IBM-Tochter Tivoli setzt bei der Marktausweitung voll auf Partnerschaft

12.12.1997
AUSTIN/USA: Die IBM-Tochter Tivoli Systems hatte vom 9. bis 13. November 1997 zum "Tivoli Partner Exchange" in Austin (Texas) gerufen. Thema: Status quo und Perspektiven mit dem Management-Framework TME (Tivoli Management Environment) 10. Über 600 Teilnehmer, Partner und potentielle Partner unter dem Dach von TME 10 waren dem Aufruf gefolgt.Ziel der Veranstaltung in Austin: den umfassenden Managementansatz, der Netzwerk- und Systemmanagement-Werkzeuge unter dem TME-10-Framework vereint, über Partner noch breiter in den Markt zu rücken. Dazu sollen künftig nicht nur Großunternehmen, sondern auch mittelständische Unternehmen mit der Tivoli-Lösung adressiert werden. Der Partnertreff war auch als direkte Antwort auf die großangelegte Vertriebsoffensive des Tivoli-Hauptkonkurrenten, CA Computer Associates, zu sehen, der für mehr Marktdurchdringung das nackte Framework Unicenter TNG derzeit über Vertriebspartner an ausgesuchte Anwender verschenkt.

AUSTIN/USA: Die IBM-Tochter Tivoli Systems hatte vom 9. bis 13. November 1997 zum "Tivoli Partner Exchange" in Austin (Texas) gerufen. Thema: Status quo und Perspektiven mit dem Management-Framework TME (Tivoli Management Environment) 10. Über 600 Teilnehmer, Partner und potentielle Partner unter dem Dach von TME 10 waren dem Aufruf gefolgt.Ziel der Veranstaltung in Austin: den umfassenden Managementansatz, der Netzwerk- und Systemmanagement-Werkzeuge unter dem TME-10-Framework vereint, über Partner noch breiter in den Markt zu rücken. Dazu sollen künftig nicht nur Großunternehmen, sondern auch mittelständische Unternehmen mit der Tivoli-Lösung adressiert werden. Der Partnertreff war auch als direkte Antwort auf die großangelegte Vertriebsoffensive des Tivoli-Hauptkonkurrenten, CA Computer Associates, zu sehen, der für mehr Marktdurchdringung das nackte Framework Unicenter TNG derzeit über Vertriebspartner an ausgesuchte Anwender verschenkt.

Die Breite des Marktes nun seinerseits mit einem verschenkten oder verbilligten Framework zu suchen, war in Austin kein Thema. Und das war gut so. Die Entwicklung einer umfassenden Management-Lösung steht derzeit noch am Anfang. In dieser Situation sind solide Herangehensweisen an eine umfassende Managementlösung sowie an den Markt gefordert, um dem Kunden nicht mit übereilten, sondern mit tragfähigen Lösungen aufzuwarten.

Die Komplexität der Herausforderung ist auf jeden Fall immens und übersteigt um Dimensionen die des klassischen Netzwerkmanagements. Zumal in vielen Management-Bereichen wie Anwendungs- und PC-Management verläßliche Standards fehlen. Werkzeuge zum Anwendungs-, Daten-, Operations-, Konfigurations- und Änderungsmanagement wollen ebenso unter TME 10 integriert sein wie Werkzeuge zur Benutzerverwaltung, zum Transaktions-, Intranet-, Performance-, Problem- und Sicherheitsmanagement.

Die Basisfunktionalitäten für ein umfassendes Management der Hard- und Software im Netz wie die TME-10-Oberfläche, Inventarisierung, Software-Verteilung und das agentenbasierende Netzmonitoring übernimmt der Framework-Lieferant Tivoli selbst, darüber hinaus die Grundfunktionalität für die wichtigsten der unter das Framework zu integrierenden Management-Werkzeuge. Eine Gesamtlösung kann damit nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Tivoli und seinen Produkt-Partnern zustande kommen. Sie stellen die eigentlichen Management-Werkzeuge zur Überwachung und Verwaltung von Netzwerkkomponenten, Anwendungen, Datenbanken und Betriebssystemen.

Produkt-Partner unter TME 10

Auf 350 solcher Produkt-Partner verweist aktuell Tivoli, wobei die IBM-Tochter je nach Integrationstiefe und Umfang der integrierten Managementwerkzeuge drei Produkt-Partner-Kategorien unterscheidet. Die höchste Kategorie umfaßt derzeit fünf Partner, die darunter rund 110 Partner. Der erhebliche Rest der Produkt-Partner, rund zwei Drittel, haben die Lizenzierung ihrer Management-Werkzeuge noch vor sich - Grundvoraussetzung, um unter dem TME-10-Framework mit den eigenen Produkten mitmischen zu können.

