"Ich würde mich unwohl fühlen, wenn ich nur Distributor wäre"

02.03.2000
Beteiligungen, Übernahmen, Kooperationen - im vergangenen Jahr gönnte sich die Lintec Computer AG kaum eine Verschnaufpause. Und auch in diesem Jahr will Hans-Dieter Lindemeyer, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens mit Sitz in Taucha bei Leipzig, nahtlos an 1999 anknüpfen. Welche Ziele er dabei verfolgt, erklärte er im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteurin Susann Naumann.

Im vergangenen Jahr haben Sie angekündigt, Lintec zum "IT-Konzern" auszubauen. Wie weit sind Sie damit inzwischen?

Lindemeyer: Wir sind schneller vorangekommen, als ich dachte. Unser Problem war, dass wir mit der PC-Assemblierung und der Distribution in einer alles andere als optimalen Position waren. Dazu kamen die Spielregeln an der Börse, die eine entsprechende Dynamik bei der Umsatz- und Margenentwicklung verlangen. Allein mit unserem bisherigen Geschäft ist das aber nicht machbar. Die Lösung kann deshalb nur sein, um das Kern-Business weitere Geschäftsfelder zu gruppieren. Im unternehmensnahen Bereich können das zum Beispiel die Server- und 19-Zoll-Technik oder aber Industrie-PCs sein. Im weiteren Bereich setzen wir auf Software und Services.

Bleibt das Hardware-Geschäft dennoch Ihre Kernkompetenz?

Lindemeyer: Wir wollen versuchen, aus den beiden anderen Sparten wesentliche Ergebnisbeiträge zu erzielen, so dass sich die allzu dominante Rolle der Hardware abschwächt. 1999 war es so, dass Software und Dienstleistung zusammen noch einen relativ unbedeutenden Beitrag geleistet haben. Im nächsten Jahr soll es so sein, dass das Ergebnis schon zu fast 20 Prozent durch die beiden Sparten beeinflusst wird. Aber um es ganz klar zu sagen: Aus dem Hardware-Geschäft wollen wir uns keinesfalls zurückziehen, im Gegenteil: Wir werden auch in unsere angestammte Kernkompetenz weiter investieren.

Welche Rolle wird die Distribution künftig bei Lintec spielen?

Lindemeyer: Das Großhandelsgeschäft allein bringt einfach zu wenig, um an der Börse erfolgreich zu sein. Deshalb müsste man eigentlich die Distribution noch weiter zurückfahren. Das werden wir aber nicht tun, weil wir genau mit der Kombination Assemblierung und Distribution ein gewisses betriebswirtschaftliches Optimum in puncto Risiko haben. Jedes Unternehmen, das diesbezüglich zweigleisig fährt, kann die Probleme der anderen Sparte etwas abfedern. Ich würde mich viel unwohler fühlen, wenn ich nur Distributor oder nur PC-Assemblierer wäre. Mit Distribution kann ich nicht so viel Geld verdienen, dass ich ein homogenes Wachstum gewährleisten kann. Das zeigt ja das Umfeld, in dem wir uns bewegen, nur allzu deutlich.

Um Ihre Vision vom IT-Konzern zu verwirklichen, sind Sie im vergangenen Jahr einige Beteiligungen eingegangen und haben etliche Unternehmen gekauft. Wo sind denn jetzt noch Lücken?

Lindemeyer: Das Segment der Software ist im Moment noch zu rudimentär ausgeprägt. Wir haben zwar über unsere Beteiligungsgesellschaft, die MVC AG, schon eine gute Position bezogen. Im Konzern allerdings haben wir bisher nur Apoll und Virtual Commerce, die in absehbarer Zeit nicht den Ergebnisbetrag liefern werden, den ich mir vorstelle. Deshalb muss hier etwas getan werden.

Sie sprechen die MVC AG an. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Lindemeyer: Über die MVC sollen bestimmte Technologien, die nicht heute, aber morgen in unser Unternehmen passen, geparkt werden. Zu diesem Zweck beteiligt sich die MVC an Unternehmen, was im vergangenen Jahr bereits fünfmal der Fall war. Bis Ende dieses Jahres rechne ich mit mehr als 20 Beteiligungen.

Die Akquisitionen und Beteiligungen in 1999 waren wirklich sehr zahlreich. Laufen Sie bei so vielen Baustellen nicht Gefahr, sich zu verzetteln?

