hält seine guten Erfahrungen mit der Assemblierung von HP-Rechnern dagegen. Zudem wolle man nicht nur Deskbounds und Minitowers von IBM

assemblieren, sondern im nächsten Jahr wohl auch Server liefern. Beide sind sich einig: "Die Assemblierung von Marken-Computern bringt allen Seiten Vorteile, vor allem dem Handelspartner." Vorausgesetzt natürlich, der Hersteller hat sein Konzept im Griff und strukturiert nicht alle halbe Jahre neu. (du)

Jörg Brünig optimistisch: Ab Sommer laufen dem BTO-Chef bei Computer 2000 zufolge die assemblierten IBM-PCs vom Band.

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