Insolvenzantrag: Einsteinet-Chef Hotter will Hausbank verklagen

10.04.2003
Die Münchener Einsteinet AG wollte einer der erfolgreichsten ASP-Anbieter werden und "das Internet revolutionieren".Jetzt ist das Unternehmen, das zu den 25 größten Systemhäusern Deutschlands zählt, zahlungsunfähig. Laut EinsteinetChef Rudolf Hotter soll die Hausbank die aktuelle Krise mitverschuldet haben.

Die Münchener Einsteinet AG kämpft ums Überleben: Wie das Amtsgericht München auf Anfrage von ComputerPartner bestätigt, liegen der Behörde seit vergangener Woche Anträge auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Einsteinet Systemhaus GmbH und die Einsteinet Data Center GmbH vor. Das Unternehmen, das bei seiner Gründung 1999 mit rund 300 Millionen Euro Kapital an den Start ging und sich als ASP-Anbieter positionieren wollte, ist zahlungsunfähig.

Hausbank glaubt nicht an Zukunft der Firma

Schuld an der aktuellen Situation sollen aber nicht nur die "anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen" sein, wie der Vorstandsvorsitzende Rudolf Hotter seinen Mitarbeitern in einem internen Schreiben mitteilt. Man habe intensive Gespräche mit Banken, Investoren und möglichen strategischen Partnern geführt, um die gegenwärtige Krise abzuwenden. Dennoch habe man die Hausbank aber nicht davon abhalten können, dem Unternehmen die Kreditlinie fristlos zu kündigen: "Wir halten diese Entscheidung für falsch und werden uns mit der Bank rechtlich auseinander setzen", so Hotter in seiner Stellungnahme.

Große Erfolgsaussichten räumt man diesem Versuch im Markt nicht ein: "Einsteinet ist ein Fossil aus der Dotcom-Blase. Bei diesem Dinosaurier hat es eben nur etwas länger gedauert, bis er tot umfiel", so ein Branchenbeobachter. Das ASP-Konzept sei seiner Meinung nach von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen: "Es gibt eben noch keine Kundschaft, die Office-Applikationen online nutzen möchte." Vor allem der Versuch, Microsoft-Produkte wie MS Office und MS Exchange zu vermieten, sei ein "totaler Flop" gewesen.

Dass es bei Einsteinet Probleme gibt, ist jedenfalls kein Geheimnis: Ende 2001 wurde erstmals über bevorstehende Entlassungen geredet. "Die haben einfach zu viel Geld und Ressourcen in einen Markt investiert, den es noch gar nicht gibt", meint auch ein anderer Systemhausmanager, "da ein eigenes Glasfasernetz aufzubauen war doch totaler Wahnsinn."

Zu viel in Infrastruktur und Personal investiert

Einsteinet-Chef Rudolf Hotter räumte das schon im März 2002 ein: "Anders als prognostiziert und von uns erwartet hat sich der Markt nicht so schnell entwickelt. ASP steht in Deutschland immer noch in den Startlöchern. Wir haben dafür zu große technische Kapazitäten an Rechenzentren und an Netzwerkinfrastruktur aufgebaut und zu viel in Personal investiert. Diese Kapazitäten können wir nicht wie geplant auslasten."

Hotter musste im vergangenen Jahr ein weitreichendes Restrukturierungsprogramm inklusive 120 Entlassungen ankündigen. Drei Jahre nach seiner Gründung hatte Einsteinet mit ASP noch keinen Cent verdient und verabschiedete sich endgültig von diesem Traum: Man werde die Kapazitäten im Application-Service-Providing "anpassen", sagte Hotter. Einsteinet werde sich künftig auf Managed Outsourcing, SAP-Hosting und professionelles Systemintegrationsgeschäft konzentrieren.

Zu diesem Zeitpunkt waren die 300 Millionen Startkapital, die Gründer und Aufsichtsrat Martin Varsavsky gemeinsam mit einem Dutzend Investmentbanken bereitgestellt hatte, längst verbraucht - ausgegeben für zwei hochsichere Datenzentren, ein bundesweites Glasfasernetz und die Akquisition des Systemhauses Computer Partner AG im April 2000. Letzteres erwies sich als die beste strategische Entscheidung: Die Tochter soll Branchenkennern zufolge den Großteil des Gruppenumsatzes von rund 63 Millionen Euro in 2001 beigesteuert haben.

2002 sahen die Zahlen ähnlich aus. Der ASP- und Application-Hosting-Betrieb machte demnach nur etwa sieben Millionen Euro der Umsätze aus. Ursprünglich hatte Hotter gehofft, dass man diese Einnahmen bis zum ersten Quartal 2003 verdreifachen würde. Tatsächlich stammt der Großteil der Umsätze Insidern zufolge bis zuletzt aus der wenig rentablen Hardwaredistribution. Nach Ankündigung der Restrukturierung wurde es still um das einst so rührige Unternehmen. Wer Näheres über den Stand der Restrukturierung wissen wollte, wurde immer wieder vertröstet. Dafür tauchten regelmäßig Gerüchte über eine bevorstehende Insolvenz auf.

Glauben wollte man sie aber eigentlich nicht: Einem Unternehmen, das bis zuletzt zu den 25 größten Systemhäusern in Deutschland zählte, räumte man gute Überlebenschancen ein. Zumal Gründer Varsavsky "Dollar-Milliardär" mit einem entsprechend langen finanziellen Atem sein soll. Jedenfalls vermuteten viele einen schlechten Scherz, als Hotters interne Mail ausgerechnet am 1. April erstmals im Online-Branchenforum "Dotcomtod" veröffentlicht wurde. In dem Schreiben, das auch ComputerPartner vorliegt und dessen Echtheit von einem Einsteinet-Mitarbeiter bestätigt wurde, kündigte Hotter den Gang zum Insolvenzgericht an. Der Manager versucht aber die Mitarbeiter zu beruhigen: Das eingeleitete Verfahren solle vor allem dazu dienen, die Verbindlichkeiten in einem geordneten Verfahren abzubauen, um so den Fortbestand der Gruppe und der Arbeitsplätze zu sichern. "Wir arbeiten bereits an einer Restrukturierung der Gesellschaften, um sicherzustellen, dass wir ein dauerhaft verlässlicher Partner für unsere Kunden bleiben", so Hotter. Für die Mitarbeiter werde sich zunächst nichts ändern, verspricht der Einsteinet-Chef, der sich öffentlich nicht zur aktuellen Situation äußern möchte: "Ihre Arbeitsverhältnisse bleiben unberührt, Ihre Gehälter sind bis einschließlich Juni durch den Staat garantiert." Man werde die Zeit nutzen, um die Existenz des Unternehmens auf Dauer zu garantieren: "Ich bin sicher, dass wir zusammen erfolgreich sein werden."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 8.(mf)

www.einsteinet.de

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