Ingram Micro und J&W Computer: "Wer hat hier eigentlich wen übernommen?"

08.08.1997
MÜNCHEN/FRANKFURT: Ingram Micro Deutschland hat den Frankfurter Distributor J&W Computer zu 100 Prozent übernommen. Damit gibt es hierzulande laut J&W keinen unabhängigen, privat agierenden Distributor von Rang und Namen mehr. Das sei durchaus nicht negativ zu bewerten, behauptet J&W-Vorstandsvorsitzender Sven Janssen, der nun auch bei Ingram in Deutschland das Zepter schwingt, während eines Interviews mit ComputerPartner. Und Martin Blaney, Ingrams Europa-Vize, stimmt ihm zu: Der Fachhandel könne nur profitieren. Obwohl die Geschäftsbereiche nicht zentralisiert werden, fürchten die Manager keine Reibereien in der Belegschaft.Nicht nur die Produktzyklen im Computermarkt sind extrem kurz. Auch das Haltbarkeitsdatum von Statements und Versicherungen durch IT-Manager läuft offenbar äußerst flugs ab. So verkündete J&W-Geschäftsführer Sven Janssen, angesprochen auf Übernahmegerüchte durch Ingram Micro, noch Ende Mai im Brustton der Überzeugung: "Ich habe an einem Verkauf des Unternehmens momentan gar kein Interesse. Wir bleiben selbständig, solange wir das Wachstum noch selber finanzieren können." (ComputerPartner 10/97, Seite 42/43). Nur wenige Wochen später war der Betrieb verkauft. "Ingrams Angebot war so verlockend, daß man einfach nicht nein sagen konnte," begründet Janssen die exorbitante Geschwindigkeit, mit der er die Kehrtwendung vollzog. Vor vier Wochen fanden laut Janssen die ersten Gespräche statt, und Ingrams Vorschläge hätten "alle anderen Interessenten vom Feld geschlagen". Wer außer Ingram noch an einem Kauf interessiert war (und wer noch das nötige Spielgeld dazu hat), wollte der J&W-Vormann allerdings nicht verraten.

MÜNCHEN/FRANKFURT: Ingram Micro Deutschland hat den Frankfurter Distributor J&W Computer zu 100 Prozent übernommen. Damit gibt es hierzulande laut J&W keinen unabhängigen, privat agierenden Distributor von Rang und Namen mehr. Das sei durchaus nicht negativ zu bewerten, behauptet J&W-Vorstandsvorsitzender Sven Janssen, der nun auch bei Ingram in Deutschland das Zepter schwingt, während eines Interviews mit ComputerPartner. Und Martin Blaney, Ingrams Europa-Vize, stimmt ihm zu: Der Fachhandel könne nur profitieren. Obwohl die Geschäftsbereiche nicht zentralisiert werden, fürchten die Manager keine Reibereien in der Belegschaft.Nicht nur die Produktzyklen im Computermarkt sind extrem kurz. Auch das Haltbarkeitsdatum von Statements und Versicherungen durch IT-Manager läuft offenbar äußerst flugs ab. So verkündete J&W-Geschäftsführer Sven Janssen, angesprochen auf Übernahmegerüchte durch Ingram Micro, noch Ende Mai im Brustton der Überzeugung: "Ich habe an einem Verkauf des Unternehmens momentan gar kein Interesse. Wir bleiben selbständig, solange wir das Wachstum noch selber finanzieren können." (ComputerPartner 10/97, Seite 42/43). Nur wenige Wochen später war der Betrieb verkauft. "Ingrams Angebot war so verlockend, daß man einfach nicht nein sagen konnte," begründet Janssen die exorbitante Geschwindigkeit, mit der er die Kehrtwendung vollzog. Vor vier Wochen fanden laut Janssen die ersten Gespräche statt, und Ingrams Vorschläge hätten "alle anderen Interessenten vom Feld geschlagen". Wer außer Ingram noch an einem Kauf interessiert war (und wer noch das nötige Spielgeld dazu hat), wollte der J&W-Vormann allerdings nicht verraten.

Mitausschlaggebend für Janssens Entscheidung war sicherlich, daß Ingram ihm die Position als Geschäftsführer angetragen hat. So klingt vieles von dem, was Janssen sagt, so, als habe er Ingram übernommen - und nicht umgekehrt - finden auch einige Ingram-Mitarbeiter.

