Ingram Micro zieht Alleingang bei der Kreditversicherung in Erwägung

15.10.1998

MÜNCHEN: Das Thema Kreditversicherung ist sowohl für Distributoren als auch deren Händler ein heikler Punkt. Pläne von Ingram Micro, Kreditangelegenheiten künftig in Eigenregie abzuwickeln, haben den Handel aufgescheucht.Helmut Lärtz ist sauer: "Ich bin einer der ältesten Ingram-Kunden. Bisher hat auch meistens alles gut geklappt. Aber jetzt muß ich wohl die Zusammenarbeit beenden", ärgert sich der Geschäftsführer der Lärtz Systemhaus GmbH in Lüdenscheid. Der Grund für seine Aufregung: Durch einen Anruf bei Ingram erfuhr der Händler von einem Mitarbeiter der Finanzabteilung, daß Ingram die Zusammenarbeit mit ihrem Kreditversicherer beenden will, um anschließend Kreditangelegenheiten im eigenen Haus abzuwickeln.

"Der Mitarbeiter hat mir erklärt, daß ich künftig meine Bilanzen der vergangenen drei Jahre direkt an Ingram schicken muß, um meine Kreditlinie weiterhin zu bekommen. Anderenfalls erfolge die Belieferung künftig gegen Bar-Nachnahme", berichtet Lärtz. Weiterhin glaubte der Mitarbeiter zu wissen, daß Ingram damit Kosten sparen will, um diesen Vorteil in Form von günstigeren Preisen an die Fachhändler weitergeben zu können.

Für Lärtz sind die Pläne seines Zulieferers unzumutbar. "Stellen Sie sich mal vor, jeder Distributor macht das. Dann bin ich ja nur noch damit beschäftigt, meine Bilanzen durch die Gegend zu schicken. Und was passiert eigentlich, wenn der Sachbearbeiter meine Unterlagen nicht absolut vertraulich behandelt?", fragt er sich mit Recht.

Bei Ingram Micro ist man über diesen Vorfall beunruhigt: "Es ist nicht unsere Absicht, unsere langjährigen Händler zu verprellen. Außerdem ist die ganze Geschichte sowieso noch nicht spruchreif", erklärt Stephen M. Griffiths, der durch die Macrotron-Übernahme nun als Finanzvorstand der Macrotron AG fungiert. Griffiths stellt den derzeitigen Sachverhalt so dar:

"Der Vertrag mit unserem Kreditversicherer läuft per 31. Dezember 1998 aus, weil es sich um einen Jahresvertrag handelt. Wir haben aber eine Option auf Verlängerung, die wir in jedem Fall bis März nächsten Jahres wahrnehmen werden. Dann wollen wir mit der Verschmelzung von Ingram und Macrotron so weit sein, daß wir eine Entscheidung über die Kreditversicherer fällen können."

Die Entscheidung könnte nach den Worten Griffths aber auch in näherer Zukunft gegen einen Kreditversicherer fallen. "Es ist schon richtig, daß wir uns vorstellen können, die Kreditversicherung im eigenen Haus abzuwickeln", gibt er unumwunden zu und fährt fort: "Wir haben in unserer Kreditabteilung so gute Mitarbeiter - warum sollen wir dieses Potential nicht nutzen?" Außerdem könne man damit tatsächlich Kosten sparen und zudem viel flexibler arbeiten. Und: "Wenn wir die Kreditlimits im eigenen Haus vergeben, können wir diese sogar noch erhöhen", betont Griffiths.

C2000 und CHS bleiben beim Altbewährten

Im Moment ist das Projekt bei Ingram allerdings auf Eis gelegt. "Es wäre töricht, in der Phase der Zusammenlegung der beiden Firmen solch ein Vorhaben zu starten", weiß der Finanzchef. Für den Fall, daß es aber doch einmal dazu kommt, kann er die Bedenken von Helmut Lärtz ausräumen: "Wenn einige Händler ihre Geschäftsberichte nicht zu uns schicken möchten, kommt eben ein Ingram-Macrotron-Mitarbeiter zu ihnen ins Haus", so Griffiths. "Allerdings geht das natürlich nur bei einer gewissen Umsatzgröße", schiebt er nach.

Keine Bedenken braucht Lärtz hingegen bei Computer 2000 zu haben, die nach eigener Aussage auch weiterhin auf das Know-how ihres Kreditversicherers, der Hamburger Hermes AG, baut. "Meiner Meinung nach ist die Situation in Europa bezüglich Kreditversicherung auf dem Distributionsmarkt mit der in Amerika nicht vergleichbar, da dort eine wesentlich stärkere Markt- und Kundentransparenz gegeben ist, die ein Verlustrisiko stark einschränkt", legt Norbert Sourek, Leiter Konzern Recht bei der Computer 2000 AG, seine Sichtweise dar. "Deshalb ist dort das Instrument der Kreditversicherung weitgehend ungebräuchlich. In Europa sind die Unternehmen jedoch auf die beim Kreditversicherer angesammelten Informationen zur Risikoeinschätzung angewiesen", fügt er hinzu.

Eine klare Linie fährt die CHS Electronics GmbH in Fürstenfeldbruck, die ebenfalls auf Hermes vertraut.

"Bei der enormen Steigerung der Insolvenzen in den vergangenen Jahren wird es immer wichtiger, mit einem namhaften Kreditversicherer zusammenzuarbeiten", so CHS-Sprecherin Iris Lohmann. Aus diesem Grund bestehe kein Anlaß, daran etwas zu ändern.

Bei Actebis allerdings ist zum Thema Kreditversicherung nichts auszumachen. Aus aktuellem Anlaß sei derzeit keine Stellungnahme zu haben, verlautete aus Soest. (sn)

Stephen Griffiths, Finanzvorstand bei Ingram-Macrotron: "Es wäre töricht, in der Phase der Zusammenlegung von Macrotron und Ingram solch ein Vorhaben zu starten."

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