Intel-Europachef Geyer: "Es sind die Anwender, die immer mehr Leistung wollen"

30.05.1997
MÜNCHEN: Weder den Hard- noch den Softwarehersteller, die immer leistungsfähigere Produkte auf den Markt werfen, macht Intel-Europa-Chef Hans Geyer für die immer kürzer werdenden Investitionszyklen für Unternehmen verantwortlich. Seiner Ansicht nach sind es gerade die Anwender, die nach immer mehr Performance lechzen. Das Interview führten die CP-Redakteure Wolfgang Leierseder und Christian Meyer.? Wen möchte Intel mit seiner neuen Prozessorgeneration eigentlich ansprechen?

MÜNCHEN: Weder den Hard- noch den Softwarehersteller, die immer leistungsfähigere Produkte auf den Markt werfen, macht Intel-Europa-Chef Hans Geyer für die immer kürzer werdenden Investitionszyklen für Unternehmen verantwortlich. Seiner Ansicht nach sind es gerade die Anwender, die nach immer mehr Performance lechzen. Das Interview führten die CP-Redakteure Wolfgang Leierseder und Christian Meyer.? Wen möchte Intel mit seiner neuen Prozessorgeneration eigentlich ansprechen?

GEYER: Unsere Kunden, die PC-Hersteller, richten sich zunächst an die kommerziellem Anwender, sowohl an kleine als auch große Firmen. Der sogenannte Home-User wird wahrscheinlich erst im August, September angesprochen werden. Der Grund ist ganz einfach: Wir fahren unsere Stückzahlen zwar so schnell wie möglich hoch, aber trotzdem ist sie anfänglich immer begrenzt. Die PC-Hersteller haben sich ziemlich einheitlich darauf geeinigt, deswegen zunächst den Business-Markt anzugehen. Das ist zweifelsohne der attraktivere Markt. Er ist sehr offen für neue High-end-Systeme, weil viele Firmen auf Windows NT umschwenken. Die brauchen dann ein Maximum an Performance.

? Wie sehen sie den von vielen Unternehmen genannten Kritikpunkt der zu hohen Marschgeschwindigkeit bei der Prozessorentwicklung mit der Folge, daß die Investitionszyklen immer kürzer werden?

GEYER: Das Interessante dabei ist, daß sich jeder wünscht, die Welt stünde still. Aber insgeheim sind alle darauf bedacht, das Neueste zu haben. Man sieht darin immer den Vorteil gegenüber dem Konkurrenten. Und viel Geld kostet die Sache zudem auch nicht. Denn es kauft sich jemand nur einen PC, wenn er ihn braucht. Wenn er ihn nicht braucht, dann kauft er eben keinen. Er kauft einen PC nicht deswegen, weil es was Neues auf dem Markt gibt, sondern deshalb, weil er einen neuen PC braucht. Und dann steht die Überlegung im Vordergrund, ob es nicht sinnvoll ist, einen High-end-PC zu kaufen. Denn die sind nicht mehr so teuer. Für 4.000 Mark bekommt man heute alles was das Herz begehrt. Wir haben also mittlerweile Preise für PCs, die für jedermann erschwinglich sind.

? Das erklärt aber nicht die immer kürzeren Investitionszyklen, die ja zweifelsohne mit viel Geld verbunden sind.

GEYER: Es kommen eben immer neue Softwarepakete auf den Markt, die offensichtlich so viele Vorteile bieten, daß sie jeder gerne hätte. So hat beispielsweise der Sprung von DOS zu Windows die Bedienbarkeit erheblich vereinfacht. Nur Windows schluckt eben eine ganze Menge Performance. Die muß mit leistungsfähigeren Prozessoren wettgemacht werden.

? Jüngste Entwicklungen bei den Motherboards zeigen auf, daß sie immer mehr Funktionalität bereitgestellen. Die Sound- und Grafikunterstützung könnten auf Dauer entsprechende Zusatzkarten überflüssig machen und selbst die integrierte Netzwerkfähigkeit scheint in Aussicht zu sein. Welche Auswirkungen hat das auf die Marktteilnehmer, die bisher mit Sound-, Grafik- oder Netzwerkkarten ihr Geld verdient haben?

