"Ich will Actebis wieder nach vorne bringen"

11.03.2004
Seit dem 5. Januar ist die Ex-HP-Managerin Bärbel Schmidt bei der Actebis-Gruppe als neue DeutschlandGeschäftsführerin an Bord. Über die Zukunft des Unternehmens, den knallharten Wettbewerb in der Distribution und ihre Ziele sprach Schmidt mit den ComputerPartner-Redakteuren Cornelia Hefer und Damian Sicking.

ComputerPartner Frau Schmidt, Sie pendeln derzeit noch zwischen Soest und Ihrer alten Heimat Frankfurt. Wollten Sie erst mal abwarten, was bei Actebis passiert, bevor Sie Ihren Wohnsitz nach Westfalen verlegen?

Schmidt Nein, das werde ich nicht tun. Ich habe hier bereits ein Haus gefunden und bin am 1. März nach Soest gezogen.

ComputerPartner Ihre neuen Mitarbeiter bezeichnen Sie als "Image-Gewinn" für die Actebis-Gruppe. Wie sind Sie denn hier aufgenommen worden?

Schmidt Sehr positiv, sehr freundlich. Am ersten Tag, als ich zur Tür hereinkam, sagte eine Dame an der Rezeption: "Hallo Bärbel, wie schön, dass du hier bist. Wir freuen uns." Ich dachte: "Haben wir vielleicht schon mal ein Bier zusammen getrunken?" Dann hat mich Klaus Helmich abgeholt und ich meinte zu ihm: "Herr Helmich, bevor wir loslegen, habe ich erst mal eine Frage." Er hat dann geantwortet: "Noch eine Sache vorweg - wir duzen uns hier alle und ich bin der Klaus." Damit wusste ich, wie ich die Begrüßung an der Rezeption aufzufassen hatte.

ComputerPartner Wie ist derzeit die allgemeine Stimmung bei Actebis?

Schmidt Ich habe den Eindruck, dass die Stimmung sehr gut ist. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass sich das Geschäft in den vergangenen Monaten deutlich verbessert hat.

ComputerPartner Kurz nach Ihrem Antritt mussten Sie bereits schwer wiegende Entscheidungen treffen: die angekündigte Integration von Peacock. Wie waren die Reaktionen der Mitarbeiter?

Schmidt Wir haben unsere Entscheidung zeitgleich in Wünnenberg und in Soest bekannt gegeben. Damit nicht irgendwo "die stille Post" startet. In Wünnenberg waren die Mitarbeiter natürlich gespannt, weil sie mit einem Sozialplan und Entlassungen gerechnet haben. Als dann klar war, dass wir allen Mitarbeitern einen Job in Soest anbieten, konnte man die Erleichterung spüren. Vor allem wissen die Leute jetzt, wie es weitergeht.

ComputerPartner Einerseits wird diese Maßnahme als "längst überfällig" bewertet. Andererseits verschwindet jetzt ein ehemals geschätztes Distributionsunternehmen vom Markt. Wie viele Anrufe, E-Mails oder Faxe von wütenden oder aufgebrachten Peacock-Händlern haben Sie denn bekommen?

Schmidt Nachdem wir die Mitarbeiter über diesen Schritt informiert hatten, haben sie noch am gleichen Tag 800 Partner angerufen. Ich habe nicht eine einzige E-Mail bekommen, in der sich jemand über die Zusammenführung beschwert hat. Für die Kunden ändert sich ja nicht viel: Sie behalten ihre gewohnten Ansprechpartner; und die Telefonnummer wird auch noch eine ganze Zeit gleich bleiben.

ComputerPartner Im Gespräch mit der ComputerPartner-Redaktion haben Sie den Zusammenschluss "aufgrund des Margendrucks als Gebot wirtschaftlicher Vernunft" bezeichnet. Wie lauten die künftigen Gebote für Actebis - müssen sich jetzt auch Mitarbeiter in Soest Gedanken um ihren Job machen?

