Leadgenerierung in der IT

Inbound Sales - so kaufen IT-Entscheider heute



Als einer der ersten NPS-Experten in Deutschland ist Philipp Moder Autor und Referent vieler Artikel und Studien zu den Themen Neukundengewinnung, Kundenbindung und Kundenbefragung auf Basis NPS®. Der Social Impact Entrepreneur ist Inhaber der Phocus Direct Communication in Nürnberg - 20 Jahre geballte Kompetenz für Vertriebsunterstützung/- outsourcing, Marketing, Kundenbefragungen/NPS® und Customer Service.
Einige von Ihnen mögen Inbound Marketing möglicherweise schon kennen, die Marketing-Methodik, die dem geänderten Beschaffungsverhalten Rechnung trägt. Aber haben Sie auch schon Inbound Sales gehört?

Ist Inbound Sales ein neuer Ansatz, der sich nahtlos in bekannte Methodiken wie Sandler, Holden, Miller-Heimann, SPIN, Value Selling, Challenger Selling oder andere einreiht? Oder ist Inbound Sales einfach ein neues Gedankengut, welches der moderne IT-Vertrieb in sich tragen sollte? Oder ist es beides? Alle der oben genannten Verkaufsmethoden sind dienlich und jeder kann aus diesen Methodiken etwas für sich mitnehmen, lassen Sie mich diese nochmals kurz skizzieren.

Ein Kunde kauft am liebsten dort, wo die Verkäufer genau wissen, was seine Vorlieben oder Probleme sind. Denn dann weiß er, dass er das passende Produkt angeboten bekommt.
Ein Kunde kauft am liebsten dort, wo die Verkäufer genau wissen, was seine Vorlieben oder Probleme sind. Denn dann weiß er, dass er das passende Produkt angeboten bekommt.
Foto: Nadia Leskovskaya - shutterstock.com


Jim Holden "Power-Base-Selling"
Das Power-Base-Selling stellt eine Weiterentwicklung des strategischen Verkaufens dar. Bei dieser Methode, geht es darum, die richtige Wettbewerbsstrategie in großen Projekten und schwierigen Situationen zu finden. Im Zentrum steht hierbei die Identifizierung des richtigen Ansprechpartners. Der Vertrieb muss nach Holden die Entscheider mit Einfluss identifizieren, kennenlernen und sich in die Welt des Entscheiders hineinversetzen. Denn nach dieser Theorie sind lediglich die Entscheider, die einen Mehrwert fürs Unternehmen schaffen und diesen auch noch sichtbar machen, die wahren Key Accounts für den Verkäufer.

David Sandler "Sandlers Selling System"
Die Sandler Systematik stellt darauf ab, dass ein nachhaltiges Wachstum auch die Anwendung eines nachhaltigen und systematischen Prozesses erfordert, der verlässliche Ergebnisse liefert. Nur ein systemisches Vorgehen stellt sicher, dass prognostizierbare und wiederholbare Ergebnisse im Vertrieb erzielt werden können.

Miller-Heiman
Der Klassiker! Die Miller-Heiman-Methode ist ein System für den strategischen Vertrieb. Der Verkäufer erarbeitet hierbei ein strategisches Konzept, bei welchem so viele Daten über potenzielle Kunden und deren Marktpositionierung gesammelt werden, dass dieser einen zielführenden Verbesserungsvorschlag für den Kunden erarbeiten und einbringen kann. Dabei wird unterstellt, dass der Kunde das Produkt lediglich kaufen wird, wenn der Mehrwert in einem Verkaufsgespräch klar dargestellt wird.

Neil Reckham "SPIN-Selling"
Die Spin-Selling-Methode beschäftigt sich hauptsächlich mit der richtigen Fragetechnik und fokussiert sich damit direkt auf das Kundengespräch. Die Art und Weise der Fragestellung steht dabei im Mittelpunkt. Die Vertreter dieser Methode betonen, dass der psychologische Einfluss während des Kundenkontakts ausschlaggebend ist für den Erfolg. Value-/Solution Selling Solution/Value Selling als Vertriebsmethode ist nicht nur im Projektgeschäft für erklärungsbedürftige Produkte oder Dienstleistungen sinnvoll, sondern immer dann, wenn nicht das Produkt oder die Leistung im Vordergrund steht, sondern der Kundennutzen und die Lösung individueller Kundenprobleme. Ein erfolgreicher Verkäufer denkt prozessorientiert, identifiziert Bedürfnisse, Vorlieben und Wünsche aber auch Probleme, Engpässe und Ängste des potenziellen Kunden heraus. Er definiert den Nutzen seines Angebotes für den Kunden, der diesen Nutzen oft selbst noch nicht alle kennt und stellt den Wert dessen dar.

