Digitale Verkehrspflichten, Teil 1

Ihr PC hat Viren versandt - was nun?

11.03.2009
Ob Sie Schadensersatz leisten müssen, wenn Sie verseuchte E-Mails oder Datenträger verschicken, sagen Thomas Feil und Alexander Fiedler.

Im Rahmen einer Aktion der Allianz PozessFinanz GmbH wurden im November 2008 33.000 USB-Sticks mit Gesetzestexten verteilt. Auf 700 der Speicher-Sticks befand sich als Beigabe noch ein ungebetener Gast, nämlich ein Viking-Virus, der Computersysteme lahm legte und sich über Netzwerkverbindungen weiterverbreitete. Jemand, der Computerviren programmiert oder absichtlich verbreitet, muss für die dadurch entstandenen Schäden aufkommen. Dieser Schadensersatzanspruch ist juristisch völlig unproblematisch. Viel wert ist eine solche Forderung indes nicht, denn regelmäßig werden die durch das Virus weltweit verursachten Schäden so hoch sein, dass der Verursacher diese nur zu einem verschwindend geringen Bruchteil wird ausgleichen können. Aber selbst wenn man einmal von dem Liquiditätsproblem absieht, wird man den Urheber eines Computervirus in den meisten Fällen ohnehin

nicht ermitteln können. Ungleich attraktiver kann es für Geschädigte daher sein, sich an denjenigen zu halten, auf dessen Infrastruktur sich das Virus repliziert hat.

Juristisch ist daher die Frage zu beleuchten, ob jemand, der eine IT-Infrastruktur vorhält, welche die Verbreitung von Viren ermöglicht, rechtlich verpflichtet ist, technische Maßnahmen zu treffen, um eine unbeabsichtigte Weitergabe von Computerviren zu unterbinden. Ferner ist zu klären, ob ein fahrlässiges Unterlassen dieser Sicherheitsvorkehrungen einen Schadensersatzanspruch auslöst.

Verkehrspflichten

Prinzipiell ist dem deutschen Recht eine Verhaltensvorschrift, die jemanden verpflichtet, jedweden Schaden von Dritten abzuwenden, fremd. Dieser Grundsatz findet seine Schranken in den sogenannten allgemeinen Verkehrspflichten. Diese Pflichten beruhen auf dem Gedanken, dass jemand, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zum Schutze der Allgemeinheit treffen muss (Palandt, BGB, § 823, Rn. 47). Die Verkehrspflichten gehen in ihrer Entwicklung zurück bis ins römische Recht. Für das heute in Deutschland geltende Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) hatte das Reichsgerichts im Jahre 1902 in einer grundlegenden Entscheidung geurteilt, dass jedermann für die durch seine Sachen verursachte Beschädigung insoweit aufkommen müsse, als er den Schaden bei "billiger Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen hätte verhüten müssen" (RGZ 52, 373, 379). Im Urteil ging es damals um einen umgestürzten Baum, der ein Haus beschädigt hatte. In den darauf folgenden Urteilen rund um die Verkehrspflichten ging es ausschließlich um Fälle, in denen der Kläger auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen einen Schaden erlitten hatte. Daher rührt auch der Name Verkehrspflicht her. Später wurde die Rechtsprechung auf sonstige Gefahrenquellen ausgedehnt, darunter auch die Produkthaftung (RG DR 1940, 1293, 1294 - Bremsen II).

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