Informationspflicht vor dem Kauf oder: Der Kunde im Blindflug

04.03.1998

MÜNCHEN: Wie steht es um die Informationspflicht des Herstellers und des Händlers gegenüber dem Kunden? Etwa in Sachen Geräte-Inkompatibilitäten - diese sind zwar dem Hersteller und dem Handel bekannt, oft genug tappt der Kunde hier jedoch im Dunkeln. Ist der Kauf erst einmal besiegelt, das Gerät geliefert, ist es der Kunde, dem das Problem bleibt. Weder Hersteller noch Handel fühlen sich zur Kundenberatung "vor dem Kauf" verpflichtet. Stefan Rohr* setzte sich mit dem Thema auseinander.

Da haben wir wieder das alte Lied: Wer in der Kette des Hardware-Vertriebs ist eigentlich der Ansprechpartner für den Kunden? Diese Frage wird dann besonders interessant, wenn Reklamationen und Unzufriedenheit an die "richtige Adresse" geleitet werden sollen.

Nehmen wir ein Beispiel: Da bestellt ein Unternehmen einen CD-Writer beim Fachhandel. Der Kunde hat auf eine Produktanzeige reagiert, in der die Vorzüge des Geräts beschrieben werden und die ihn zum Kauf verleitet hat. Der Händler beantwortet Fragen zur Funktion des Geräts, zum Preis, zur Lieferung und freut sich, daß er ein Geschäft machen kann. Und der Kunde freut sich auf seinen neuen CD-Writer.

Dieser wird auch brav geliefert, mit Rechnung, Installationsanweisung und Zubehör. Der Kunde installiert das Gerät nach Vorschrift und versucht, die erste CD zu brennen. Anstelle der gewünschten Leistung verweigert der CD-Brenner jedoch den Dienst - und zwar nachhaltig und stur, trotz mehrfach wiederholter Neuinstallation der Gerätesoftware.

Wenn das Gerät streikt: "Fehlerhafte Installation durch den Kunden"

Der Händler wird angesprochen und reagiert mit der Vermutung, daß der Kunde natürlich Fehler bei der Installation gemacht hat - wie kann es auch anders sein. Der Kunde wehrt sich gegen diese Unterstellung und wird fordernder. Gnädig willigt der Händler daraufhin ein, das Gerät noch einmal auf Fehlerfreiheit zu prüfen, und vergißt dabei nicht zu sagen, daß Hardwaremängel schon öfter einmal zu verzeichnen seien. Ferner bietet er dem Kunden (kostenpflichtig) die "fachmännische" Installation an, man kann ja nie wissen.

Das Gerät ist natürlich in Ordnung, der Service-Techniker rauscht an, installiert neu und stellt fest: Der CD-Writer paßt leider nicht zur Systemkonfiguration des Kunden, da eine Festplatte installiert ist, die sich bekanntermaßen (so steht es auch in der Installationsanweisung des Herstellers) mit dem gelieferten Gerät nicht kombinieren läßt.

Der Kunde sitzt nun da, hat eine weitere Rechnung für diese Service-Leistung in der Hand, kratzt sich am Kopf und fragt sich, ob der Händler das Gerät nicht zurücknehmen müßte. Schließlich ist der Kunde im Vorfeld des verbindlichen Kaufs weder auf die Herstellerinformationen (Produktbeschreibung, unverbindlich, freibleibend), noch durch den Fachhändler auf diese Inkompatibilität hingewiesen worden. Der Kunde fühlt sich ausgetrickst, und das ist seine (korrekte) Rechtsauffassung. Deshalb storniert er den Auftrag

und sendet das Gerät an den Händler zurück.

So leicht geht das nicht, sagt sich der Händler, schließlich wurde ja bestellt. Deshalb verweigert er die Annahme des Geräts und legt sich wie ein Maikäferchen auf den Rücken - er wäscht seine Hände in Unschuld, er trägt doch keine Verantwortung.

Nachdem die Klärung der Angelegenheit vom Fachhändler abgelehnt wird, wendet sich der Kunde an den Hersteller und bittet um Stellungnahme. Die Rede ist von einem Gerät der bekannten Firma Hewlett-Packard (CD-Writer Plus 7100e). HP sind solche Inkompatibilitäten bekannt. Das jedenfalls sagt der zuständige Marketingleiter für das Reseller Business - so steht es auch in der mitgelieferten Installationsanweisung. Und dieses bestätigt auch der betroffene Fachhändler als längst "bekannt".

Der Hersteller: "Produktinformationen unverbindlich"

Die Antwort des Marketingleiters ist kurz und knapp: "Der Hersteller hat leider keinen Einfluß auf den Fachhandel. Es besteht lediglich eine Bindung als Lieferant einer Ware und dem Einkauf eines Fachhändlers."

Und im übrigen ist doch klar: die Produktinformationen des Herstellers sind stets als unverbindlich zu betrachten, der Kunde sollte keinerlei Ansprüche gegen den Hersteller selbst versuchen, eine Lösung ist hier nicht herleitbar. Der Kunde sitzt so zwischen Baum und Borke. Er fragt sich, ob es denn nicht selbstverständlich ist, bekannte Inkompatibilitäten gleich in der Produktbeschreibung aufzuführen und meint, daß der Hersteller diese Pflicht doch in seinem Falle vernachlässigt hat. Er stellt sich vor, daß er für seinen Wagen neue Reifen (einer bestimmten Marke) kaufen möchte, beim Händler anruft, dieser ihm irgendeine Bereifung dieses Herstellers ins Haus liefert, die aber leider nicht auf die vorgesehenen Felgen paßt. Dem Händler - im Gegensatz zum arglosen und fachunkundigen Käufer - ist jedoch sehr wohl bewußt, daß die Felgenmaße für die Reifenwahl unbedingt erforderlich sind. Und mehr noch: Der Hersteller selbst hat diese Reifen nur bis zu einer Geschwindigkeit von maximal 200 km/h ausgelegt. Der Käufer benötigt allerdings Pneus, die sich für höhere Geschwindigkeiten eignen. Das hat der Händler in seiner Produktbeschreibung aber leider vergessen zu erwähnen.

