Internet-Handelsplattformen auf dem Prüfstand

17.08.2000
Vor einer Woche hat das Bundeskartellamt angekündigt zu untersuchen, ob Plattformen für den gemeinsamen Einkauf kartellrechtswidrig sind. Hintergrund ist der spektakulär angekündigte Zusammenschluss zur Covisint, in der Daimler Chrysler, Ford, General Motors und Renault/Nissan gemeinsam den gesamten Einkauf steuern wollen. Absicht der Plattform ist, die Preise der Zulieferer weiter zu reduzieren und Beschaffungsvorgänge zu rationalisieren, führt Volker Siegel* aus.

Im Internet verfolgt das Unternehmen Covisint die Strategie einer gemeinsamen Handelsplattform von eigentlich im Wettbewerb zueinander stehenden Unternehmen. Anders ist es zum Beispiel bei BMW. Der Autobauer möchte unter anderem mit einem Energiekonzern eine gemeinsame Handelsplattform bilden. Ziel ist hier, dass der jeweils größere Nachfrager die niedrigen Einkaufspreise an den Partner der Plattform weitergibt. Da die Preise im Großhandel ohnehin nur noch geringen Spielraum nach unten lassen, scheint diese Strategie recht Erfolg versprechend zu sein.

Im ersten Fall könnte aber in Kürze das "Aus" kommen. Dann nämlich, wenn diese Art von Zusammenschlüssen für kartellrechts- widrig gehalten wird. Das entscheidende Stichwort heißt in diesem Fall "abgestimmte Verhaltensweisen": Dadurch, dass große Automobilfirmen die gleichen Bedingungen dem Einkauf zugrunde legen, könnten für die Anbieter spürbare Wettbewerbsnachteile entstehen.

Das Kartellamt ist sich in seiner Vorgehensweise noch nicht sicher. Insbesondere ist unklar, ob die Plattformen hinreichend Wettbewerb zulassen oder zu einem "closed Shop" werden, der den Wettbewerb verzerrt.

Daher sucht es den Dialog mit Verbänden und der Industrie. Es soll geklärt werden, inwieweit Marktbehinderungen durch diese Art von Marktplätzen bestehen. Für die einzelnen Händler und IT-Unternehmen sowie Dotcoms ist es jetzt an der Zeit, darüber nachzudenken, welche Politik sie im Einzelnen verfolgen (wollen). Adressaten für Einflussnahme sind neben dem Bundeskartellamt auch die Wirtschaftsverbände.

Diese Vorgehensweise ist bei neuen Geschäftsmethoden und bislang nicht untersuchten Vorfällen für das Kartellamt üblich. Ziel ist es ja, eine möglichst praxisnahe und am Wirtschaftsgeschehen orientierte Vorgehensweise zu finden. Daher können Interessierte auch durchaus damit rechnen, durch aktive Teilnahme gehört zu werden.

Kartellverbote

Ziel der Kartellämter ist es, den freien Wettbewerb aufrechtzuerhalten. Sie versuchen daher, abgestimmtes Verhalten gegenüber Nachfragern bei Gefährdung dieses Ziels zu verhindern. Die Kartellämter untersuchen dabei vor allem folgende Verhaltensweisen von Unternehmen:

- Kartellvereinbarungen, Kartellbeschlüsse und abgestimmtes Verhalten

- Vertikalvereinbarungen

- Marktbeherrschung und wettbewerbsbeschränkendes Verhalten

- Verstoß gegen Wettbewerbsregeln

Die Kartellämter haben schon zahlreiche spektakuläre Verbote ausgesprochen, aber auch umstrittene Maßnahmen wie die jüngsten Großfusionen erlaubt. Verboten sind laut Kartellamt nicht nur lockere Zusammenschlüsse von Unternehmen, wie oben gezeigt, sondern beispielsweise auch bestimmte Varianten des Franchising.

Verfahren vor dem Kartellamt

Für deutsche Unternehmen sind mehrere Kartellämter zuständig, das Bundeskartellamt und die jeweiligen Länderkartellämter sowie deren Pendant bei der EU. Diese wachen über das Markt- geschehen mit dem Ziel, den freien Wettbewerb im Wirtschaftsleben aufrechtzuerhalten. Daher nehmen sie immer dann von selbst Ermittlungen auf, wenn sie glauben, der freie Wettbewerb werde behindert. Wettbewerber, die sich benachteiligt fühlen, können ebenfalls die Kartellämter anrufen. Gegen Beschlüsse des Bundeskartellamts ist der ordentliche Rechtsweg durch Beschwerde vor dem OLG zu beschreiten.

Weiterhin sind bestimmte Zusammenschlüsse vom Kartellamt zu genehmigen (Beispiel: Fusion der Daimler Benz AG und der Chrysler Ltd; dabei war zusätzlich die US-Kartellbehörde zuständig). In derartigen Fällen müssen die Unternehmen, die sich zusammen- schließen wollen, einen Antrag beim zuständigen Kartellamt stellen.

www.bundeskartellamt.de

* Volker Siegel ist Rechtsanwalt in München. E-Mail: v.f.siegel@gmx.de

Abgestimmte Verhaltensweisen

Kartelle und vertikale Vereinbarungen

Das GWB verbietet in § 1 Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, wenn diese geeignet sind, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Insbesondere zwei Typen sind hierbei zu beachten: Kartelle und vertikale Vereinbarungen.

Ein Kartell ist ein Zusammenschluss wirtschaftlicher Unternehmungen der gleichen Wirtschaftsstufe zur Beeinflussung des Wettbewerbs: Auf der gleichen Fertigungsebene stehende Unternehmen beziehen von Anbietern Waren gleicher Art. Kartelle gibt es sowohl auf Einkäufer- als auch auf Verkäuferseite. Ein klassisches Kartell auf Verkäuferseite ist die Opec. Eine vertikale Bindung ist eine Wettbewerbsbeschränkung, die von einer Wirtschafsstufe auf die nachfolgende übergreift, wie zum Beispiel vom Hersteller zum Händler. (Volker Siegel)

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