"Für unsere Fachhandelspartner ist die Übernahme nur von Vorteil: Ingram hat doch die großen Hersteller an der Hand, die J&W nicht beliefert haben", freut er sich beispielsweise für seine Klientel. Endlich dürfe er Hewlett-Packard, Compaq, Microsoft und Novell zu seinen Lieferanten zählen. Bislang hatte Janssen bei solchen Herstellern vergeblich angeklopft. "Dazu war J&W einfach nicht groß genug", räumt er ein.

Janssen wurde von Ingram mit allen Befugnissen eines Deutschland-Geschäftsführers ausgestattet, habe zum Beispiel auch freie Hand bei der Unternehmens- und Vertriebsstrategie; demnach bestünde nicht die Gefahr, daß der amerikanische Mutterkonzern die US-Konzepte ungeprüft auf die deutsche Tochter aufpfropfen könne. In einem Gespräch mit Janssen und seinem direkten Vorgesetzten, Martin Blaney, Vice President Zentraleuropa bei Ingram Micro, der bislang interimsweise die Deutschlandgeschäfte beaufsichtigte, lassen sich die beiden hinsichtlich der nächsten Schritte in die Karten sehen.

?Ist es mit dem Namen J&W Computer in Deutschland jetzt ein für allemal vorbei?

JANSSEN: Im Prinzip ja. Wenn Sie heute in Frankfurt anrufen, sagen sie da noch "J&W-Ingram-Micro, guten Tag". Aber höchstens für zwei, drei Monate. Dann werden wir endgültig zu Ingram Micro.

?Es stehen doch sicher einige Umzüge ins Haus. Werden die Geschäftsbereiche von J&W und Ingram auch örtlich zusammengelegt?

JANSSEN: Nein. Einen Umzug gibt es nur für Ingram Micro: von Ottobrunn nach Haar. Am 6. September soll alles schon drüben sein.

? Aber macht die Übernahme nicht eine Zentralisierung notwendig?

JANSSEN: Ich denke, nein. Wir haben uns gestern in einem Meeting darüber unterhalten. Da ging es um eine mögliche Zusammenlegung der Einkaufs- und der Marketingsabteilungen. Aber Ingram und J&W haben einfach komplett unterschiedliche Lieferanten. Nur Olivetti, Epson, Iomega und noch einen kleineren Hersteller haben wir gemeinsam.

? Wohin müssen sich die jeweiligen Handelspartner dann richten?

JANSSEN: In Frankfurt werden wir das weitermachen, was wir auch bisher dort gehandelt haben: das Komponenten-Business, also Seagate und Mitsumi, den Storage-Bereich und das Import-Geschäft. Da sitzen schließlich die Leute, die sich auskennen.

Hier in der Ingram-Zentrale bleibt das Printer-Geschäft, auch das von J&W. Auch das Monitorgeschäft wird komplett nach Haar verlegt.

? So ähnlich haben ja auch CHS und Merisel das gehandhabt. Allerdings hat das zu ziemlichen Reibereien unter den verschiedenen Unternehmensmannschaften geführt, wie man hört. Droht Ihnen da nicht das gleiche Schicksal?

BLANEY: Der Unterschied bei uns ist doch der: Bei CHS und Merisel wurden zwei ungefähr gleich starke, eigene Managementabteilungen zusammengeworfen. Hier bei Ingram - und das ist ja kein Geheimnis - brauchten wir noch dringend einige gute Leute für das Management. Ich habe ja dringend einen Geschäftsführer gesucht und auch andere Schlüsselpositionen standen noch offen. So kommt es uns jetzt nur entgegen, daß wir mit Herrn Janssen und seiner Mannschaft ein gutes Team bekommen.

? War das Glück - oder hatten Sie nicht von vorneherein vor, sich einen deutschen Partner zu suchen und dessen Top-Manager an die Spitze von Ingram zu stellen? Eine Hypothese: Wenn Sie Peacock übernommen hätten, wären dann nicht die Herren Greif und Hellweg in die Ingram-Geschäftsführung gekommen?

