"In der TK-Branche fehlen noch immer die großen Systemhäuser"

28.02.2002
Der TK-Distributor NT Plus hat das harte Geschäftsjahr 2001 mit Bravour überstanden. Das Unternehmen wartet mit "den besten Ergebnissen der Firmengeschichte" auf. Wie NT Plus das geschafft hat, was 2002 bringen wird und warum Voice over IP immer noch kein Massenmarkt ist, verriet Vorstandsvorsitzender Klaus Elias im Interview mit den ComputerPartner-Redakteurinnen Cornelia Hefer und Gabriele Nehls.

Herr Elias, es gibt Leute in der Branche, die der Meinung sind, die Telekommunikationsbranche konsolidiere anders als die IT-Branche - und zwar durch Insolvenzen anstatt durch Übernahmen oder Megafusionen. Wie stehen Sie dazu?

Elias: Ich sehe da keinen großen Unterschied. Wenn im Moment Dutzende von GSM-Shops an der Ecke aufmachen und wieder zumachen, dann ist das nichts Neues. Wenn ich nur Handys verkaufe und darunter leide, dass der Prepaid-Boom nicht mehr da ist, dann ist das nicht die TK-Branche, sondern nur ein kleiner Teil davon. Auch in der IT-Branche hat es PC-Shops gegeben, die selbst geschraubt und damit nicht lange überlebt haben. Am Ende entscheidet der Kunde, welchen Anspruch er an seinen Partner hat, und damit entscheidet er, wer überlebt und wer nicht.

Wie sehen Sie die derzeitige Marktsituation in der TK-Branche? Die Lage ist ja im Moment nicht besonders prickelnd.

Elias: Der Festnetzbereich hat sicherlich eine Stagnation erlebt, ebenso wie der ISDN-Markt, und der mobile Bereich ist immer relativ. Es hat auch Investitionsverschiebungen im TK-Systembereich gegeben, aber ansonsten steht man vor einem Markt, der sich stabil gehalten hat. Und wenn Sie die Hersteller fragen, dann sehen auch sie die Entwicklung nicht unbedingt negativ. Es boomt nirgends mehr so wie vor zehn Jahren. Man muss sich nun auf andere Themen konzentrieren als auf Wachstum - vor allem auf betriebswirtschaftliche Punkte. Wir glauben, wenn jeder seine Hausaufgaben macht, dann wird das Jahr ganz vernünftig laufen. Es wird meiner Meinung nach kein Boomjahr, aber es ist für alle genügend Volumen und Potenzial vorhanden, um gute Geschäfte zu machen. Die Lage ist nicht dramatisch schlecht, aber halt nicht mehr so komfortabel.

Was meinen Sie, gibt es in Deutschland schon so etwas wie ITK-Systemhäuser?

Elias: Die TK-Branche sieht, was den reinen Handel angeht, völlig anders aus als die IT-Branche. Es gibt den alteingesessenen Elektrofachhandel, die Errichter, und es gibt kleinere TK-Systemhäuser. aber nur wenige große Player. Die machen ihr Geschäft völlig anders als die Kollegen in der IT-Branche: Es gibt wenige großvolumige Geschäfte. Bei einer TK-Systemlösung installieren Sie und binden den Kunden über Jahre vertraglich. Ein Netzwerk wird, wenn es nicht passt, innerhalb von zwei Jahren ausgetauscht und neu implementiert und trotzdem tun Sie sich schwer, wirklich Geld damit zu verdienen.

Die Verbindung zum Kunden ist eine andere. Die TK-Branche ist konservativer, ein wenig langsamer in der Umsetzung neuer Technologien. Bislang gibt es hier diese vielen, überregionalen, großen Systemhäuser wie im IT-Bereich nicht. Aber sie bilden sich langsam heraus. Impulse zur Konvergenz kommen aus allen Bereichen: aus dem TK-Bereich, aus dem Elektrofachhandelsbereich und auch aus dem IT-Bereich. Jeder hat hier seine Chance. Ich sehe allerdings das Verständnis für Konvergenz im TK-Bereich zur Zeit noch etwas ausgeprägter.

Kommen wir jetzt zu NT Plus. Sie haben ja schon gesagt, jeder muss seine Hausaufgaben machen. NT Plus hat 2001 "das beste Ergebnis der Firmengeschichte" hingelegt. Was waren denn Ihre Hausaufgaben?

Elias: Also zum einen muss man sagen, wir hatten ein schwieriges Jahr 2000 mit der Sanierung der Phonet AG. Dies hat aber eines bewirkt: Konsequentes Handeln war notwendig. Wir mussten alles abstoßen, was überflüssig war. Meiner Meinung nach ist das der ausschlaggebende Punkt gewesen - die Bereitschaft, erst einmal nachzudenken, umzudenken und etwas zu verändern. Dies hat bewirkt, dass wir uns intensiv mit Kostensenkung, Nutzung von Synergien in der Gruppe und klarer Fokussierung auf unsere Kernkompetenzen beschäftigen mussten.

