Internet-Firmen zwischen hoffen und bangen

30.09.1999

MÜNCHEN: E-Commerce sorgt für leuchtende Augen in Unternehmenskreisen. Doch die Handvoll profitabler Geschäftsfelder können die vorsorglich aufgestellten Gewinntöpfe kaum füllen. Die Analystenzunft ist gespalten: Die meisten Internet-Firmen sterben, behaupten einige; andere setzen auf zwei sichere Onlineerwerbs-quellen: "Business-to-Business"-Auktionen und "virtuelle Einkaufsgemeinschaften".Die IT-Welt hält sich selbst in Atem. Intel-Senior Andy Groove hält das für ihre eigentliche Triebfeder. Stillstand mache ihr Angst.

Seitdem die kommerzielle Nutzung des Webs auf der Tagesordnung steht, hat die IT-Branche die Raserei zu ihrem gewohnheitsmäßigen Rhythmus gemacht. Das tägliche Jonglieren mit freilich noch zu realisierenden Milliardenumsätzen via Onlinegeschäfte bestimmt alle Webaktivitäten.

Wer jedoch auf das real ablaufende Onlinegeschäft blickt, sieht sich mit ernüchternden Fakten konfrontiert. Wenn auch das geschäftige Webtreiben täglich zunimmt, ist es doch nicht ausgemacht, wann sich diese Anstrengungen in klingender Münze auszahlen.

Ein viertel der Internet-Firmen wird überleben

Es ist, als sei eine gewisse Erschöpfung im Web- und E-Commerce-Taumel eingetreten. Zwar trifft zu, was angekündigt und von Marktforschern angeschoben wurde: So sind etwa Onlinebestellungen in Deutschland und mehr noch in den USA an der Tagesordnung; es werden weltweit "Time to market"-Geschäfte über das Web getätigt, Webfinanztransaktionen verhageln traditionellen Brokern das Geschäft, und Webfirmen verzeichnen märchenhafte Börsennotierungen.

Aber es trifft ebenso zu, daß so manche Analysten in absehbarer Zeit die meisten Internet-Firmen durch Erfolglosigkeit dahingerafft sehen. Internet-Analyst Henry Blodget vom Finanzhaus Merrill Lynch rechnet mit einer beispiellosen Konzentrationswelle bei Internet-Firmen. Würden sie nicht von den jeweiligen Branchenführen gekauft, verschwänden sie. Nur 25 Prozent der Firmen gibt er eine Überlebenschance. Mit gewaltigen Schwierigkeiten hätten vor allem Firmen zu rechen, die mit Endverbrauchern ins Geschäft kommen wollen. Dazu steuert Marktforscher "Zona Research" bei: Rund ein Drittel der 44 Millionen kaufwilligen Endverbraucher in den USA beenden wegen zu langsamer Leitungen ihre Webeinkaufstouren ohne Bestellung.

Virtuelle Verkaufsräume für Geschäftskunden

Firmen, die sogenannte "Business-to-Business"-Geschäfte betreiben, räumt Blodget bessere Chancen ein. Vor allem, wenn sie sich in den Bereichen ansiedeln, die den schnellen Handel zwischen Firmenein- und

-verkäufern ermöglichen, steuern die Auguren des Beratungsunter-nehmens Intercai bei. Etwa in den virtuellen Auktionsräumen, die

PC-Direktanbieter Dell in den USA gestartet hat. Unter der Adresse www.dellauction.com verscherbelt Dell seit August Alt-PCs an jedermann. Die deutsche SAP liebäugelt schon lange mit einem elektronischen Marktplatz ("Business-Portal"), in dem Zugangsberechtigte via Internet Leistungen aller Art

einkaufen.

Ebenso sollen sogenannte "Affiliate Networks", also miteinander verknüpfte Geschäftskunden und Lieferanten, demnächst den Onlineverkauf gewaltig ankurbeln. PC-Riese Compaq hat seine Distributoren in ein solches Netz eingebunden. Kunden tätigen ihre Bestellungen über die Webseiten der untereinander verbundenen Kanalpartner; Distributoren liefern die Order aus. Compaqs Aufgabe ist, den Kanal und den Firmenauftritt zu steuern. Marktforscher Gartner Group geht davon aus, daß binnen drei Jahren rund die Hälfte aller Onlineorder über "Affiliate Networks" vonstatten geht.

Angesichts solcher Perspektiven mag man das neueste Geschäftsfeld von Onlineaktionator Ebay wie einen Ausrutscher behandeln. Das Unternehmen geht daran, in den USA richtige Läden einzurichten. (wl)

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