Gemäß dem Veranstaltungsmotto: "Wir sind offen für alle" will Tivoli künftig mit noch mehr Elan Produkt-Partner unter das Framework ziehen, um seinem Erzkonkurrenten CA Computer Associates mit System- und Marktmacht sowie mit dem nach Marktkennern ausgereifteren Framework zu überflügeln. Ehrgeiziges Ziel dabei: unter den Software-Anbietern von der Nummer 5 zur Nummer 3 weltweit zu avancieren.

Zur Integration der einzelnen Management-Werkzeuge bietet Tivoli seinen Produkt-Partnern ein sogenanntes "Integration Tool Kit" an, Kostenpunkt: 4.000 Dollar. Das TME-10-Framework erhalten sie

kostenlos. Der Integrationsaufwand, das eigene Managementwerkzeug unter TME 10 zu integrieren, wird von Tivoli-Partnern je nach Komplexität des Management-Werkzeugs mit 120 bis 240 Manntagen angegeben. Von ihnen wird moniert, daß sich das Integration Tool Kit als zu aufwendig in der Bedienung und Entwicklung erweist. Tivoli ist sich der zu hohen Komplexität dieses Entwicklungswerkzeuges bewußt und hat eine überarbeitete Version bis spätestens zum Sommer 1998 angekündigt. Die soll dann einen erheblichen Teil der Code-Generierung automatisch übernehmen, durch eine überschaubarere Benutzerführung überzeugen und dadurch in der Summe zu kürzeren Integrationszeiten beitragen.

Produkt-Partner müssen aber nicht zwangsläufig zur Integration ihrer Management-Werkzeuge auf das Integration Tool Kit zurückgreifen. Wichtig ist nur, daß das Integrationsprodukt die Anforderungen im Rahmen der technischen Produktzertifizierung erfüllt. Tivoli gibt die Erfolgsquote mit 50 Prozent an und stellt nach eigenen Angaben zwei Personen für eine ganze Woche zur Vorbereitung und Durchführung eines Integrationstests zur Verfügung. Die Produktzertifizierung wird ausschließlich in Austin durchgeführt. Wer mit der rasanten Entwicklung mit und unter TME 10 technologisch wie marktpolitisch mithalten will, kann zudem einen Sitz im Standardisierungsgremium DMTF (Desktop Management Task Force) in Erwägung ziehen. Hier werden mögliche Standards für das Endgeräte- und Applikationsmanagement vorangetrieben, an denen sich Tivoli nach eigenen Aussagen orientiert. Ein Sitz in diesem Gremium kostet 10.000 Dollar pro Jahr.

Anforderungen an Business-Partner

Parallel sucht Tivoli mit Vertriebspartnern die Breite des Marktes. 221 Business-Partner weltweit haben sich nach Tivoli bereits für eine Vermarktung der Framework-basierenden Lösung entschieden und ihre Kompetenz dazu nachgewiesen. Die Ausbildung für einen kompetenten Vertrieb der TME-Lösung ist kostenlos. Sie umfaßt als Mindestpflichtprogramm das Framework und eine ManagementDisziplin, beispielsweise Software-Verteilung, Benutzerverwaltung, Enterprise-Konsole, verteiltes Monitoring oder Network-Management. Wer als "Tivoli Certified Enterprise Consultant" im Markt auftreten will, muß sämtliche Disziplinen bewältigen. Das Ausbildungsergebnis muß in einem ausgiebigen Zertifizierungstest nachgewiesen werden, der in Deutschland über die Firma Sylvan Prometrics angeboten wird. 15 Spezialisten zur Gestaltung und Durchführung solcher Tests hält Tivoli derzeit nach eigenen Angaben vor. Vertriebspartner, die ihm Rahmen der Veranstaltung in Austin die Zertifizierung ablegten, warnen davor, diesen Test zu unterschätzen.

Erhebliche Kosten zieht die Ausbildung in TME 10 dennoch für den Business-Partner in spe nach sich. Mit drei Wochen muß man für diesen Ausbildungsgang bis zur Zertifizierung rechnen. Ein Zeitraum, in dem der Mitarbeiter nicht für das eigentliche Firmengeschäft zur Verfügung steht. Hinzu kommen die Reise- und gegebenenfalls Hotelkosten. Zudem müssen mindestens zwei Mitarbeiter des Unternehmens diesen Ausbildungsgang durchlaufen und die Zertifizierung erfolgreich ablegen, damit das Unternehmen als legitimer Business-Partner für TME 10 gegenüber dem Kunden auftreten darf.

Vor- und Nachteile genau abwägen

Die Vor- und Nachteile sowohl für Produkt- als auch Business Partner unter dem Framework sind derzeit schwierig abzuwägen. Den zusätzlichen Marktchancen, die eine solche Partnerschaft für das Unternehmen mit sich bringen kann, müssen die entstehenden Kosten sowie potentielle Risiken gegenübergestellt werden. So ist in dieser frühen Marktphase noch nicht abzuschätzen, ob Tivoli oder CA Computer Associates letztlich das Rennen machen wird.