BLANEY: (lacht). Zu diesen speziellen Fall möchte ich keine Stellung beziehen. Aber ich kann grundsätzlich sagen, daß Ingram sich darauf spezialisiert hat, das Management der Unternehmen, die wir kaufen, auch komplett zu übernehmen. Die Deutschland-Mannschaft gestern hat entsprechend reagiert. Da tauchte nämlich gleich die Frage auf: "Wer hat hier eigentlich wen gekauft?"

JANSSEN: (sichtlich erheitert). Also bitte... Aber große Veränderungen im Managementbereich für die jeweiligen Abteilungen sind also nicht zu erwarten. Lieferanten und auch die Kundenbasis - die sind viel zu unterschiedlich. Bei den Kunden gibt es eine Überlappung von maximal zehn, zwölf Prozent. Da kommen sich die Vertriebsleute nicht gegenseitig in die Quere.

BLANEY: Und außerdem: So schnell wie Ingram hier derzeit wächst - und noch wachsen wird - können wir gar nicht genug Leute haben.

? Gibt es für die Handelspartner sonst noch spürbare Veränderungen?

JANSSEN: Eigentlich nicht viel. Unsere J&W-Kunden haben jetzt Zugriff auf das Lager von Ingram und umgekehrt. Wir müssen uns nur innerhalb der nächsten Wochen entscheiden, wo wir das Lager in Zukunft haben wollen. Das muß jetzt schnell gehen. Und außerdem planen wir derzeit ein zentrales Computersystem. Das soll bis zum 1. Oktober abgeschlossen sein.

? Da klingt einige Skepsis mit, wenn Sie das sagen. Glauben Sie, daß Sie den Termin halten können?

BLANEY: Ich bin mir da absolut sicher. Ingram hat in diesem Punkt wirklich große Erfahrung. Ich habe das anfangs nicht für möglich gehalten, aber es klappt: in den anderen europäischen Ländern ging das ja auch problemlos, in Großbritannien haben wir sechs oder sieben verschiedene Lager zusammengschlossen. Es stimmt: Sven glaubt noch nicht so recht daran. Aber ich weiß es.

JANSSEN: Wie auch immer: die nächsten zwei Monate werden sicherlich nicht ganz einfach. Ich kenne ja auch noch nicht mal die ganzen Mitarbeiter hier. Aber wenn mal alles läuft, ist es auch für unsere Handelspartner eigentlich ganz egal, wo genau ein Verkäufer eigentlich sitzt.

? Ein zentrales Computersystem ist sicher wichtig. Aber auch der Wettbewerb hier in Deutschland ist recht umtriebig. Wie schätzen Sie Ihre Konkurrenten ein?

JANSSEN: Um hier in Deutschland erfolgreich zu sein, muß man die komplette Produktpalette anbieten können. Das ist doch beispielsweise auch der Grund, warum Actebis so erfolgreich ist. Aber da können wir durch den Zusammenschluß jetzt leicht mithalten.

BLANEY: Actebis ist tatsächlich sehr stark hier. Wer sind die größten Player? Ingram, jetzt. CHS, Computer 2000 und Actebis natürlich. Wobei Actebis nur in Deutschland so stark ist. Aber wirklich - ein guter Wettbewerber.

? Werden Ihrer Ansicht nach die kleineren oder spezialisierten Anbieter auch aufgekauft? Was passiert beispielsweise mit Magirus?

BLANEY: Oh, die Nischenanbieter muß man immer im Auge behalten. Aber sie arbeiten natürlich mit hohem Risiko: Sie müssen sehr schnell in neue Technologien investieren, schnell einsteigen. Und dabei können Fehler auftreten. Jeder begeht mal einen Irrtum, aber die kleineren Anbieter haben zumeist nicht die Ressourcen, sich das auch leisten zu können. Aber: Ich bin jetzt seit 18 Jahren im Distributionsgeschäft und meiner Erfahrung nach können sie sich auch manchmal zu ernstzunehmenden Konkurrenten entwickeln. Schauen Sie doch nur CHS an - die haben als Nischendistributor angefangen.

? Herr Janssen, Sie kennen durch die J&W die kleineren und mittelständischen Handelsunternehmen sehr gut. Aber durch Ingram müssen Sie sich zusätzlich mit einem neuen Kundenbereich auseinandersetzen - den großen Händlern. Schreckt Sie die Aussicht auf eine völlig neue Klientel nicht?