Wie ist der Prozess in der Praxis vonstatten gegangen?

Elias: Wir haben neue Strukturen eingezogen, reorganisiert, einige Personalentscheidungen getroffen, die Verantwortung neu verteilt. Und wir haben unsere Kundendatenbank überarbeitet. Es geht nicht mehr darum, 10.000 Kunden zu haben, sondern wir konzentrieren uns nun auf 3.000 bis 4.000 Kunden, mit denen wir werthaltige Geschäfte machen. Im Lieferantenbereich haben wir unser Portfolio um fast 35 Prozent heruntergeschraubt. Die Anzahl unserer Produkte ist um fast 30 Prozent geschrumpft. Außerdem haben wir auf die Kosten geschaut und zentralisiert. Betriebswirtschaftliche Themen spielen nun eine wesentlich größere Rolle als in der Vergangenheit. Vertrieb und Marketing betreiben wir nicht mehr um jeden Preis - im wahrsten Sinne des Wortes. Das waren unsere Hausaufgaben.

Sie haben angedeutet, dass Sie sich von Kunden getrennt haben. Heißt das, dass Sie sich auf Potenzialkunden konzentrieren?

Elias: Ja.

Wie sehen die Kundengruppen aus, auf die Sie sich konzentrieren?

Elias: Wir haben uns nicht einfach von Kunden getrennt, indem wir Mailings verschickt haben. Sondern wir haben zu diesen Kunden einfach die Kommunikation eingestellt. Wir haben uns angesehen, welche Technologie der Kunde vertritt, ob er kompetent ist und weiterhin Kompetenz aufbaut. Nimmt er an unseren Schulungen teil? Besucht er unser Internet? Welchen Außenumsatz hat er? Was ist seine Zielgruppe? Daraus hat sich automatisch eine Fokussierung entwickelt.

Sie haben gerade Kunden erwähnt, die sich mit spezifischen Technologien beschäftigen. Welche Technologien sind das? Was muss der Kunde da mitbringen?

Elias: Für den Festnetzbereich beispielsweise lautet die Frage: Beschäftigt sich der Kunde ausschließlich mit TK-Systemen? In Zukunft wird es nötig sein, sich auch mit Betriebssystemen zu befassen. Oder der Bereich von Konvergenzlösungen wie Voice over IP - da wird man sich als TK-Händler auch mit Microsoft auskennen müssen und nicht nur mit Telefonie. Das wird überlebensnotwendig. Dann stellt sich die Frage: Hat der Kunde Support? Hat er Service? Bislang kümmern sich nicht sehr viele darum. Wenn sie nicht damit anfangen, ist das ein Indiz dafür, dass sie nicht sehr lange überleben.

Sie hatten ja vergangenes Jahr einige Probleme mit der Fachhandelskooperation Profiline? Was ist daraus geworden?

Elias: Wir haben alle gemeinsam den Entschluss gefasst, die Gesellschaft aufzulösen und zu liquidieren.

Im Oktober haben Sie damit gerechnet, dass innerhalb des nächsten halben Jahres eine Neuregelung der Gesellschafteranteile auf Sie zukommen wird. Zeichnet sich bei der Suche nach einem Investor schon etwas ab?

Elias: Ja. Diese Bemühungen sind seitens der Aktionäre zurzeit auf Eis gelegt.

Warum?

Elias: Die Gesellschafter glauben an uns. Grund sind sicherlich das gute Unternehmensergebnis und eine glaubwürdige Strategie. Außerdem gibt es eine beträchtliche Differenz zwischen dem gebotenen Preis und dem, was wir haben möchten. Es gibt ungefähr sechs bis sieben Interessenten, die sagen, das würde passen. Aber wir haben nichts zu verschenken.

Das heißt: Unter Preis geht gar nichts?

Elias: Nein. Wir werden auf jeden Fall innerhalb der nächsten drei Monate keinen neuen Gesellschafter haben. Wir fühlen uns aber auch stark genug, selbst zu wachsen und möglicherweise sogar selbst zu akquirieren.

Haben Sie für Akquisitionen schon jemanden im Auge?

Elias: Nein.

Aber falls sich etwas ergeben würde, dann wären Sie nicht abgeneigt?

Elias: Wir würden das prüfen, ja.

Sie haben ja schon Anfang vergangenen Jahres über Ihr neues Logistikzentrum gesprochen. Im April wird nun Eröffnung gefeiert. Sollte es nicht schon im abgelaufenen Jahr fertig sein?

Elias: Ja, der Oktober war im Gespräch.

Was ist der Grund für die Verzögerung?