Schmidt In einem Unternehmen, das erfolgreich ist, hat keiner Grund zur Sorge. Wenn wir es schaffen, unser Geschäft weiter zu stabilisieren, braucht sich keiner Gedanken um seinen Arbeitsplatz zu machen. In den nächsten Wochen und Monaten, was ich heute absehen kann, stehen keine signifikanten Veränderungen an.

ComputerPartner Rationalisierung ist also nicht die Priorität 1?

Schmidt Nein. Priorität 1 sind eine vernünftige Integration der Peacock-Mitarbeiter und, dass wir die Kunden als auch die Lieferanten behalten.

ComputerPartner Marktkenner schätzen den Jahresumsatz der Actebis-Gruppe auf 3,25 Milliarden Euro. Wie hoch war der Verlust im vergangenen Jahr?

Schmidt Kein Kommentar. Das Geschäftsjahr des Otto-Konzerns geht bis März und dazu können und wollen wir nichts sagen.

ComputerPartner Sehen wir in die Zukunft: Wie soll es mit Actebis weitergehen - welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Schmidt Für uns ist wichtig, dass Actebis in Deutschland wieder eine führende Stellung einnimmt. Wir sind ein ganzes Stück zurückgefallen und jetzt wollen wir wieder aufschließen.

ComputerPartner Aufschließen an Ingram Micro und Tech Data?

Schmidt Beide Unternehmen sind gut unterwegs und wir wollen uns beiden Wettbewerbern wieder annähern.

ComputerPartner Der Abstand zwischen Actebis und den beiden Wettbewerbern ist groß.

Schmidt Bei der Fusion von HP und Compaq habe ich gesagt, 1 und 1 wird 2,5 ergeben. Ein Partner meinte dazu: "Ich wusste schon immer, dass Frauen nicht rechnen können." Als wir dann bei 2,5 waren, habe ich ihn angerufen. Bei der Zusammenführung von Actebis und Peacock wollen wir mindestens eine 2,5 erreichen. Der Vergleich mit Ingram und Tech Data hinkt allerdings.

ComputerPartner Warum hinkt der Vergleich?

Schmidt Wir sind, was die Produktpalette und die Lieferanten angehen, nicht so breit aufgestellt, wie die beiden Broadliner.

ComputerPartner Sehen Sie das als Vor- oder Nachteil?

Schmidt Ein Vorteil ist, dass die Mitarbeiter bei einem schmaleren Produktportfolio kompetenter Auskunft geben können. Auf der anderen Seite kann man als Distributor seinen Umsatz mit mehr Herstellern im Portfolio deutlich erhöhen. Aber es bleibt eine Frage der Positionierung. Wir glauben nicht, dass unser Heil darin liegt, unsere Produktpalette ewig zu erweitern.

ComputerPartner Haben Sie bei Actebis bereits Abläufe oder Prozesse identifiziert, von denen Sie sagen, da besteht dringender Handlungsbedarf? Zum Beispiel haben wir gehört, dass Sie Ihr Büro verlegen werden und mitten ins Geschehen ziehen.

Schmidt Ja, stimmt. Ich muss bei den Leuten sein, die das Business machen. Denn nur so kann ich ein Gespür dafür entwickeln, was im Markt los ist. Es gibt für mich jetzt eine Menge zu lernen - zum Beispiel, was andere Hersteller betrifft.

ComputerPartner Sie haben 25 Jahre für HP gearbeitet. Andere Hersteller waren zu der Zeit Ihr Feind. Heute sitzen Sie mit Ihren Ex-Kontrahenten zusammen und überlegen, wie man gemeinsam am besten Geschäfte macht. Fällt Ihnen die Umstellung schwer?

Schmidt Nein. Seit dem 1. Januar werde ich an neuen Zielen gemessen. Bei Actebis bin ich jetzt dafür verantwortlich, das Unternehmen in Deutschland nach vorne zu bringen und dazu gehört die Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Herstellern, die früher Wettbewerber waren. Betrachten Sie auch die menschliche Seite: Uli Kemp von FSC und ich waren früher Kollegen. Oder IBM: Marc Fischer war mal mein Mitarbeiter. Wenn man nach der Devise handelt: Man trifft sich immer zwei Mal im Leben, hat man auch nichts zu befürchten.