JANSSEN: Nein! Sie haben recht, das ist völlig neu für mich. Aber schließlich muß man ja sein ganzes Leben lang lernen, nicht wahr?

? Was passiert denn jetzt mit den Auslandsniederlassungen von J&W?

JANSSEN: Die behalten wir natürlich, schließlich arbeiten sie sehr erfolgreich. Schweiz und Österreich bleiben uns, die Niederlassung in Frankreich geht natürlich an Ingram Micro Frankreich...

? Im letzten Gespräch mit ComputerPartner hatten Sie Ihre Auslandsniederlassungen ja als Ihren Hoffnungsträger Nummer eins genannt - tut es dann nicht weh, wenn diese Start-ups zum Teil aus Ihrem Einzugsgebiet genommen werden?

BLANEY: Sven hat ja nicht nur die Verantwortung für Deutschland, sondern auch für Österreich und die Schweiz. Aber es stimmt, die französische Niederlassung und auch die in Italien, die fallen in die jeweiligen Geschäftsbereiche der dortigen Manager. Aber die deutschsprachigen Länder: Das ist doch ein Riesenmarkt, da hat er eine ganze Menge zu tun... Ich habe es ja interimsweise gemacht, aber es ist nicht so gut gelaufen, schon weil ich kein deutsch spreche.

? Und es hier ja oft ganz eigene Probleme gibt. Wie jetzt beispielsweise die gescheiterte Steuerreform. Wie wird sich das Ihrer Ansicht nach auf den Distributionsmarkt auswirken?

JANSSEN: Die J&W und auch Ingram haben natürlich schon in den letzten Monaten die abwartende Haltung vieler Kunden gespürt. Das heißt - der Business-Markt läuft eigentlich hervorragend, wenn man von der üblichen Verlangsamung des Geschäfts im Sommer absieht. Wir brauchen uns aber nichts vorzumachen: In Deutschland ist es schon so, daß die Leute verunsichert sind und im Endkundengeschäft nicht viel investieren. Da war es mein Glück, daß wir viel im Business-Bereich agieren. Viele kleine Distributoren sind eingegangen, weil sie einfach nicht den Atem haben. Aber Ingram Micro hat den Atem, die haben Geld.

? Sie hatten ja jetzt ein erstes großes Management-Meeting als Geschäftsführer der Ingram Micro. Was betrachten Sie als die dringendste Aufgabe im Unternehmen?

JANSSEN: Mir wurde von allen Seiten gesagt, daß die Motivation der Ingram-Mitarbeiter ziemlich am Boden sei, andere hatten mich gewarnt, die Mannschaft sei arrogant: Nichts davon! Klar, in den letzten Monaten mußten sie einiges an Veränderungen schlucken. Aber offensichlich - das wurde mir immer wieder versichert - freuen sich die Leute bei Ingram Micro und auch die Lieferanten, daß ich jetzt bei Ingram dabei bin. Auch in Frankurt - da hat keiner Angst um seinen Job. Ich denke, wir werden kaum Reibungsverluste bei den Mitarbeitern haben.

Und was die angebliche Arroganz der Ingram-Leute angeht: Ich hatte noch zwei sehr gute Angebote für J&W, gleichzeitig mit dem Vertrag von Ingram lag noch ein anderer auf meinem Tisch, der nur darauf wartete, unterschrieben zu werden. Was für mich letztendlich den Ausschlag für die aktuelle Entscheidung gab, war die Professionalität, mit der diese Leute aus Deutschland und Holland vorgingen. Die wußten genau, wo sie suchen mußten. Da war nichts von Arroganz zu spüren. Ich sehe hier die bessere Zukunft.

? Wie wird sich Ingram Micro Deutschland denn jetzt positionieren, welche Umsätze streben Sie an?

BLANEY: Kein Kommentar, wir geben grundsätzlich keine Zahlen an die Öffentlichkeit.

JANSSEN: Wir haben nicht vor, der Presse gegenüber Aussagen zu machen, wie beispielsweise Herr Lampatz, daß wir im Jahr 2000 die Nummer eins sein wollen oder ähnliches. Ingram ist weltweit die Nummer eins. Und jetzt sind wir im deutschen Markt und spielen mit...

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