Informix-Manager Niebel sagt Shake-out bei den Softwarhäusern voraus

09.06.1996
ISMANING: Werner Niebel verfolgt als Director Channels Sales der Informix Software GmbH in Ismaning mit aufmerksamen Augen die Entwicklung im Bereich der Softwarehäuser. Nach seiner Auffassung steuern viele Unternehmen auf ein Abstellgleis zu. Höchste Zeit, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Im Gespräch mit ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking erläutert er seine Ansichten.

ISMANING: Werner Niebel verfolgt als Director Channels Sales der Informix Software GmbH in Ismaning mit aufmerksamen Augen die Entwicklung im Bereich der Softwarehäuser. Nach seiner Auffassung steuern viele Unternehmen auf ein Abstellgleis zu. Höchste Zeit, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Im Gespräch mit ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking erläutert er seine Ansichten.

?Herr Niebel, Sie behaupten, daß auf viele Software-Häuser in Deutschland schwere Zeiten zukommen. Warum?

NIEBEL: Die Innovationszyklen werden kürzer. Da kommen viele nicht mehr mit. Große, internationale Unternehmen werden mit ihrer Marketingmaschinerie die Kleinen überrollen. Markennamen zählen dann mehr als lokale Präsenz. Die kleinen deutschen Unternehmen haben weder die Eigenmittel noch das Venture Capital, um hier etwas entgegenzusetzen.

?Sie glauben also, daß die großen internationalen Softwareanbieter mit eigenen Lösungen für den Mittelstand in die bisherige Domäne der kleinen deutschen Softwarehäuser einbrechen. Wie begründen Sie diese Auffassung?

NIEBEL: Wo sollen denn die dominanten Applikationsanbieter hinwachsen, wenn die 1.000 größten Unternehmen unseres Landes versorgt sind?

Der Hardwarepreis wird so nebensächlich, daß ein monumentales Softwarepaket leicht auf einen Intel-PC gepackt werden kann. Dort werden nur noch die Module ausgewählt, die der mittelständische Anwender benötigt. Die möglicherweise mitgelieferte Überfrachtung mit Funktionalität müssen dann teuer bezahlte Berater zurechtrücken.

?Glauben Sie, daß die großen "Multinationals" die Ausweitung ihres Leistungsangebotes mit eigenen Bordmitteln oder durch Zukauf von Spezialisten realisieren werden?

NIEBEL: In den Kernbereichen wird das mit eigenen Ressourcen und Know-how versucht. Sobald in sehr spezifische Branchensegmente vorgestoßen wird, kauft man ein oder beteiligt sich.

?Was raten Sie einem Softwarehaus, das seine Aktivitäten nicht an einen größeren Anbieter verkaufen kann oder will? Wie kann es seine Existenz dauerhaft sichern?

NIEBEL: Das angesammelte Wissen gezielt zur Bedienung einer Nische verwenden. Diese darf aber nicht so groß sein, daß sie die Begierde eines Großen wecken könnte. Sie muß komplementär zu den Standardpaketen sein. Die Flexibilität des kleinen Anbieters erlaubt auch, schneller als Große zu sein. Neue Markttrends können schnell umgesetzt werden, beispielsweise Internet-Integration der vorhandenen Anwendung. Das wird viel zu wenig genutzt. Und außerdem müssen sie sich schneller der angebotetenen Basistechnologie bedienen, damit sie auch in der Entwicklung schneller und kostengünstiger werden.

?Die von Ihnen geforderte Spezialisierung auf bestimmte Kernkompetenzen erfordert die überregionale, ja bundesweite Vermarktung der Lösung. Das aber macht wieder erhebliche Investitionen erforderlich. Wo soll das Geld dafür herkommen?

NIEBEL: Eigenbrötelei zurückstellen und sich mit anderen Softwareanbietern zusammentun. Dadurch wird mit geringen Kosten überregionale Präsenz erreicht. Und noch viel wichtiger: Sales Cycles werden verkürzt, weil andere die Akquisephase übernehmen. Es gibt aber auch viele Fördertöpfe der EU mit ganz erheblichen Mitteln. Die sind nicht leicht zu knacken, aber es geht mit entsprechender Beratung.

?Einer Ihrer Kritikpunkte lautet, daß sich die Softwarehäuser zuwenig um die Vermarktung Ihrer Produkte kümmern. Was meinen Sie damit?

NIEBEL: Entweder haben sie im Windschatten eines Hardwareherstellers ganz gut gelebt oder per Empfehlung ihre zehn bis 20 Installationen pro Jahr realisiert. Das ist keine kritische Größe und wird auch nicht mehr funktionieren. Da müssen Vertriebsleute aktiv vermarkten. Das Interessentenpotential muß systematisch aufgearbeitet und einzigartige Vorteile der Software müssen herausgestellt werden. Die müssen auch die anderen, eingebauten Vorteile für Anwender aktiv vermitteln, zum Beispiel die Flexibilität einer objektorientierten Programmiersprache, die unterlegte Datenbank oder die besondere Berücksichtigung von Standards und damit Zukunftssicherheit

?Wagen Sie doch einmal eine Prognose: Wieviel Prozent der heutigen deutschen Softwarehäuser werden in zehn Jahren noch am Markt präsent sein?

NIEBEL: Gerade mal 20 Prozent werden überleben. Die anderen werden nicht alle verschwinden, aber sie werden - so befürchte ich - die Rolle der Autoindustriezulieferanten einnehmen. Und was das bedeutet, haben wir in den letzten Jahren in den Medien oft genug gelesen.

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