Teile der x86-Server-Sparte gehen an Lenovo

IBM und Lenovo – warum der Server-Deal richtig ist

Bernhard Haluschak war bis Anfang 2019 Redakteur bei der IDG Business Media GmbH. Der Dipl. Ing. FH der Elektrotechnik / Informationsverarbeitung blickt auf langjährige Erfahrungen im Server-, Storage- und Netzwerk-Umfeld und im Bereich neuer Technologien zurück. Vor seiner Fachredakteurslaufbahn arbeitete er in Entwicklungslabors, in der Qualitätssicherung sowie als Laboringenieur in namhaften Unternehmen.
Lange wurde spekuliert, jetzt ist es offiziell: IBM verkauft Teile der x86-Server-Sparte an Lenovo. Davon können beide Hersteller profitieren.
Foto: Lenovo

Seit rund einem Jahr flammten immer wieder Gerüchte auf, IBM wolle seine x86-Server-Sparte an Lenovo verkaufen. Jetzt ist es soweit: Die beiden Hersteller sind sich einig und kommen ins Geschäft.
Schon einmal - im April 2013 - schien die Übernahme kurz bevorzustehen. Damals wurden sogar konkrete Summen bekannt. So berichtete Bloomberg von einem Verkaufspreis, der zwischen 2,5 und 4,5 Milliarden US-Dollar liegen solle. Andere Quellen gingen von weit höheren Summen aus. Doch am 1. Mai 2013 platze der fast sicher geglaubte Mega-Deal, da sich die Parteien nicht über die Kaufsumme hätten einigen können.
Allerdings kehrten beide Parteien offensichtlich wieder an den Verhandlungstisch zurück: Der Deal ist nun unter Dach und Fach, Lenovo will Teile der x86-Server-Sparte übernehmen.

Betrachtet man die Fakten, die die Grundlage für die Verhandlungen gewesen sein dürften, wird schnell deutlich, dass beide Seiten von dem Deal profitieren. Die ChannelPartner-Schwesterpublikation TecChannel hat die wichtigsten Informationen zusammengetragen.

IBM-Chefin Ginni Rometty ist schon seit Längerem unzufrieden mit der finanziellen Performance der Server-Sparte. Im Visier stand dabei immer das System-x-Server-Geschäft. Genaue Profit-Zahlen veröffentlicht IBM nicht. Es wird jedoch schon länger spekuliert, dass der Hersteller vor allem mit Commodity-Produkten wie Ein- und Zwei-Wege-Tower- und Rack-Servern mit x86-Technologie jedes Quartal viele Millionen Dollar verliert. In seiner mehr als hundertjährigen Geschichte hat sich IBM immer wieder von unprofitablen Geschäftseinheiten getrennt. Im Jahr 2002 verkaufte der Konzern beispielsweise seine Festplattensparte an Hitachi. 2005 ging die milliardenschwere PC-Sparte an Lenovo.
Der Umsatz der gesamten System- und Technology-Sparte, unter dessen Dach auch das gesamte Server-Geschäft gebündelt ist, ist seit Langem rückläufig und war im vierten Quartal 2013 um 26 Prozent eingebrochen. Die Umsätze der System-x-Sparte gingen um 16 zurück, die Power-Systems sogar um 31 Prozent. Insofern passt der Deal sehr gut in die Gesamtstrategie der IBM-Führung.

Lenovos Server-Geschäft ist in jüngster Zeit schnell gewachsen. Der chinesische Hersteller fährt eine aggressive Expansionsstrategie und will vor allem in den Vereinigten Staaten und Europa Boden gutmachen. Mit IBMs System-x-Sparte gewönne das Unternehmen auch den zugehörigen Channel und die Marke und würde damit auf einen Schlag zum drittgrößten Server-Hersteller der Welt aufsteigen. IBM andererseits möchte Zugang zu chinesischen Provinzen und Staaten, um seine Smarter-Planet-Beratungsleistungen und zugehörige Big-Data-Plattformen anbieten zu können. Der Server-Verkauf könnte IBM vieles auf diesem Weg erleichtern.

IBM werde vorerst an der Weiterentwicklung seiner Power-CPUs (Unix/Linux-Server) sowie an den System-z-Prozessoren (Großrechner) festhalten, spekuliert der CPU-Experte Timothy Prikett Morgan. Dazu gehöre auch der Umstieg auf eine Strukturbreite von 22 Nanometern und der damit verbundene Fertigungsprozess. Auf lange Sicht aber, so Morgan, wird sich IBM dies aber nicht mehr leisten wollen. Jeder Sprung auf eine kleinere Strukturbreite koste den Hersteller Milliarden von Dollar; deshalb sei es unwahrscheinlich, dass IBM den Wechsel auf einen 14- oder gar 10 Nanometer-Fertigungsprozess aus eigener Kraft stemmen wolle. Lenovo dagegen könnte diese Aufgaben als Partner in Zukunft womöglich übernehmen.

Lenovo hat seine Server-Sparte am 30. September 2008 ins Leben gerufen. Unter dem Label "ThinkServer" begann der chinesische Hersteller mit vier Systemen. Besucht man heute die Lenovo-Server-Webseite, entsteht der Eindruck, als habe sich in den vergangenen fünf Jahren nichts geändert. Im Lenovo-Portfolio finden sich heute wie damals nur einige Tower- und Rack-Server. Richtig "große" Unternehmenslösungen bietet Lenovo nicht an. So ist es nicht verwunderlich, dass der Hersteller auch nicht zu den Top-Sechs der weltweiten Server-Anbieter gehört. Laut aktuellen IDC-Analysen tummeln sich auf den ersten drei Plätzen IBM (35,6 Prozent), HP (24,8 Prozent) und Dell (15,1 Prozent) mit jeweils zweistelligen Marktanteilen. Dahinter folgen in einem respektablen Abstand die Mitbewerber Oracle (4,1 Prozent), Fujitsu (3,4 Prozent) und Cisco (3,3 Prozent).

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