Insolvenzen 2003: weniger spektakuläre Pleiten, dafür aber umso mehr

18.12.2003
2003 gilt für Statistiker als Rekordjahr der Unternehmenspleiten. Davon waren alle Branchen in Deutschland betroffen; eine wirkliche Trendwende ist derzeit nicht in Sicht. ComputerPartner zieht ein Fazit über die bereits vergessenen, spektakulären und auch überraschenden Insolvenzen in der IT-Branche. Von ComputerPartner-Redakteurin Cornelia Hefer

Die Zahlen sind erschreckend: Creditreform schätzt die Gesamtinsolvenzen für Deutschland 2003 auf 99.800. Das wäre ein Plus von 18,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr mit 84.330. Davon waren fast 40.000 Unternehmenspleiten. Das sind 5,5 Prozent mehr als 2002 (37.620). Die gestiegene Anzahl der Insolvenzen hat nicht nur Arbeitsplätze vernichtet, sondern auch einen finanziellen Schaden für die gesamte Volkswirtschaft in Höhe von 40,5 Milliarden Euro verursacht - 2,1 Milliarden Euro mehr als im vergangenen Jahr.

Die Masse der großen und spektakulären Pleiten - mit dem entsprechenden Medienecho - von Unternehmensriesen wie Holzmann, Herlitz, Kirch-Media, Babcock und Fairchild spielte sich bereits im Vorjahr ab. Aber auch 2003 waren große Namen wie Grundig, die frühere BASF-Unternehmenstochter Emtec Consumer Media, Kettner, Aero-Lloyd oder die Hähnchenkette Wienerwald betroffen.

In der IT-Branche sieht es nicht anders aus, allerdings traf die Pleitewelle eher Hersteller aus der Hardwarebranche. Die Softwareanbieter machten durch Übernahmen und Fusionen auf sich aufmerksam (siehe Artikel auf Seite 11). Direkt Anfang Januar, bei vielen bereits in Vergessenheit geraten, musste der deutsche PC-Bauer Waibel den Gang zum Insolvenzrichter antreten. Der Anbieter von hochwertigen PCs und Notebooks hatte sich finanziell verhoben; von vielen Partnern des Unternehmens wurde das Ausscheiden mit Bedauern kommentiert.

Die IT-Branche am längsten in Atem gehalten hat wohl die Neue Elsa. Bereits auf der diesjährigen Cebit gab es viele Spekulationen von Marktkennern über das neu gegründete Aachener Unternehmen: Gehälter und Lieferantenrechnungen wurden nur noch schleppend oder gar nicht bezahlt, und damit stehe die Firma kurz vor dem Aus. So mancher fühlte sich zunehmend an die Geschichte der alten Elsa erinnert. Und, wen wundert’s, die Aachener stellten auch nicht selbst Insolvenzantrag, sondern die Techniker Krankenkasse, weil die Sozialbeiträge für die Mitarbeiter ausblieben. Erst am 10. November wurde dem Insolvenzantrag der Krankenkasse stattgegeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch wegen Insolvenzverschleppung.

Kein Glück für PC-Kette Comtech

Im Krisenjahr 2003 verschonte der Pleitegeier aber auch die so genannte deutsche Unternehmerprominenz nicht: Mobilcom-Gründer Gerhard Schmid hat ein Insolvenzverfahren über sein privates Vermögen beantragt. Als Grund gab der Manager die drohende Zahlungsunfähigkeit bei einem weiteren Wertverfall seiner Mobilcom-Aktien an. Dem Ex-Mobilcom-Unternehmen Comtech brachte dagegen der Verkauf an die Trend-E-Pak-Gruppe kein Glück. Michael Mertens, Inhaber und Gründer der Trend-E-Pak-Gruppe, kaufte sich - angeblich zum Preis von zwei Euro - 325 Mitarbeiter, 52 Filialen und jede Menge Probleme ein. Bald darauf ging ihm die finanzielle Puste aus. Nach Escom und Schadt musste wieder eine PC-Kette dichtmachen.