Lindemeyer: Das Gefühl habe ich nicht. Vielmehr wählen wir die "Baustellen" ja ganz bewusst aus. Deshalb haben sich in der Zwischenzeit schon sehr viele Synergien zwischen den einzelnen Gesellschaften ergeben.

Kurz vor Jahresende sind Sie noch eine Kooperation mit dem chinesischen PC-Hersteller Legend eingegangen. Was versprechen Sie sich davon?

Lindemeyer: Wir haben vor, mit eigenen Notebooks an den Markt zu gehen. Dieses Problem muss gelöst werden, und mit Legend könnte es funktionieren.

Warum ist Ihre Wahl ausgerechnet auf eine chinesische Firma gefallen?

Lindemeyer: Legend ist seit vielen Jahren Handelspartner von uns. So sind wir deren größter europäischer Abnehmer von Motherboards.

Eine Beteiligung vom Vorjahr verlief ja nicht so, wie Sie sich das vorgestellt haben: Die Trion AG steht seit Ende vergangenen Jahres vor der Insolvenz. Wieso haben Sie sich trotz der finanziellen Schwierigkeiten bei Trion eingekauft?

Lindemeyer: Wir haben uns bereits im Mai aufgrund von Berichten namhafter Wirtschaftsprüfer und des Emissionsprospektes vorbörslich beteiligt - Trion ist ja damals an die amerikanische Börse Nasdaq gegangen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten kamen erst im Herbst zutage.

Wie wird es hier weitergehen?

Lindemeyer: Das werden die nächsten Wochen zeigen. Zunächst müssen wir den Bericht des Vorstandes auf der nächsten Hauptversammlung von Trion abwarten. In Abhängigkeit davon werden wir über unser nächstes Engagement entscheiden. Verschiedene Optionen sind vorbereitet.

Auf Ihrem Weg zum IT-Konzern hatten Sie auch vor, in den Telekommunikations-Sektor einzusteigen. Mit dem NotebookDistributor RFI haben Sie den ersten Schritt getan. Reicht das aus, um in diesem Markt wirklich mitmischen zu können?

Lindemeyer: Nein, da müssen wir noch etwas tun. Wir haben auch schon zwei Unternehmen geprüft, die aber aus verschiedenen Gründen nicht in Frage gekommen sind. Deshalb suchen wir hier weiter.

Könnten Sie sich vorstellen, einen Distributor à la Frank & Walter zu kaufen?

Lindemeyer: In der Form, wie sich Frank & Walter am Markt präsentiert hat, sind sie für uns nicht interessant. Das passt einfach nicht.

Was würde denn in Sachen Distribution zu Lintec passen?

Lindemeyer: Für Deutschland sehe ich keinen großen Handlungsbedarf. Vielleicht würde etwas dazu passen, das unsere Strategie der regionalen Präsenz voranbringt.

Käme für Sie auch der Einstieg in das Monitorgeschäft in Frage?

Lindemeyer: Nein. Das haben schon viele vor uns gemacht und der Markt verträgt nun einmal nur eine gewisse Menge. Da gibt es sicher andere Bereiche, mit denen wir Geld verdienen können.

Ihr bisher größter Deal war sicherlich die Beteiligung an der Batavia. Jetzt soll das Unternehmen zum IT-Makler und -Dienstleister umgebaut werden. Was muss man sich darunter vorstellen?

Lindemeyer: Die Handelslandschaft ist im Umbruch: Neben dem klassischen Fachhandel, den Lintec selbst in dem Kerngeschäft weiterhin ausschließlich bedient, haben die Food- und Non-Food-Märkte einen zusätzlichen Markt erschlossen. In diesem Markt gelten aber andere Prämissen als im Fachhandels- und Systemhausbereich. Dafür werden die Strukturen der Batavia Multimedia AG derzeit optimiert.

Lintec wird in diesem Jahr zehn Jahre alt. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie heute solch ein Unternehmen leiten?

Lindemeyer: Nein. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Ärmel hochgekrempelt werden. Ich wollte damals nur meinen Traum von der Selbständigkeit wahr machen.

Und wo steht Lintec in zehn Jahren?

Lindemeyer: Ein riesiger Umsatz ist nicht unsere Vision. Denn gerade dieses Ziel verleitet schnell dazu, irgendwelche Irrwege einzuschlagen. Deshalb sind mir Dinge wie Kundenzufriedenheit oder das Wohl meiner Mitarbeiter viel wichtiger.

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