ComputerPartner Wie haben denn Händler und Lieferanten auf Sie in den ersten Wochen bei Actebis reagiert?

Schmidt Im deutschen Fachhandel bin ich bekannt wie ein bunter Hund. Die Partner haben sehr positiv reagiert. Und was die verschiedenen Hersteller betrifft - die meisten kennen mich und wissen, wie ich arbeite - auch hier war die Resonanz positiv.

ComputerPartner Ihr neuer Job in der Distribution wird von vielen Branchenkennern als anspruchsvoller, als bei einem Hersteller bezeichnet: Heute machen Sie Margenkalkulationen für die verschiedensten Produktgruppen und Forecast mit zahlreichen Herstellern der Branche. Nach Ihren ersten Wochen bei Actebis - wie sehen Sie das?

Schmidt Sicher ist die Arbeit hier anders. Aber bei Actebis haben Sie viel mehr Mitarbeiter für Bereiche wie Marketing oder Einkauf zur Verfügung als bei einem Hersteller. Wenn man mit einer professionellen Truppe arbeitet, dann erleichtert das vieles. Dazu kommt, dass die IT-Systeme und die Logistik-Strukturen hier wirklich erste Sahne sind.

ComputerPartner In Ihrer Position bei HP konnten Sie viel Insiderwissen über die verschiedenen großen Distributoren sammeln. Kommt Ihnen das heute - als Wettbewerberin zu den Partnern von gestern - zugute?

Schmidt Wenn Sie mehr als 20 Jahre in dieser Branche arbeiten, sammelt man eine Menge Erfahrungen, wie ein Hersteller, Systemhäuser oder auch die Distribution funktionieren.

ComputerPartner Aufgrund dieser Erfahrungen kennen Sie die Schwächen Ihrer heutigen Wettbewerber ...

Schmidt Wenn ich sie bis heute nicht kennen würde, kann ich mir nicht vorstellen, dass Otto mich geholt hätte.

ComputerPartner Hat sich Ihr Verhältnis zu anderen Distributionsmanagern wie Michael Kaack, Gerhard Schulz, Marcus Adä oder Roland Apelt seit Ihrem Amtsantritt in Soest geändert?

Schmidt Nein, überhaupt nicht. Ich bin in dieser Runde der Kollegen sehr nett begrüßt worden.

ComputerPartner Uns ist aufgefallen, dass der Umgangston unter den Distributoren durchaus rüde sein kann - man spricht auch mal schlecht über Wettbewerber. Sie kommen nicht aus der Distribution, heißt das, Sie müssen noch dazulernen?

Schmidt Das gehört nicht zu der Art und Weise, wie ich arbeite. Ich rede nicht schlecht über Wettbewerber. Das habe ich beim Hersteller nicht getan und das wird es auch hier nicht geben.

ComputerPartner Als Geschäftsführerin für Vertrieb und Marketing bei Actebis Deutschland - an wen berichten Sie eigentlich derzeit?

Schmidt An Herrn Dr. Wolfgang Linder, der als Vorstand beim Otto-Konzern für uns verantwortlich ist.

ComputerPartner Die Position von Michael Urban als Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Actebis-Gruppe ist nach wie vor nicht besetzt. Wäre das kein Job für Sie?

Schmidt Ich habe hier die Verantwortung für Deutschland und Österreich übernommen. Sie wissen, wenn das Geschäft in Deutschland nicht läuft, hat die gesamte Organisation ein Problem. Für mich heißt das - gemeinsam mit den Mitarbeitern - Actebis Deutschland wieder nach vorne zu bringen.