GEYER: Die werden zweifelsohne gezwungen sein, sich nach einem neuen Geschäft umzusehen. Andererseits leben diese Hersteller von neuen Ideen. Noch vor einem Jahr produzierten sie 2D-Grafikkarten, heute heißt die Devise 3D. Damit will ich sagen: Heute kann der Prozessor 2D-Grafik gut unterstützen, für 3D-Grafik ist er aber immer noch zu langsam. Sobald wir diese Funktionalität unterstützen, werden sie etwas neues erfunden haben. Das gilt analog zu anderen Funktionalitäten. Und wer das nicht schafft, hat eben Pech gehabt. Das sind die Gesetze des High-Tech-Marktes. Wer zu langsam ist, ist ganz schnell raus. Der einzige, der letztlich davon profitiert, ist der Endkunde.

? Ein weiteres Standbein von Intel sind Produkte für Videokonfernzen. Wann rechnen sie denn nun mit dem seit Jahren vorhergesagten Durchbruch, denn bisher ist nichts davon zu spüren?

GEYER: Ich glaube, in einem Jahr wird man selbst im Home-Bereich nicht mehr von Videoconferencing reden. Es wird schlicht und einfach passieren. Denn mit einem MMX-Prozessor mit 166 MHz Taktrate kann man Videoconferencing über ein analoges Modem quasi umsonst machen. Alles was ich noch brauche ist eine Kamera mit einem USB-Stecker, die man bereits für 200 Mark bekommt. Gleichzeitig zu telefonieren und sich dabei zu sehen, wird bei Privatanwendern zum Standard. Im Geschäftsbereich sieht die Sache anders aus. Hier will man gleichzeitig Informationen austauschen, gemeinsam Dokumente bearbeiten und Daten transferieren. Wenn ich in einem schnellen Netzwerk arbeite, bekomme ich das ebenfalls kostenlos. Wenn also der Markt auf 100-Megabit-Netze umschwenkt, dann ist das auch hier keine Diskussion mehr. Im Moment gerät der Markt für die traditionellen Raumsysteme sicher stark unter Druck. Niemand sieht ein, sich ein 30.000-Mark-System für den Videokonferenz-Raum anzuschaffen und darüber hinaus noch drei ISDN-Leitungen zu bündeln. Das Gleiche kann man über einen PC mit einer Pro-Share-Karte und einer ISDN-Leitung auch machen. Da ist vielleicht die Bildqualität nicht ganz so gut, aber die interessiert in den allermeisten Fällen sowieso nicht. Solange die Leute einigermaßen ruhig dasitzen, ist das Bild absolut ausreichend. Und wem das nicht reicht, der kann mit der nächsten Version von ProShare auch drei oder vier ISDN-Leitungen bündeln.

? Welche Absichten verfolgt die in den USA gemeinsam mit Microsoft und Compaq ins Leben gerufene "PC-TV"-Initiative?

GEYER: Es ist ziemlich offensichtlich, daß sich Fernsehen technologisch hin zu einer digitalen Struktur entwickelt. Zudem liegen alle Inhalte, die ich mir - egal auf welchem Bildschirm - ansehe, mehr und mehr digital vor. Ob es ein Video ist, das im MPEG-Format vorliegt oder sämtlicher Content, den das Internet bietet, alles ist digital. Wenn ich digitalen Inhalt ansehen will, brauche ich aber ein Gerät, das logische Funktionen anbieten kann. Der analoge Fernseher kann das nicht leisten. Der braucht zumindest eine zusätzliche Box, die den digitalen Inhalt, der irgend woher über Kabel oder Satellit kommt, in digitale Zeichen aufbereitet. Damit stellt sich die Frage, was steht da eigentlich in Zukunft für ein Fernseher im Wohnzimmer? Ist das jetzt ein Fernseher wie wir ihn heute kennen? Oder ist das ein PC? Das ist glaube ich aber die falsche Frage. Die Frage ist: Wie sieht er aus? Er wird irgendeine Form besitzen, je nach dem, was gerade Mode ist und irgendwo an der Wand hängt oder hinter einer Schranktüre verschwindet. Ich brauche also nur einen Computer-Bildschirm zu nehmen und ihn ein bißchen verkleiden, damit er auch aussieht wie ein Fernseher. Und die Frage ist jetzt, was ist in der Kiste da drin? Da ist irgendein Computer drin, der vor sich hinrechnet. Wir glauben, daß es hierfür keine völlige Neuentwicklung braucht. Der PC wird dort hineinwachsen. Denn der hat schon alles, was dafür benötigt wird. Beim "war of eyeballs", also dem Kampf um die Gunst der Zuseher, wollen wir ganz mit vorne dabeisein.

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