Wer der Dumme ist, ist allen dabei klar: der Kunde. Er hätte doch vorher fragen können, er hätte sich doch vor dem Kauf über mögliche Vorgaben, Geschwindigkeitsbegrenzungen und technische Besonderheiten informieren können. Nun war er aber stumm wie ein Fisch. Muß der Hersteller denn wirklich auf jede Kleinigkeit aufmerksam machen? Und der Fachhandel: Der möchte doch verkaufen, und setzt voraus, daß der Kunde schon wissen sollte, was er sich kauft. Eine Pflicht zur Information? Warum denn das auf einmal?

Auch in unserem Fall zieht es der Fachhändler vor, die bekannten "Unpäßlichkeiten" zu verschweigen. Er verbucht einen Verkauf, fakturiert noch zusätzliche Service-Honorare und hat vielleicht sogar die Chance, dem arglosen Kunden eine gänzlich neue PC-Infrastruktur anzudrehen - 50.000 Mark, damit der CD-Brenner für 800 Mark zum Laufen gebracht werden kann.

Der Kunde erwartet vom Fachhändler fachkundige Beratung

Wenn so etwas im Kaufhaus, bei meist fachunkundigem Verkaufspersonal, geschieht, hat der Kunde sicherlich gewisses Verständnis, würde sich aber natürlich ebenso wie in unserem realen Fall an den Hersteller wenden. Daß der autorisierte Fachhandel solche Eskapaden bietet, ist dem Kunden, der sich ja bewußt an einen Spezialisten wendet, allerdings völlig unverständlich.

Innerhalb des immer härteren Wettbewerbs hat es besonders der kleine Händler schwer, sich im Markt zu behaupten. Gerade deshalb sollte er seine Kunden jedoch durch besonders kundenfreundliche Manier zufriedenstellen. Der Hersteller sollte sich viel bewußter machen, welcher Vertreter seiner Produkte am Markt den vielleicht guten Namen nutzt. Qualitätssicherung endet jedenfalls nicht am Förderband der Fabrik. Auch die Kontrolle der Dienstleistung

am Kunden durch den Kooperationspartner sollte als wesentlicher

Teil der Unternehmenspolitik verstanden werden.

Ein Hersteller, in diesem Fall Hewlett-Packard, der "sich nicht als Richter" in die Problemlösung, die durch ein unzureichend beschriebenes Produkt und einen interesselosen Händler notwendig geworden ist, "einmischen" will, täte gut daran, seine Verantwortung besser zu strukturieren. Ein gutes Beispiel hierfür: Als die Firma Canon vor vielen Jahren die ersten Tintenstrahldrucker (Serie BJ) herausbrachte, gab es anfänglich technische Probleme wie sie bei neuen Produkten öfter einmal auftreten können. Ein Kunde, der zehn Stück davon orderte und nach einigen Versuchen feststellte, daß die Geräte Fehler aufwiesen, erhielt nicht nur durch den Fachhandel entsprechende Unterstützung, gleichzeitig bot der Hersteller auch den ungeprüften Umtausch in andere Geräte an - und das gegen einen freiwillig gewährten Rabatt von 50 Prozent auf die ursprüngliche Kaufsumme.

Annähernd die gleiche Situation, zwei Hersteller, zwei Händler, völlig unterschiedliche Auswirkungen. Das zeigt wohl das Spektrum auf, in dem sich der Kunde zurechtzufinden hat. Der Fachhandel allerdings kann tatkräftige Unterstützung leisten. Die Kulanzgrenzen werden nicht vorgeschrieben, sie sind Mentalitäts- und Auffassungssache. Allerdings hat der Kunde ein gutes Gedächtnis. Das wirkt sich bei positiven Erlebnissen ebenso aus wie bei negativen.

Dienstleistungsbereitschaft des Fachhändlers: Teil der Unternehmenssicherung

Sollte der Fachhandel ausschließlich Wert darauf legen, technisches Know-how zu verkaufen, dabei jedoch vergißt, daß die Service-Fähigkeit, die Dienstleistungsbereitschaft, also die Arbeit am und mit dem Kunden mindestens 50 Prozent seiner Unternehmenssicherung ausmacht, dann ist die zu beobachtende Selbstbereinigung dieses Marktes nur zu richtig.

Sicherlich kann man Einzelfälle nicht verallgemeinern und eine ganze Branche verschreien. Das wäre höchst ungerecht und entspräche nicht der Realität. Dennoch muß offen bekannt werden, daß sich die Service-bewußten, kundenorientierten Händler eine Minderheit darstellen.

Service darf nicht so verstanden werden, daß auch "neben" dem Hardware-Verkauf zusätzlich "Beratungsleistungen" als Worthülsen angeboten werden. Wer das in sein Unternehmensportrait schreiben will, der sollte sich auch darüber klar sein, daß Beratung eine Leistung ist, die vor dem Kauf beginnt, nicht erst dann, wenn der Kunde im Blindflug gegen den Berg geprallt ist.

*Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt/ Speyer/ Hannover/ Bremen.

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