Im Internet gilt kein Sonderrecht

06.10.1999

BERLIN: Die verstärkte Nutzung des Internet durch Privatleute und Unternehmen bringt eine Vielzahl von Rechtsproblemen mit sich. Und unter den Anwendern herrscht große Unsicherheit ob der geltenden Rechtslage. Über rechtliche Aspekte, die man im Web beachten sollte, informiert Niko Härting*.Welche Gesetze sind anwendbar? Welche internetspezifischen Besonderheiten gibt es? Welche Internet-Gesetze wurden bereits verabschiedet? Sind besondere Internet-Gesetze in Vorbereitung? Vermehrt findet man solche oder ähnliche Fragen in Newsgroups oder auf Tagungen zum Thema Internet.

Denn die in letzter Zeit immer häufiger werdenden Entscheidungen von Gerichten tragen nicht gerade zur Rechtssicherheit bei. Den Urteilen gehen meist Abmahnungen durch beauftragte Rechtsanwälte voraus. Solche Abmahnungen dürften vielen Firmen, die im Internet Produkte zum Kauf anbieten, schon zugegangen sein. Die Anlässe für Abmahnungen sind vielfältiger Natur. Die Bandbreite reicht von Beleidigungen über Namensrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Preisangaben-verordnung bis zu Verletzungen von Urheber- und Markenrechten.

Beispiel aus der Händlerpraxis

Welche Tücken das Internet-Recht haben kann, zeigt der Fall eines betroffenen Lesers aus Hamburg, der Hardware für EDV und Kommunikation über das Internet vertreibt und bis vor kurzem unter anderem Grafikkarten mit der Bezeichnung "3DexPlorer" des taiwanischen Herstellers Asus im Web zum Kauf anbot (siehe ComputerPartner 20/99, Seite 16). Aus heiterem Himmel erhielt er eines Tages eine Abmahnung eines Münchener Rechtsanwaltes. "Explorer" sei als Marke eines Softwareunternehmens aus dem Rheinland im Markenregister eingetragen, deshalb die Verwendung des Namens "3DexPlorer" für Asus-Produkte verboten.

Der Hamburger Unternehmer wurde aufgefordert, eine Unterlassungs-erklärung zu unterschreiben, in der er sich verpflichten sollte, zukünftig von der Verwendung der Marke abzusehen. Streitwert: 100.000 Mark, die Anwaltskosten in Höhe von knapp 2.000 Mark seien kurzfristig zu überweisen.

Der Fall wirft mehrere Fragen auf: Zum einen, daß der Händler bezahlen soll, obwohl er von der Markenrechtswidrigkeit des angebotenen Produktes nichts wußte. Damit eng verbunden ist die Frage, welche Pflicht den Händler trifft, sich über derartige Markenverletzungen zu informieren. Zum anderen - und eigentlich greift erst hier die Besonderheit des Internet ein - steht der Hamburger Computerhändler durch sein Internet-Angebot nicht nur mit anderen Händlern der Branche aus der Region im Wettbewerb, sondern begibt sich durch die Web-Präsentation auf einen Markt mit Anbietern aus ganz Deutschland, ja aus ganz Europa und der Welt.

Es gibt keine spezigischen Internet-Gesetze

Im Internet gilt kein Sonderrecht. Rechtlich gilt vielmehr dasselbe, wie wenn die Hamburger Computerfirma die fraglichen Grafikkarten in einem gedruckten Werbeprospekt anbieten würde. Paragraph 14, Absatz drei, Nummer zwei, und Absatz zwei, Nummer zwei, Marken-Gesetz kommt hier zur Anwendung. Danach ist es untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr eine Bezeichnung zu benutzen, die der geschützten Marke ähnelt und daher Verwechselungs-gefahr hervorruft. Des weiteren ist es untersagt, unter einer solchen Bezeichnung Waren anzubieten.

In beschriebenem Fall kommt es demnach darauf an, ob die Bezeichnung "3DexPlorer" der geschützten Marke "Explorer" so ähnlich ist, daß das Publikum die beiden Bezeichnungen verwechseln wird. Dies dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein. Hätte der Hamburger Händler für die Asus-Grafikkarte per Prospekt geworben, so könnte der Markeninhaber von ihm die Unterlassung einer solchen Werbung verlangen.