ComputerPartner Kurz vor Weihnachten erklärte der Actebis-Mutterkonzern Otto die Übernahmeverhandlungen mit Westcoast-Chef Joe Hemani für gescheitert. Man könnte auch auf den Gedanken kommen, das war nur ein Trick, um die Geschichte aus den Schlagzeilen zu halten und dann in Ruhe hinter den Kulissen weiter zu verhandeln.

Schmidt Wenn Sie dazu eine offizielle Stellungnahme haben möchten, müssen Sie beim Otto-Konzern nachfragen. Wenn Verhandlungen geführt werden, werden sie in Hamburg geführt.

ComputerPartner Wie sehen Sie das - gehört Actebis eigentlich noch zum Kerngeschäft von Otto?

Schmidt Großhandel gehört durchaus dazu. Und wir sind ein Großhändler für IT. Wenn wir hier einen guten Job machen, wird man in Hamburg mit uns zufrieden sein.

ComputerPartner Zur Actebis-Gruppe gehört auch der Systemhausverbund Actebis Network unter Leitung von Karl Hoffmeyer. Wie beurteilen Sie die Kooperation?

Schmidt Sehr positiv. Herr Hoffmeyer hat die Kooperation sehr gut weiterentwickelt. Ende Januar sind wir mit Actebis Network - nach Deutschland und der Schweiz - in Österreich an den Start gegangen. Actebis Network ist eine Kooperation, die sich im Markt durchsetzen wird. Und wir werden prüfen, welche Potenziale bei den Peacock-Partnern noch für den Systemhausverbund vorhanden sind.

ComputerPartner Sie haben eingangs erwähnt, dass bei Actebis Aufbruchstimmung herrsche, weil sich das Geschäft in den vergangenen Monaten positiv entwickelt habe. Wie wird 2004 für den deutschen IT-Handel?

Schmidt Insgesamt können wir mit einer Belebung rechnen. Ob wir eine Steigerung haben, wie sie in verschiedenen Medien derzeit diskutiert wird, bleibt abzuwarten.

Eine letzte Frage hätten wir noch ....

... Frau Schmidt, über 20 Jahre war Ihr fester Platz auf der Cebit der HP-Stand. In diesem Jahr heißt es für Sie bequeme Schuhe anziehen. Freuen Sie sich trotzdem auf Hannover?

Ich werde das erste Mal seit über 20 Jahren nur zwei Tage auf der Cebit sein und das reicht. Es stellt sich nämlich die Frage, wie viele Händler in diesem Jahr - aufgrund der gestiegenen Eintrittspreise - überhaupt nach Hannover kommen. Für mich sind die zwei Tage auf der Cebit sinnvoll für die Kontaktpflege.

Mutterkonzern Otto zu Actebis

Erfahrungsgemäß beantwortet der Hamburger Otto-Konzern Fragen nach seiner hundertprozentigen Tochtergesellschaft, der Actebis-Gruppe, nur ausweichend oder gar nicht. Die Hanseaten operieren lieber hinter den Kulissen.

Auf die Frage, ob das Otto-Management derzeit in Verhandlungen mit einem potenziellen Käufer steht, hält sich das Unternehmen bedeckt: "Falls sich bei Actebis eine Änderung der Besitzverhältnisse ergeben sollte, würden wir die Öffentlichkeit umgehend informieren", lautet die Antwort der Pressestelle. Auch die Antwort auf die Frage, ob Actebis noch zum Kerngeschäft gehöre, lässt Raum für Interpretationen: "Otto ist eine weltweit tätige Handels- und Dienstleistungsgruppe. Das Kerngeschäft von Otto ist schon immer der Einzelhandel gewesen, allerdings spielt auch das Großhandelssegment eine bedeutende Rolle."

2002 äußerten sich die Hanseaten dazu sehr viel klarer. "Die Actebis-Holding, inklusive Peacock, gehören zum Kerngeschäft von Otto und stehen nicht zur Disposition", erklärte das Unternehmen damals auf Anfrage von ComputerPartner (siehe ComputerPartner.de, 4. März 2002). CH

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