Elias: Wir haben das gesamte Projekt Logistik noch einmal auf seine Wirtschaftlichkeit hin überprüft: Was können wir optimieren? Und wir haben uns um andere für uns günstigere Refinanzierungsmodelle gekümmert. Das Ganze hat ungefähr noch einmal zwei bis drei Monate gedauert. Dadurch hat sich der Eröffnungstermin bis in die Vorweihnachtszeit verschoben, was für uns natürlich nicht infrage kam. Da ist genug los. Letztendlich haben wir gesagt, wir eröffnen nach der Cebit - und nutzen dabei eine Zeit, in der es ein wenig ruhiger ist.

Und mit der Eröffnung des Logistikcenters werden Sie tatsächlich Ihr Versprechen von Lieferzeiten zwischen 12 und 18 Stunden einlösen können?

Elias: Unsere Kunden können bei uns bis 22 Uhr im ersten Schritt und bis 24 Uhr im zweiten Schritt bestellen, und am nächsten Tag bis spätestens 12 Uhr ist die Ware beim Kunden.

Wie schaffen Sie das?

Elias: Wir befinden uns in direkter Nachbarschaft zu einem zentralen Verteilzentrum der Post und sind dadurch nicht mehr auf den zeitraubenden Transport angewiesen. Wir haben nur eine kurze Distanz bis dahin und können somit mindestens vier Stunden länger als normal Aufträge taggenau abwickeln.

Im vergangenen Jahr zur Cebit hatten Sie gerade einen Distributionsvertrag mit IBM abgeschlossen, und zwar über PCs. Damals sagte Big Blue, dies sei für beide Seiten ein Testballon in Sachen Konvergenz, weshalb IBM von NT Plus auch nicht die üblichen Mindestabsatzmengen verlangt hat. Hat der Test geklappt?

Elias: Nein, das hat nicht geklappt.

Warum nicht?

Elias: Wir haben nicht nur Lösungen von IBM realisiert, sondern auch mehrere Firmen bei diesem Test zusammengebracht. Die Technologie war sehr anspruchsvoll. Das hat sich zwar nicht in Volumen umsetzen lassen, aber wir fanden Partner dafür. Wir haben ja immer gesagt, wir sind kein Volumen-Distributor, sondern bei uns stehen die Lösungen im Vordergrund. Das vergangene Jahr war besonders hart für den Bereich Telekommunikation, sodass wir den Fokus auf unser Kerngeschäft legen mussten. Deshalb konnten wir uns nicht so intensiv um IBM kümmern, wie wir das geplant hatten. Wir haben jetzt den Status eines großen Handelspartners und beziehen weiterhin direkt.

Das bedeutet, der TK-Handel, den Sie ja eigentlich damit locken wollten, ins IT-Geschäft einzusteigen und den ersten Schritt zu wagen, hat Ihr Angebot nicht angenommen?

Elias: Stimmt, nicht in der Form. Das war aber nicht einfach nur, dass wir gesagt haben, wir verkaufen jetzt Server, PCs und Notebooks von IBM, das ist nicht unser Thema. Es ging immer um Voice-over-IP-Lösungen, die wir in diesem Zusammenhang realisieren wollten. Dabei kann man aber nichts übers Knie brechen - die Zeit war vielleicht noch nicht reif.

Dann lag es vielleicht daran, dass das Angebot nicht angenommen wurde?

Elias: Das ist eine neue Technologie, die noch nicht wirklich angenommen wird. Ein Distributor ist nicht in der Lage, den Erfolg oder Misserfolg einer Technologie im Markt zu bestimmen. Er kann nur verteilen, begleiten und supporten. Wir können nur auf fahrende Züge aufspringen. Aber wir sehen unsere Aufgabe darin, durch die Auswahl, den Aufbau und den Support ausgewählter Fachhändler gemeinsam mit unseren Herstellern die Präferenz für Marken sicherzustellen. Voice over IP ist noch kein Volumengeschäft: Es ist noch nicht ganz stabil, es ist kompliziert und daher noch eine Nische.

Herr Elias, wie oft waren Sie schon auf der Cebit?

Elias: Vielleicht 15- oder 18-mal.

Diesmal sind Sie nicht mit einem eigenen Stand dabei - ist das nicht seltsam?

Elias: Nein, das ist eigentlich kein komisches Gefühl. Ich freue mich trotzdem auf die Cebit. Und dass wir als NT Plus dieses Jahr nicht in Hannover sind, ist meiner Meinung nach auch von Vorteil. Die Messe legt jedes Unternehmen vorher und in der besagten Woche lahm. In dieser Zeit gehen die Umsätze immer runter. Außerdem lässt es sich fast nicht mehr refinanzieren. Und es wird kein Händler sagen: Ich bin böse, weil Ihr nicht auf der Cebit wart. Wenn ich mit den Herstellern rede, dann sagen die, wir können die Entscheidung verstehen und akzeptieren - außerdem seit ihr nicht die Ersten.

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