Ein Fall der Markenverletzung liegt auch dann vor, wenn zum Beispiel der Händler gutgläubig handelt und von der Existenz einer geschützten Marke nichts weiß. Den einzigen (theoretischen) Schutz gegen den Vorwurf einer Markenverletzung bietet eine vorherige Einsichtnahme in das Markenregister, das beim Deutschen Patent- und Markenamt in München geführt wird. Leider ist das Markenregister bislang nicht online abrufbar. Wenn ein Händler eine Vielzahl von unterschiedlichen Artikeln vertreibt, ist der Aufwand, der mit förmlichen Anfragen beim Markenregister verbunden ist, unvertretbar. Praktisch gesprochen gibt es somit auch außerhalb des Internet keinen wirkungsvollen Schutz gegen den Vorwurf von Markenverletzungen.

Markenrecht muss auch im Web beachtet werden

Während in vielen Fällen die Anwendung des geltenden Rechts auf das Internet die Gerichte vor Probleme stellt, bereitet das Markenrecht bei Streitigkeiten im Web keine größeren Auslegungsschwierigkeiten. Dies belegen zum Beispiel die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 13.10.1997, Aktenzeichen: 2 U 107/97 ("steiff.de") oder das Urteil des OLG München vom 19.02.1998, Aktenzeichen 29 U 6105/97 ("click!").

Wie die beiden obergerichtlichen Entscheidungen zeigen, gilt für den Markenschutz im Internet nichts anderes als außerhalb. Wer somit eine Artikelbezeichnung im Web verwendet und damit ein fremdes Markenrecht verletzt, riskiert anwaltliche Abmahnschreiben, einstweilige Verfügungen und Unterlassungsklagen. Einen kostenträchtigen Prozeß kann der Hamburger Computerhändler nur dadurch abwenden, daß er die Unterlassungserklärung unterschreibt.

Nach der zwar umstrittenen, aber sehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes müssen die Anwaltskosten für ein (berechtigtes) Abmahnschreiben von demjenigen getragen werden, der abgemahnt wird. Keine klare gesetzliche Regelung gibt es allerdings hinsichtlich der Gebühren, die ein Rechtsanwalt für ein Abmahnschreiben in Rechnung stellen kann. Entgegen weitverbreiteten Gerüchten ist es keineswegs so, daß für Internet-Sachverhalte automatisch ein Streitwert in Höhe von mindestens 100.000 Mark anzusetzen ist. Der Streitwert, den der Rechtsanwalt in seinem Abmahnschreiben angibt, ist auch keineswegs verbindlich, sondern unterliegt der Kontrolle durch die zuständigen Gerichte. Maßgeblich für den Streitwert ist einerseits der Marktwert der verletzten Marke und andererseits das Ausmaß und die Gefährlichkeit der Markenverletzung. Insbesondere die fehlende Kenntnis des Hamburger Unternehmers von dem Markenschutz sowie die vergleichsweise geringe Intensität der Markenverletzung sprechen dafür, daß der von dem Münchener Rechtsanwalt angesetzte Streitwert recht hoch bemessen ist.

Wer als Empfänger eines anwaltlichen Abmahnschreibens zwar die Unterlassungserklärung abgibt, die Anwaltsrechnung jedoch (ganz oder teilweise) unbezahlt läßt, geht ein vergleichsweise geringes Risiko ein. Um die Rechnung beizutreiben, muß der Anwalt den Gerichtsweg beschreiten. Der Streitwert einer solchen Kostenklage richtet sich dabei nach der Höhe der Rechnung. Bei einer Rechnung über 2.000 Mark betragen die Gerichts- und Anwaltskosten für eine Instanz im Regelfall nicht viel mehr als 1.000 Mark. Daher die Empfehlung: Erscheint Ihnen der Streitwert, der in der Anwaltsrechnung angegeben ist, zu hoch, so sollten Sie die Rechnung nur teilweise bezahlen. Der Rechtsanwalt wird sich dann sehr genau überlegen, ob er den aufwendigen Weg einer Klage beschreitet, um den Restbetrag beizutreiben.

* Rechtsanwalt Niko Härting leitet die Berliner Kanzlei Härting und ist auf die Themen Multimedia und Immobilien spezialisiert. Er hat kürzlich sein Buch "Internetrecht" beim Otto-Schmidt-Verlag in Köln veröffentlicht.

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