Matthew Dixon, Brent Adamson "Challenger Sale"
Im Zentrum steht nicht der Bedarf, den der potenzielle Kunde selbst artikuliert, sondern der Bedarf, den der Kunde hat, ohne es genau formulieren zu können. Der Challenger Sales weiß aufgrund tiefer Branchenkenntnis und der Organisationsstruktur des Kunden, was dieser zur Lösung größerer Herausforderungen braucht oder brauchen wird. Statt auf bereits beim Kunden konkret bekannten Problemen zu arbeiten, denken Verkäufer im Challenger Sale weiter. Der Mehrwert des Vertrieblers im Challenger Sale besteht darin, den Kunden zu lehren, ihm etwas an die Hand zu geben, das er vorher nicht wusste. Hier wird nicht das eigene Produkt angepriesen, sondern eine Problemstellung erläutert, bei dem das eigene Angebot neben dem Anwendungswissen zwar der zentrale Baustein ist, aber eben nicht um des Produktes willen. Wie Sie sehen, kann man aus fast jeder Methode für sich etwas mitnehmen. Aber Fakt ist auch, dass es zunehmend schwieriger wird, diese klassischen Methoden erfolgreich anzuwenden.

Warum? Weil sich da draußen seit einiger Zeit ein massiver Wandel des Beschaffungsverhaltens vollzieht. Laut einer Studie von Roland Berger & Google sind bis zu 57% des Beschaffungsprozesses bereits abgeschlossen, bevor mit einem potenziellen Anbieter in Kontakt getreten wird.
Der heutige Kunde hat wesentlich mehr Kontrolle im Verkaufsprozess, er sitzt am Steuer, er beschafft sich die Informationen über die Kanäle, die er präferiert – wann, wo und wie der Kunde es möchte. Denken Sie doch einmal an sich selbst. Wie gehen Sie vor, wenn Sie etwas beschaffen? Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie recherchieren, potenzielle Lösungen vergleichen, Reviews/Erfahrungsberichte von anderen Kunden lesen, Preisvergleiche anstellen, Referenzen suchen und so weiter. ist sehr hoch. Und erst wenn Sie eine gewisse Vorstellung haben, werden Sie den Kontakt zu potenziellen Anbietern aufnehmen. Dies bedeutet nicht, dass die oben genannten Methoden alle obsolet sind. Nur manche funktionieren heute einfach nicht mehr so wie es einmal war, weil der Vertrieb einfach erst später zum Zug kommt.

Wenngleich dies für nahezu alle Branchen gilt, so trifft dies für die IT im Besonderen zu. Tradierte Ansätze wie klassische Kaltakquise, standardisierte E-Mail kampagnen u.ä. bringen nicht mehr die Resultate, wie es früher war. Und dass dies nicht nur meine persönliche Meinung ist, die auf vielen Erfahrungen basiert, sondern dass dem wirklich so ist unterstreicht der Research von ChannelWeb aus England, der sehr spannende Aufschlüsse liefert, wie IT Entscheider in UK „ticken“. Hier finden Sie die gesamte Studie, bitte legen Sie Ihr Augenmerk auf die Seiten 31 bis 38.

In der Studie wird sehr schön dargestellt, was der Wandel für den IT Vertrieb heute bedeutet. Diesen Artikel kann ich jedem Marketier und Vertriebsmitarbeiter nur wärmstens empfehlen zu lesen mitsamt einiger schmerzhaften Wahrheiten. Eine Frage, die von besonderer Bedeutung ist, lautete sinngemäß: Welche der folgenden Kanäle/Methoden überzeugen Sie am meisten, um mit einem IT-Anbieter den Erstkontakt aufzunehmen? (Original: "How likely are the following methods to convince you to consider engaging with an IT supplier for the first time?")

Hier eine kurze Zusammenfassung der Antworten dazu:

Kaltkquise und E-Mail-Kampagnen: 61 Prozent der IT Entscheider haben angegeben, dass sie auf Kaltanrufe und/oder E-Mails gar nicht reagieren, nur 3 Prozent stuften diesen Weg als besonders gut und willkommen ein.

Blogs und Social Media: 25-30 Prozent der IT-Entscheider stuften Blogs und Social Media Aktivitäten als sehr gern genutzte Kanäle an, um mit potenziellen Partnern in Kontakt zu gehen.

Branchenforen: diese Kanäle stehen ganz klar „on top“ - 48 Prozent der Entscheider haben angegeben, dass dies die Präferenz für sie darstellt, bedeutet dass IT-Anbieter, die sich hier engagieren, die besten Chancen haben mit potenziellen Kunden in Kontakt zu treten.

Eine weitere sehr interessante Frage lautete sinngemäß, wie IT-Entscheider die Rolle von IT-Anbietern im Rahmen des Prozesses zur Entscheidungsfindung sehen (Originalfrage: "Which of these options best describes how you view the role IT suppliers play in your purchasing decision process?")