Ein Hersteller aus der Monitorsparte, dem man im Nachhinein ebenfalls - wie auch Mertens im Fall Comtech - Selbstüberschätzung nachsagen könnte, ist Scott. Ende 1999 feierte sich der Anbieter noch selbst als Aldi des deutschen Display-Marktes: Von null auf 100 schaffte das Unternehmen den Sprung unter die Top 3 in Deutschland. Dann setzten massiver Preis- und Margenverfall sowie ein knallharter Konkurrenzkampf ein, den nur in-ternationale Player gewinnen können. Auch die Übernahme durch Cornea Technology, einem Newcomer in der LCD-Branche, konnte das Unternehmen nicht retten. Scott Multimedia musste trotz Übernahme und Geldspritze Insolvenz beantragen.

Wirklich überraschend war dagegen die Pleite von Emtec Consumer Media. Der Speicherhersteller bewegte sich als Anbieter von CD- und DVD-Rohlingen in einem boomenden Marktsegment. Trotz gestiegener Verkaufszahlen und glänzender Absatzaussichten ging das Unternehmen Anfang September Pleite. Emtec scheiterte, weil die Firma die optischen Speichermedien zukaufen musste. Daher blieb dem Unternehmen nicht genug Geld übrig, um den drohenden Liquiditätsengpass abzuwenden.

Plötzlich und für viele Marktteilnehmer unerwartet kamen auch die Insolvenzanträge von Kindermann und Elmeg. In beiden Fällen bedeutet das aber noch nicht das Aus. Für Elmeg gibt es vier oder fünf Kaufinteressenten, heißt es in der Branche. Bisher hat aber noch keiner zugeschlagen. An schwindender Liquidität und einer zu geringen Eigenkapitaldecke scheiterten einige Systemhäuser 2003: Einsteinnet musste zwar Insolvenz anmelden, allerdings konnte das Unternehmen und die Arbeitsplätze durch die Übernahme der ECS AG gerettet werden.

Das Aus hingegen bedeutete die Pleite für Systemhäuser wie S + N Systeme (aus dem Sys-temhausverbund GFT), Via Computer - die Kölner gaben einer gescheiterten Entwicklungspartnerschaft mit Toshiba die Schuld am eigenen Untergang -, IBM-Partner Gedys AG oder Signum Data. Geschäftsführer Claus Fritschle, bis 2002 auch Frontmann der Fachhandelskooperation Connectivity, machte allerdings schnell einen neuen Laden unter dem Namen Fritschle & Friends auf.

Die längste Insolvenzliste stellen in der IT-Branche die mittelständischen Distributoren auf. Hier kamen hausgemachte Probleme, unterschätzte Risiken in puncto eigener Liquidität, Absatzeinbrüche und restriktives Vorgehen der Kreditversicherer bei ersten Anzeichen von Zahlungsschwierigkeiten zusammen. In diesem Jahr sind folgende Unternehmen aus der Distributionslandschaft - zumindest vorläufig - ausgeschieden: Monitor 2000, Komponenten-Großhändler Sky Electronics, Supply-Disti ISA Deutschland, Selling Point, Sys-temhaus und Distributor Meiringer Büro-Systemberatung, Dinotech International, Elko Computer und die T.T. Technology Trade (Nachfolgefirma von Waid C & C Technology Trade).

Prognosen für das Jahr 2004 fallen schwer. Zwar keimt das Prinzip Hoffnung hier und dort mal wieder auf, aber festlegen wollen sich Analysten und Marktforscher nicht. Laut Creditreform habe sich der Zuwachs bei den Unternehmensinsolvenzen gegenüber den beiden Vorjahren zwar abgeschwächt, von einer Trendwende will der Verband allerdings noch nicht sprechen. Denn innerhalb der vergangenen zehn Jahre hätten sich die Firmeninsolvenzen mehr als verdoppelt: von 15.148 Unternehmenspleiten 1993 auf 39.7000 im laufenden Jahr.

Tops und Flops 2003

Tops Hardware

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