Digitalisierung im verarbeitenden Gewerbe

Industrie 4.0 braucht "Out-of-the-Box"-Lösungen

Wolfgang Emmer ist Co-Founder des Netzwerks E2 Online Marketing. Zu seinen Schwerpunkten zählen Webstrategie, Performance Marketing und Social Media. Als IT-Publizist mit soziologischem Hintergrund widmet er sich nicht nur Themen wie Arbeit 4.0 sondern gibt auch Einblicke in die smarte Welt des Internet of Things.
Industrieunternehmen wollen ihre Fertigungsprozesse zwar zunehmend digitalisieren, doch an speziellen Lösungen und der Sicherheit mangelt es bisher. IT-Verantwortliche haben die Chance, die Digitalisierung voranzutreiben.

Ist "Industrie 4.0" nur ein Buzzwort des Marketings und des Vertrieb oder die Chance für das produzierende Gewerbe, hierzulande mit Digitalisierung das nächste Level zu erreichen? Interessant für IT-Dienstleister und Anbieter ist, was die Verantwortlichen des Fertigungssektors selbst über das Thema Industrie 4.0 denken und in welche Richtung sich das Thema am Markt entwickelt.

Genau dieser Frage ging das Forschungsunternehmen IDC in seiner Studie im August 2015 nach und befragte hierzu über 200 Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe mit mehr als 100 Mitarbeitern. Die Ergebnisse verraten spezialisierten IT-Dienstleistern, wohin sich der Markt entwickelt.

Um die Digitalisierung in der Fertigung voranzutreiben, mangelt es noch an speziellen Lösungen. Zu den häufigsten Anwendungsszenarien zählen derzeit die Überwachung von Produkten und Prozessen, die Bestandserfassung und die Überwachung.
Um die Digitalisierung in der Fertigung voranzutreiben, mangelt es noch an speziellen Lösungen. Zu den häufigsten Anwendungsszenarien zählen derzeit die Überwachung von Produkten und Prozessen, die Bestandserfassung und die Überwachung.
Foto: Kaspersky Lab

Industrie 4.0 steckt noch in den Kinderschuhen

Der Druckluftspezialist Kaeser setzt heute auf eine neue Form des Kundendienstes. Die Kompressoren des Spezialisten hängen dazu an einer zentralen Recheneinheit und überwachen sich selbst. Von "Predictive Maintenance", der vorausschauenden Wartung, ist die Rede. Käser kann mit der Lösung heute selbst proaktiv Wartungsabläufe anstoßen.

Kaeser ist eines der Beispiele, das zeigt, wohin die Reise mit Industrie 4.0 hingehen soll. Bisher sind die meisten Industrieunternehmen davon aber noch weit entfernt. Neben der Überwachung von Produkten und Prozessen (knapp 50 Prozent) zählen die Bestandserfassung und Überwachung zu den aktuell häufigsten Anwendungsszenarien. In anderen Worten: Die meisten Anwendungsfälle drehen sich um eine bessere Kontrolle und Transparenz. Die Kundenorientierung oder neue Geschäftsmöglichkeiten sind sekundär.

Der Weg zur vorausschauenden Wartung ist also für viele Unternehmen noch weit. Hier muss mit Big-Data-fähiger IT und einer genauen Prozessanalyse zunächst mal die Basis geschaffen werden. Denn: Neben einer Menge an historischen und Echtzeitdaten, die in vielen Betrieben überhaupt erst gesammelt werden müssen, gilt es für Fertigungsbetriebe, zusammen mit IT-Experten in einem zweiten Schritt einen relevanten Algorithmus und die Services um diese Logik herum zu entwickeln.

Bisher sammelte überhaupt nur ein Drittel der befragten Industriebetriebe Erfahrungen in Pilotprojekten oder im operativen Betrieb mit Industrie 4.0. Ein Viertel plant jedoch schon konkrete Maßnahmen – und diese Tendenz nimmt zu.

Sicherheit in der Fertigung wichtiger denn je

Die meisten der Befragten sehen die Cloud als "Enabler" für Industrie 4.0 in ihrem Unternehmen. Spezialisierte IT-Dienstleister sollten hingehend ihres Portfolios aber auch beachten, dass das Thema Sicherheit im Kontext Industrie 4.0 eine zentrale Bedeutung gewinnt. In den Fertigungsbetrieben hatten in den letzten zwölf Monaten über die Hälfte der Befragten mindestens einen Sicherheitsvorfall. Die drei häufigsten Sicherheitsvorfälle waren dabei:

  • 32 Prozent: Manipulation der Fertigung

  • 25 Prozent: Unterbrechung der Produktion

  • 21 Prozent: Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften

Hier gibt es verschiedene Baustellen. So sehen die befragten Fertigungsbetriebe einerseits die hohe Komplexität bei der Absicherung sowie unausgereifte Produkte und Lösungen. Andererseits gelten insbesondere das Fehlverhalten der Mitarbeiter (35 Prozent) und fehlendes internes Know-how als Ursachen. Spezielle Schulungen können hier ansetzen.

Für IT-Anbieter gilt es jedoch, nicht nur ihre Security-Lösungen stärker nach den Bedürfnissen der Industriebetriebe auszurichten. Knapp die Hälfte der Befragten fordern ausgereiftere Technologien und Lösungen – am liebsten hätte die Industrie Lösungen "Out of the Box"für die Digitalisierung ihres Unternehmens.

Fazit

Obwohl die meisten deutschen Industriebetriebe bei der Umsetzung von Industrie 4.0 noch am Anfang stehen, setzten sie sich zunehmend mit der Digitalisierung von Fertigungsprozessen auseinander. Um die Digitalisierung voranzutreiben, mangelt es jedoch an speziellen Lösungen. Zudem gilt es die Security-Anforderungen von Produktionsbetrieben in den Griff zu bekommen.

Die IT hat hier die Chance, die Digitalisierung voranzutreiben: Es sind laut der Studie die IT-Verantwortlichen in den Industriebetrieben, welche die Digitalisierung im verarbeitenden Gewerbe als wesentliche Herausforderung sehen. Produktions- und Fachbereichsverantwortlichen fehlt bisher das Verständnis, wie technologische Entwicklungen die Geschäftstätigkeit ihres Betriebs verbessern sollten. Die IT sollte laut IDC daher seine Chance nutzen, "die Digitalisierung federführend voranzutreiben" und als Mediator zwischen IT, Fachbereichen und Geschäftsführung wirken. (tö)

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