Im Mittelstand gibt Microsoft den Takt vor

07.11.2002
Auf seiner erstmals abgehaltenen Strategiekonferenz versuchte Microsoft Deutschland, 270"Top-Partnern" zu erklären, welche Geschäfte im Mittelstand gemacht werden könnten und sollten. Die Aussicht auf ein "riesiges Potenzial" (Microsoft) erfreute Partner - auch wenn sie eine Menge Hausaufgaben bewältigen müssten, so die Microsoft-Oberen.

Natürlich, gibt Microsoft-Manager Christoph Bischoff spät abends auf der Strategiekonferenz jovial zu, "Partner kritisieren". Doch das sehe er entspannt. "So erfahren wir, wie der Markt tickt."

Dass der Mittelstandsmarkt noch tickt, dass er laut Microsoft trotz drastischer Budgetbeschränkungen in den Jahren 2002 und 2003 für rund 18 Milliarden Euro Inves-tition in Software und Services gut sei, vernahmen die rund 270 Partner während der zweitägigen Strategiekonferenz in Frankfurt erfreut. Dass sie - und der Softwareanbieter selbst - ihn als Claim für sich abzustecken wünschen, wurde konsequent in allen Vorträgen beschworen. Immerhin sei bei den knapp 200.000 mittelständischen Unternehmen "das Thema Windows durch", wie ein Partner zufrieden vermeldete.

Angesichts dieser recht erfreulichen Ausgangslage hatte Wolfgang Ebermann, Mitglied der Geschäftsleitung Microsoft Deutschland, auch vergleichsweise leichtes Spiel in Frankfurt. Er nutzte einen klassischen Dreischritt: Partnerlob: "Sie sind die Entscheidungsträger im Mittelstand"; angemessene große Aufgabe: "10.000 neue Kundenprojekte, 600 Millionen Euro Gesamtumsatz mit dem Mittelstand" und gemeinsame Maßnahmen: "Wenn Sie mitmachen, unterstützen wir Sie mit Millionen Marketinggeldern und einem Partnernetz nur für Sie" et cetera - und bekam dafür wohlwollenden Applaus.

Sechs Partnerabteilungen

Etwas weniger Partnerwohlwollen stellte sich angesichts der teilweisen Neuordnung der Softwarepartner in ISVs, Business-Lösungen, Infrastruktur-Lösungen, Lizenzmanagement, Training und Support sowie Retail ein.

Hier monierten Partner, dass sie nicht per Deklaration von Produkt- zu Lösungpartnern werden könnten - "ohne Branchenkenntnisse ein sinnloses Vorhaben", äußerte der Geschäftsführer eines Hamburger Systemhauses. Doch für ihn und alle weiteren skeptisch Gesonnenen hatte Ebermann eine Beruhigungspille parat: "Das Lizenz-Management sollte für Sie auf jeden Fall ein Geschäftsfeld sein!" Seinen Rat untermauerte er mit Zahlen. "33 Prozent des Mittelstands sind unterlizenziert; 86 Prozent verwenden Lizenzen mehrfach!" Hier werde Microsoft mit den Modellen Miete, Mietkauf und Kauf für Nach- und Neulizenzierung sorgen. Bei insgesamt rund 2,1 Millionen kleinen und mittelständischen Kunden "ein für alle lohnendes Geschäft".

Ein womöglich noch größeres Geschäft könnten alle Beteiligten bei der anstehenden "Dotnet"-Migration erwarten. Hierfür werde Microsoft ein gleichnamiges Programm auflegen: Partnerzertifizierung, vor allem der ISVs, sei die Voraussetzung; dann werde Microsoft Experten für Entwicklung und Architektur bereitstellen. Ferner Marketing und Vertriebsunterstützung sowie ein festes Budget in Höhe von 1,7 Millionen Euro.

Was aber die viel zitierten Mittelstandslösungen angeht: Auch hier habe Microsoft vor, für Furore zu sorgen. Der Mittelstand wolle "schnelle und preiswerte Lösungen" (Ebermann); die könne er haben, sogar bald mit einem standardisierten Softwareanteil von 80 Prozent - vorausgesetzt, er werde zum überzeugten XML-Jünger. Obwohl Ebermann nicht müde wurde, das "riesige Geschäftspotenzial" zu beschwören, befanden die Partner mit ihrer üblichen pragmatischen Skepsis: Noch stehe aus, wie Microsoft seine zugekaufte Great Plains- und Navision-Software auf diesen Kurs bringen werde.

Zwar wurde in diesem Zusammenhang die Ankündigung, mit einem geschlossenen so genannten "structured Network" die Zusammenarbeit der Partner untereinander fördern zu wollen, beifällig begrüßt, doch der Plan, "10.000 qualifizierte neue Kundenprojekte" bis Ende 2003 gewinnen zu können, schnell als papierenes Marketinggetrommel klassifiziert. "Es hört sich gut an", hakte ein Microsoft-Systemhaus diesen Punkt ab.

Dass aber Microsoft Partnern softwaregestützt qualifizierte Kundenadressen zuweisen will, den Erfolg kontrollieren und fallweise weitere Partner mit der Adresse versorgen wolle, wurde dann doch mit deut-licher Aversion zur Kenntnis genommen. Partnerkonkurrenz untereinander gebe es schon genügend, lautete der Tenor, Microsoft müsse diese Konkurrenz nicht zusätzlich anheizen.

SMB-Go-toMarket-Kampagne

Das weitläufige Microsoft-Szenario für den Mittelstandspartner hatte noch das besondere Schmankerl"SMB-Go-to-Market-Kampagne" zu bieten. Hinter diesem Wortungetüm stecke ein - in die fünf Geschäftsfelder Desktop Penetration (Windows und Office) Desktop Upsell, Copyright Management sowie PC- und Server-Penetration aufgeteiltes - Marketing- und Vertriebskonzept. Dafür werde der Softwarekonzern mehrere Millionen Euro aufwenden; umgekehrt erwarte er von seinen qualifizierten Partnern, dass sie diese Themen aktiv mit Technikern und Vertriebsleuten besetzten. Passend dazu kündigte Ebermann an, ab nächstem Jahr plane man, rund 500 Partnern den Ritterschlag als "Certified VIP Inner Circle"-Partner zu geben. Ein Vorhaben, das Partner mit jetzt schon gequälter Zertifizierungs-Miene zur Kenntnis nahmen. Es ist offensichtlich doch nicht ganz leicht, Mittelstandspartner zu bleiben - trotz glänzender Aussichten mit Microsoft.

www.microsoft.com/germany

ComputerPartner-Meinung:

Das unentwegte Powerpoint-Flimmern und Handout-Geraschel in den dunklen Strategiekonferenz-Räumen in Frankfurt zeigten das Buhlen Microsofts um den investitionsstarken, wenn auch nicht gerade investitionsbereiten Mittelstand. An jeder Ecke Deutschlands möge ein Partner für Geschäfte sorgen. Dafür werde der Softwareriese Millionenkampagnen im Vertrieb und Marketing fahren - mit qualifizierten Partnern.

Die Partner hörten dies gerne - Microsoft ist hier zu Lande ein Garant für Geschäfte. So war die Strategiekonferenz ein Erfolg - unge-achtet des Umstandes, dass die eigentliche Mittelstandsarbeit für Partner und Microsoft nun erst beginnt. (wl)

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