Für den Partner stellt sich in dieser Ausgangssituation die Frage, ob er nicht besser auf beide Pferde setzen sollte. Eine doppelte Strategie, die viele Partner unter TME 10, vor allem die größeren unter ihnen, fahren. Nur dieser zweigleisige Ansatz zieht für das Unternehmen auch einen doppelten Aufwand nach sich. Zumal beide Framework-Welten unvereinbar sind. Tivoli beispielsweise forciert als Schnittstelle für das Anwendungsmanagement AMS (Application Management Specification) als möglichen Standard. Bestrebungen, gegenüber denen sich CA Computer Associates aus marktpolitischen Gründen sperrt. Denn CA möchte im Bereich des Systemmanagements seinen eigenen Herstellerstandard prägen, um die Kunden an das eigene Framework Unicenter TNG zu binden.

Nicht vergessen werden sollte zudem von Produkt- und Vertriebspartnern, daß mit Einsatz von Framework-basierenden Lösungen beim Anwender eine völlig neue Sicht der Management-Werkzeuge gefordert ist, nämlich eine ganzheitliche Sicht. Um ein Framework mit seinen Werkzeugen planen und implementieren zu können, müssen erst die Geschäftsprozesse und die strategischen Ziele des Anwenders und erst dann die einzelnen Managementdisziplinen betrachtet werden. Eine Sichtweise, die beim Anwender nur schwierig durchsetzbar ist. Zudem erschwert dort zumeist eine organisatorische Trennung der Aufgabenbereiche "Netzwerk", "Betriebssysteme und Anwendungen" und "Telekommunikation" diese ganzheitliche Sichtweise der zu überwachenden und zu verwaltenden Objekte.

Der Partner muß also beim Anwender im wahrsten Sinne des Wortes oft zeitaufwendige Missionarsarbeit leisten. Hinzu kommt der hohe Preis einer umfassenden TME-10-Lösung. Enterprise-Lösungen (nur Software) kosten den Anwender im Schnitt 600.000 Dollar. Die Planung, Projektierung und die Implementation einer solchen Lösung verschlingt ein Vielfaches dieses Betrages. Tivoli selbst geht davon aus, daß die Service-Leistungen rund um das TME-10-System dem Anwender neunmal so teuer zu stehen kommt wie die Management-Software.

Letztlich ist auch der Partner unter dem Framework nicht vor einem harten Konkurrenz-Kampf gefeit. Ein Konkurrenzkampf, der sich mit der wachsenden Anzahl an Partnern unter den Frameworks noch verstärken wird. Ein Risiko kann speziell für den Vertriebspartner auch die Offenlegung der Kundenanforderung gegenüber dem Framework-Lieferanten darstellen, um dort Support zu erhalten.

Zwei Business-Partner beklagten sich bei der Veranstaltung in Austin darüber, daß in diesem Fall Tivoli das lukrative Kundengeschäft einfach an sich gezogen hätte. Mindestens genauso, wenn nicht risikovoller, dürfte die Ausgangsposition für den Vertriebspartner unter dem Framework des Konkurrenten CA Computer Associates sein. Denn bei Tivoli wird zumindest der Support-Mitarbeiter bei einem erfolgreichen Kundengeschäft des Partners provisioniert.

Gute Marktperspektiven unter TME 10

Dennoch, es geht sowohl für die Framework-Lieferanten als auch für die Partner um ein lukratives Geschäftsfeld. Um durchschnittlich rund elf Prozent sieht das Marktforschungsunternehmen IDC den Bereich Systemmanagement pro Jahr wachsen, bevor dieser Markt 1999 ein Umsatzvolumen von 11,8 Milliarden Mark erreichen soll.

Zudem scheint Tivoli mit TME 10 aus technologischer Sicht die besseren Marktchancen zu haben. So kann bei CA Computer Associates, trotz offensiver Vermarktung als Framework, im Kern der Plattform von einer objektorientierten Technologie kaum die Rede sein. Unicenter TNG hat den Weg zu einer objektorientierten Middleware noch vor sich, denn bisher ist lediglich das Daten-Handling objektorientiert. Ansonsten basiert die Architektur auf klassischen SQL-Servern. Auch den Support des Kunden scheint man bei Tivoli ernster zu nehmen als bei CA Computer Associates, wie die Ressonanz bei vielen Anwendern beweist.

Der Support von Kunden und Partnern soll zudem bei Tivoli kräftig ausgebaut werden. Die IBM-Tochter selbst geht für 1998 davon aus, das allein mit TME-10-begleitenden Serviceleistungen weltweit 1 bis 1,5 Milliarden Dollar an Umsatz erzielt werden können. Dann soll mehr als Dreiviertel des Dienstleistungs-Geschäfts rund um TME 10 von Tivoli-Partnern generiert werden.

*Hadi Stiel, der Autor ist Berater und freier Journalist in Bad Camberg.

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