Ingram Micro will CAD-Markt aufrollen

12.02.2004
Der Vertrag zwischen Ingram Micro und Autodesk hat für Furore gesorgt. Der CAD-Distribution steht in diesem Jahr ein Verdrängungskampf bevor. Von ComputerPartner-Redakteur Andreas Th. Fischer

Der CAD-Channel in Deutschland ist wieder in Bewegung geraten: Obwohl der Marktführer Autodesk bereits seit vielen Jahren mit Tech Data, dem Spezialisten Mensch und Maschine (MuM) sowie mit Actebis, Yello und C&H zusammenarbeitet, hat das Unternehmen Ende Januar 2004 einen neuen Distributionsvertrag mit Ingram Micro unterzeichnet. Der Broadliner will hier zu Lande richtig Gas geben: "Innerhalb von zwei Jahren sind wir der führende Distributor von Autodesk-Produkten", trommelt Stephan Gotschlich, Leiter der neuen fünfköpfigen Autodesk Business Unit bei Ingram.

Der Weg bis auf den Olymp könnte jedoch steinig werden. Der margenträchtige CAD-Markt gilt ebenso wie die Händlerbasis als gesättigt. Es ist fraglich, wie viele neue Händler jetzt den Schritt machen werden und sich zum Autodesk-Partner qualifizieren lassen. Ernesto Schmutter, Business Group Manager bei Ingram Micro und direkter Vorgesetzter von Gotschlich, sieht das jedoch gelassen: "Mit unserem breiten Marktzugang gehen wir eine Händlerschaft an, zu der unsere Wettbewerber keinen Zugang haben", so Schmutter. Die Überschneidung mit dem nächstgrößeren Wettbewerber - sprich: Tech Data - betrage etwa 60 Prozent, 40 Prozent der Händler in den Datenbanken von Ingram seien also quasi ein unbestelltes Feld. Dass der Vertrag mit Autodesk überhaupt zustande gekommen ist, ist nach ComputerPartner-Informationen letztlich Schmutters Beharrlichkeit zu verdanken. Trotz des riesigen Produktportfolios hatte Ingram im Bereich CAD bisher noch nicht viel zu bieten. Das zu ändern hat sich Schmutter auf die Fahnen geschrieben - nach eigener Aussage nicht mit der bestehenden Klientel der Wettbewerber, sondern mit zusätzlichem Geschäft. "Aber es wird mit Sicherheit eine Verschiebung der Marktanteile geben", stellt Schmutter klar.

Knackpunkt: passende Partner finden

Die schwierigeren und interessanteren vertikalen Bereiche wird Ingram wohl erst angehen, wenn der Start mit "Autocad" und Co. auch erfolgreich war. Autodesk erhofft sich nach Aussage von Deutschland-Chef Roland Zelles jetzt vor allem zusätzliches Wachstum im Retail-Segment. "Wir wollen mit Ingram Micro neue Vertriebskanäle erschließen", so Zelles.

Die Marktführerschaft bei den Autodesk-Distributoren zu erreichen dürfte Ingram nicht ganz leicht fallen. Tech Data arbeitet bereits seit 1986 erfolgreich mit dem Hersteller zusammen und hat seit einem Jahr ein Neukundenprojekt laufen. "Wir wissen also, wie schwierig das ist", erklärt Jörg Lauer, Leiter der CAD-Business-Unit bei Tech Data und für den gesamten D-A-CH-Bereich zuständig. Nur spezielle Händler dürften Autodesk-Produkte überhaupt verkaufen. "Sie müssen beim Hersteller autorisiert sein und Umsatz-Commitments, die von Autodesk festgelegt werden, eingehen", so Lauer. Der Distributionsmarkt könne nur wachsen, wenn auch der Anwendermarkt zulege, und der sei vergangenes Jahr relativ schlecht gelaufen.

Value Adds als Oberliga

Als "hochpolitisches und brisantes Thema" wird der Ingram-/Autodesk-Vertrag dem Vernehmen nach bei Mensch und Maschine eingestuft. "Der CAD-Markt stagniert, wir rechnen deshalb damit, dass eine Umverteilung stattfinden wird", gibt Peter Baldauf, Vice President Sales bei MuM, unumwunden zu. Auf einen Kampf um die günstigsten Tagespreise will sich Baldauf auf keinen Fall einlassen. Der Nischen-Disti profitiert nach Aussage des MuM-Managers vor allem von der langjährigen Zusammenarbeit mit vielen Autodesk-Partnern, den "Value Adds", die erstmal aufgebaut werden müssten, und von seiner fast europaweiten Kooperation mit Autodesk. Deutschland sei da nur ein Schauplatz, wenn auch der größte.

Unterm Strich kann Ingram im CAD-Markt also nur Erfolge erzielen, wenn der Broadliner neue Partner findet, was nicht leicht werden dürfte, oder wenn er bereits etablierte Autodesk-Partner gewinnt. Kein Wunder also, wenn alle Beteiligten mehr oder weniger offen zugeben, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb kommen wird. Zumal der umworbene Hersteller selbst seit vergangenem Herbst den Direktvertrieb ausgebaut hat: Umsatzträchtige ASCs (Autodesk Systems Center) betreut das Unternehmen nun selbst. Grund dafür ist nach Angaben von Autodesk-Geschäftsführer Zelles, dass "einige Kunden nur direkt mit uns zusammenarbeiten. Dort ist aber auch immer ein Partner im Boot" - allerdings kein Distributor mehr.

Meinung des Redakteurs

Ingram steigt über die Retail-Produkte in den viel versprechenden CAD-Markt ein. Der Broadliner muss sich jetzt bei den potenziellen Partnern profilieren, um an die wirklich interessanten vertikalen Produkte ranzukommen. "Dort spielt nämlich die Musik", so ein Marktkenner. Mit nur fünf Mitarbeitern wird Ingram den Highend-Bereich dieses service- und margenträchtigen Bereichs aber noch nicht bedienen können.

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