  • 47 Prozent teilten mit, dass IT-Anbieter einen moderaten, überschaubaren Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben, denn die Unternehmen und deren Verantwortlichen haben in der Regel schon eine relativ klare Vorstellung von dem was sie benötigen. IT-Anbieter können hier eine gewisse Unterstützung anbieten, die den Unternehmen hilft, die richtige Entscheidung zu treffen.

  • 24 Prozent gaben an, dass Entscheidungen jeweils zur Hälfte auf unternehmensinternen Recherchen und Initiativen sowie externer Beratung durch IT-Anbieter basieren.

  • Sechs Prozent der IT-Entscheider teilten mit, dass es nicht möglich ist, diese Frage allgemein zu beantworten, da es von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann.

  • Ein Prozent der IT-Entscheider sind wohl der „Traumkunde“ eines jeden IT-Anbieters, da sie sich sozusagen komplett auf den jeweiligen Anbieter verlassen.

Neben diesen sicherlich sehr interessanten Zahlen, resultiert für mich persönlich die wichtigste Ableitung aber aus dem Freitext-Feedback. Wenn man dieses Feedback analysiert, wird eindrucksvoll klar, dass sich der IT-Vertrieb, egal ob Hersteller, Distributor, Integrator oder Reseller, besser heute als morgen umstellen sollte.
Was zählt ist, dass der Vertrieb seine Hausaufgaben gemacht hat und den Kunden versteht – und zwar nicht nur die Kunden-IT, sondern das Kundenunternehmen als Ganzes. Es werden diejenigen erfolgreich sein, die dem Kunden helfen und eine ehrliche und objektive Beratung offerieren. Einige von Ihnen mögen sich denken, das war doch schon immer so – richtig, nur was heute daraus resultiert und wie sich der Vertriebs-Prozess gestaltet, ändert sich, dazu später mehr.

Zusammengefasst heißt das: Wenn es Ihrem Marketing gelingt, für Kunden hilfreiche und relevante Informationen bereitzustellen, die im Netz entdeckt werden und wenn Ihr Vertrieb diese „Insights“ gezielt einsetzt, um als helfender, unterstützender Experte aufzutreten, dann tragen Sie dem Zeitgeist Rechnung. Wie Sie nun erkennen können, sind wir hier auch schon wieder bei einem meiner „Lieblings-Themen“ – dem Sales & Marketing Alignment. Ohne Verzahnung von Marketing und Vertrieb mit regelmäßigen Feedbacks und Rückkopplungsprozessen geht zukünftig wenig.

Was ist nun Inbound Sales?

Ganz einfach, beantworten Sie sich selbst eine Frage:

Wenn der Vertrieb es nicht schafft, die Informationen, die ein IT-Entscheider auf Ihrer Webseite, Ihrem Blog, in Foren und sozialen Netzwerken wie XING/LinkedIn über Ihr Unternehmen findet, klug einzusetzen – warum sollte dieser Entscheider sich mit Ihrem Vertrieb auseinandersetzen?

Die Zeiten, in denen die Informationshoheit beim Vertrieb liegt, sind vorbei. Klassische Kaltakquise, typische E-Mail-Newsletter-Kampagnen oder gar Direktmailing-Kampagnen, die Ihr Unternehmen vorstellen oder Demos, die nur „Functions & Features“ aufzeigen, ohne auf die Bedürfnisse und Herausforderungen des Kunden einzugehen, laufen zunehmend ins Leere. Und vor allem darf der IT-Vertrieb lernen und verstehen, dass Kunden dann Aufträge erteilen, wenn es für sie passt und wenn sie dazu bereit sind. Und nicht, weil das Quartalsende naht und das Target erreicht werden muss. Es gibt zwei Säulen, auf denen Inbound Sales basiert, die der Vertrieb zukünftig beachten sollte:

  • Die Inbound Sales Strategie basiert alleinig auf dem potenziellen Kunden und dessen Customer Journey, nicht auf dem vom Vertrieb gewünschten oder gar indoktrinierten Verkaufsprozess.

  • Vertriebsteams, die die Inbound Sales Strategie anwenden, personalisieren und individualisieren den kompletten Prozess und stellen alles auf die Bedürfnisse des Kunden ab. Damit dieser erkennt, dass Sie ihm bei seiner Herausforderung tatsächlich helfen.

Wenn Sie diesen Ansatz praktizieren, wissen Sie, was dann als logische Konsequenz daraus resultiert? Sie gewinnen ein Stück weit die Kontrolle über diesen Prozess zurück. Inbound Sales bedeutet nicht, darauf zu warten, bis der Kunde sich meldet. Vielmehr steht dieser Ansatz dafür, dass Sie Ihren Kunden assistieren und zwar zu seinen Regeln. Nachdem Sie nun diesen Artikel zu Ende gelesen haben, glauben Sie, dass Ihr Vertrieb darauf vorbereitet und bereit ist, Ihren potenziellen Kunden zu helfen?

Happy selling
Philipp Moder

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