Immer rüdere und unseriösere Praktiken der Headhunter

25.03.1999

MÜNCHEN: "Guten Tag, Herr Müller. Mein Name ist Bernhard Wagner von der Personalberatung Kopfjagd & Partner in München. Ich habe heute eine sehr interessante Position zu vergeben: Account-Manager in einer amerikanischen Softwarefirma mit sehr guten Perspektiven und exzellenten Entwicklungsmöglichkeiten für den Vertriebsprofi. Haben Sie zwei Minuten Zeit für mich, oder kann ich Sie heute abend auch zu Hause anrufen?"Alltag in Deutschlands IT-Firmen: Auf der Jagd nach der begehrten und sich zunehmend verknappenden Ressource "IT-Spezialist" werden immer rüdere und unseriösere Praktiken angewandt. Die "Kopfgeldjäger der Neuzeit", wie Headhunter auch gerne spöttisch bezeichnet werden, entwickeln beträchtliche Phantasie, um mit potentiellen Kandidaten ins Gespräch und ins Geschäft zu kommen. Einmal geben sie vor, Redakteur einer bedeutenden Zeitschrift zu sein, beim nächsten Mal sind sie Marktforscher, die den Produktmanager gerne zu den Zukunftsaussichten des von ihm betreuten Produkts befragen möchten. Weit oben in der Rangliste der Zugriffsmöglichkeiten rangiert auch die Methode "unwissender Kunde", der eine Rückfrage an einen Account-Manager oder Support-Mitarbeiter hat und sich auf diese Weise an der freundlichen Dame in der Telefonzentrale vorbeimogelt.

Vor allem Führungskräfte, Vertriebsbeauftragte, Programmierer und Supportmitarbeiter sind das Ziel der sogenannten Direktansprache, wie die Hatz nach den Beschäftigten des Mitbewerbers unverfänglich umschrieben wird.

Dabei geht es in der Datenverarbeitung noch eher beschaulich zu, konstatierte vor einigen Wochen die Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" und verwies auf die rauhen Sitten im Bereich Investmentbanking: Ganze Mitarbeiterteams wechselten dort geschlossen zur Konkurrenz und hinterließen neben leeren Schreibtischen auch riesige Umsatzlücken, die nur schwerlich wieder geschlossen werden konnten. Ein weiteres Beispiel aus einer anderen Branche ist der Weggang von Jose Ignacio Lopez von General Motors (GM) zu Volkswagen. Auch der ehemalige Top-Einkäufer des amerikanischen Konzerns trat den Weg nach Wolfsburg nicht alleine an, sondern wurde von gleich fünf GM-Managern begleitet. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Gleichwohl, der Trend ist unverkennbar: Der Arbeitsmarkt für Führungskräfte und Spezialisten verkommt immer mehr zu einem Auktionsmarkt zu Höchstpreisen, von dem auch die Informationsbranche nicht länger verschont bleibt, gar eine Vorreiterrolle einzunehmen droht.

Martin Kleinwächter, Personalberater in Rosbach, bringt die aktuelle Personalsituation auf den Punkt:

"Die Marktführer scheuen sich nicht, durch gezielte, attraktive Angebote das Personal ihrer eigenen Wiederverkäufer zu akquirieren, um auf diese Weise schneller an ausgebildete Fachkräfte zu gelangen."

Firewalls gegen Headhunter

Der beste Schutzschild zur Abwehr der Personalwerber ist zweifelsohne ein gutes Arbeits- und Betriebsklima, in dem sich Mitarbeiter wohl fühlen und nach ihren Möglichkeiten entfalten können. Dr. Manfred Anton, Geschäftsführer der Frankfurter Ciratel Consulting GmbH, weiß aus eigenen Erlebnissen: "Der zufriedene Mitarbeiter ist kaum ansprechbar. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter wiederum steht nach meiner Erfahrung in engem Zusammenhang mit der Unternehmenskultur, was nichts anderes ist als die von den Mitarbeitern gelebte Unternehmensphilosophie."

Doch gewiefte Personalberater können auch bei solchen Arbeitskräften Begehrlichkeiten wecken. Spätestens beim Thema Geld wird der eine oder andere potentielle Kandidat hellhörig, vor allem dann, wenn bei einem möglichen Wechsel wahre Traumgagen locken. Amerikanische Unternehmen und deren Personalwerber gehen noch einen Schritt weiter und ködern neue Angestellte gar mit Autos, Reisen und hohen Bonuszahlungen. (uk)

Personalberater Kleinwächter: "Hersteller scheuen sich nicht, das Personal ihrer eigenen VARs abzuwerben."

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