Im Windschatten von Digital prescht Ibex ganz nach vorn

24.04.1998

AFFING-MÜHLHAUSEN: Des einen Leid - des anderen Freud: Als größter DEC-Wiederverkäufer profitierte die Ibex AG vom Stellenabbau beim einstigen Branchenprimus und wuchs in den letzten Jahren kontinuierlich. Neue Wege beim Verkauf von Computerprodukten beschreitet das Systemhaus mit der hauseigenen Telesales-Abteilung.

Was Neider vielleicht als Inzest bezeichnen würden, sieht Ibex als symbiotische Beziehung: die enge Bindung zur Digital Equipment GmbH. Nicht nur, daß der Gründer und ein Großteil der Mitarbeiter ehemalige DEC-Angestellte sind, das Systemhaus ist mit dem Verkauf von Digital-Gebrauchtgeräten groß geworden. Von den Schwierigkeiten Digitals in den vergangenen Jahren hat Ibex profitiert: "Dadurch daß Digital den Vertrieb abgebaut hat, kommen die Kunden zu uns", freut sich Burkhard Gemke, Marketingleiter bei Ibex.

Dieter Wagner, Vorstandsvorsitzender bei Ibex, hat das Unternehmen 1994 gegründet. Im vergangenen Geschäftsjahr, das dem von Digital entspricht (30.6.), erwirtschaftete er mit seinen 110 Mitarbeitern in neun Vertriebsstandorten 75 Millionen Mark Umsatz. In diesem Jahr will er 100 Millionen Mark umsetzen. Als ob er geahnt hätte, daß Compaq kurze Zeit später Digital übernimmt, nahm Wagner im Oktober 1997 zusätzlich Compaq-Produkte ins Programm.

"Das war der absolute Treffer", reibt er sich die Hände. Mit der Marge bei den Compaq-Produkten gewinnt allerdings auch Ibex keinen Blumentopf. Vom kleinen Augsburger Vorort Mühlhausen aus dirigiert der Ex-Digitaler Wagner die deutschlandweiten Niederlassungen. Sie befinden sich genau in den Städten, in denen auch Digital vertreten ist. Wen wundert's da noch, daß sie auch noch zum größten Teil in den DEC-Gebäuden untergebracht sind?

Optisch bleibt das Systemhaus im Bild, weil Ibex für die Corporate Identity die Farben von DEC übernommen hat. Sogar die Laternen auf dem Parkplatz des Neubaus in Mühlhausen tragen die rostrote Farbe des Digital-Logos. Um trotzdem ein eigenes Profil zu zeigen, wählte das Systemhaus den Steinbock als Symbol und übernahm gleich den lateinischen Namen (Capra Ibex) des Tieres als Firmenbezeichnung. "Der Steinbock steht für Ausdauer und Schnelligkeit. Wir finden natürlich immer wieder neue, positive Assoziationen dazu", schmunzelt Gemke.

Derzeit verdienen die DEC-Wiederverkäufer noch das meiste Geld mit dem Verkauf von Digital-Hard- und Software. "Wir wollen aber mit höchstem Druck den Umsatzanteil bei den Dienstleistungen erhöhen", erklärt Wagner. Dazu will er sich auf die Bereiche Internet/Intranet und Mail & Messaging konzentrieren. Auf die Implementierung und die Einführung von Microsoft Exchange und Lotus Notes hat sich das Ibex Competence Center in Berlin spezialisiert. Die Frankfurter Niederlassung ist bei SAP/R3-Dienstleistungen am fittesten.

Außergewöhnlich für ein Systemhaus ist der Vertrieb der Standardprodukte über eine professionelle Telesales-Abteilung. Erklärt Gemke: "Unsere Vertriebler gehen nur noch für Projekte über 80.000 Mark persönlich zum Kunden. Alles andere rechnet sich nicht." Die acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen für eine persönliche Beratung übers Telefon zur Verfügung und kümmern sich um die Messenachbereitung. Was andere Systemhäuser sicher interessieren dürfte: Nach nur neun Monaten hat Ibex den Break-even-Punkt für die Kosten der Telesales-Abteilung erreicht. Für die kommenden Jahre erwartet Gemke, daß verstärkt Bestellungen übers Netz eintreffen. Erst kürzlich kam die erste Order via Internet für Drucker. Gemke sieht in diesem Vertriebsweg keineswegs eine Bedrohung für den Fachhandel. Daß die Ibex-Leute für alles offen sind, was ihrem Unternehmen weiterhilft, beweist das Eingehen einer strategischen Allianz mit der Group GmbH in Karlsruhe, die vermutlich auch bald zu einer finanziellen Verquickung führt. "Wir kooperieren jetzt über ein Jahr mit Group in Sachen Lotus. Die Zusammenarbeit ist einwandfrei", berichtet Gemke. Seiner Ansicht nach wird sie durch gemeinsame Messeauftritte und Veranstaltungen wirklich gelebt. Während Ibex die Hardware-Installation einer Internet- oder Intranet-Lösung übernimmt, ist Group für die Software-Installation von Lotus-Produkten und die Schulungen zuständig.

Gleich neben der Firmenzentrale hebt ein Bagger ein Loch aus - erster Schritt zu einem größeren Lager, dessen momentane Größe (Volumen: 14 Millionen Mark) der Firma nicht mehr genügt. Auch finanziell will Ibex zulegen: Das "Going public" ist für 2000 oder 2001 anvisiert. (is)

Dieter Wagner, Vorstandsvorsitzender der Ibex AG, will sein Unternehmen in zwei Jahren an die Börse bringen.

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