Internet-Radio unter Linux

13.06.2002
Dass man auch mit geringem Aufwand ein erfolgreiches Projekt durchziehen kann, beweist das Engagement von Spacenet bei Antenne Bayern. Für gerademal 5.000 Euro brachte der Serviceprovider eine bandbreitensparende Streaming-Lösung in Betrieb.

Insgesamt vier Monate dauerte die Testphase, dann war es schließlich so weit: Bayerns größter privater Hörfunksender Antenne Bayern startete seinen Sendebetrieb fürs Internet im Multicast-Modus. Bis zu diesem Zeitpunkt musste der Server jede Anforderung eines Websurfers einzeln bearbeiten und ihm jedesmal Audio-Stream neu schicken. Damit diese Audiodatei wiederum am PC des Online-Besuchers in einwandfreier Qualität empfangbar ist, muss sie jedesmal mit einer Datenrate von 44,1 Kbit/s gesendet werden. Die Folge: Bereits 100 Radiohörer im Internet verursachen eine Belastung des Servers mit 4,41 Mbit/s.

Dass dies keine besonders intelligente Lösung ist, liegt auf der Hand. Deshalb empfahl der mit der Internetpräsenz von Antenne Bayern betraute Dienstleister Spacenet einen Sendebetrieb im Multicast-Modus.

Dabei verschickt der Sender die Daten nur einmal, unabhängig davon, wie viele Hörer diesen Audio-Stream anfordern. Auf dem Weg zum Hörer reproduzieren Router beim Webhoster den Datenstrom und leiten ihn an die einzelnen Browser weiter.

Das entlastet den eigentlichen Streaming-Server enorm: Für einen einzelnen MP3-Stream reduziert sich die zum Versenden nötige Bandbreite auf 96 Kbit/s, und das, wie bereits erwähnt, unabhängig davon, ob zehn, 100 oder 1.000 Online-Besucher diese MP3-Datei anfordern.

Das wiederum stellt keine allzuhohen Anforderungen an die mit der Stream-Erzeugung beauftragte Server-Hardware. So begnügt sich Spacenet hier mit einem Intel-Pentium-P2-basierenden PC. Angetrieben mit 450 MHz und mit gerade- zu lächerlichen 64 MB Arbeitsspeicher ausgestattet, verrichtet dieser Mini-Server seine Arbeit einwandfrei. Der Grund hierfür liegt ebenfalls auf der Hand: Das ausgewählte Betriebssystem ist Linux, genauer gesagt die Mandrake-Linux-Distribution 8.1 mit der Kernel-Version 2.4.8-12mdk.

Alter Rechner mit neuen Aufgaben

Die nackte Hardware stammt von Spacenets Haus- und Hoflieferant Inotronic aus München. Dieser hat den oben erwähnten Rechner bereits vor drei Jahren ausgeliefert und mit einer simplen D-Link-Netzwerkkarte mit Digitals 21040-Chip ausgestattet. Eine Western-Digital-IDE-Festplatte, ein Atapi-CD-ROM-Laufwerk sowie die einfachste VGA-Grafikkarte waren ansonsten alles, womit das Systemhaus den Rechner damals bestückte.

Damit nun dieser Uralt-PC als Streaming-Server arbeiten konnte, musste er lediglich mit zwei Soundkarten versorgt werden. Spacenet entschied sich für die PCI-Boards von Ensoniq. "Vor dem Kauf dieser Komponenten haben wir uns gründlich informiert und herausgefunden, dass das Modell 1317 gut mit Linux zusammenarbeiten soll", erinnert sich Gert Döring, der in das Projekt involvierte Mitarbeiter von Spacenet.

"Die erste Karte verrichtete auch sofort ihre Arbeit, nur mit der Anbindung der zweiten haperte es anfänglich", so Döring gegenüber ComputerPartner. Doch die Spacenet-Techniker bekamen auch dieses Problem in den Griff. Allerdings erforderte es einige Kunstgriffe an der Software, die aus dem Radiosignal einen Audio-Stream erzeugt. Dabei handelt es sich um den RTP-Patch (Realtime Transport Protocol) für den MP3-Encoder "Lame 3.70" und den "Mannouncer 1.1.2", eine Anwendung, die so genannte "Session Announcements" verschickt, also bekannt gibt, dass wieder ein Audio-Stream verschickt werden soll. Die hierfür notwendigen MP3-Dateien erzeugt Lame 3.70 aus dem Radiosignal selbst.

Etwas länger in Anspruch genommen als vorausgesehen hat ferner die Inbetriebnahme der Kabel-Receiver beim Dienstleister. Denn es war nicht vorgesehen, in den altersschwachen Linux-PC noch einen zusätzlichen Radioempfänger einzubauen. Die Digitalisierung des Radiosignals besorgen nun die erwähnte Kabel-Receiver, die diese Daten anschließend zu den Soundkarten im Linux-Rechner weiterleiten (siehe auch schematische Skizze "Multicasting bei Antenne Bayern").

"Intelligente" Router helfen Bandbreite sparen

Damit nun der Linux-Server nicht andauernd mit MP3-Stream-Anforderungen bombardiert wird, müssen die Router beim Serviceprovider diese Anfragen bereits im Vorfeld abfangen. Alle mittelstarken Spacenet-Geräte können nämlich im Multicasting-Betrieb werkeln. Ausgerüstet mit der Softwareversion 12.0S verstehen die dortigen Cisco-Router nicht nur mit dem PIM-SM-Standard (Protocol Independent Multicast-Sparse Mode) umzugehen, sondern auch mit den Routing-Varianten MSDP (Multicast Source Distribution Protocol) und MBGP (Multicast Border Gateway Protocol).

Damit erkennen diese Router, dass sie die Anforderung eines Audio-Streams nicht direkt an den Webserver weiterleiten dürfen, sondern die gewünschten Daten selbst ausliefern oder den HTTP-Request an einen anderen Provider umleiten, der diese Audiodateien mit einer weit höheren Leistung als der Webserver selbst übertragen kann.

www.linuxtv.org; cdt.luth.se

www.emu.com

ComputerPartner-Meinung:

Hardwareanschaffungen für 2.000 Euro sowie Dienstleistungskosten in Höhe von 3.000 Euro - die Umstellung der Audio-Stream-Versendung bei Antenne Bayern auf den Multicast-Betrieb hat den Kunden wahrlich nicht viel gekostet. Möglich war dies durch die kostenlose Software zum MP3-Decodieren und "Verstreamen" der Audiodateien.

Aber auch der Dienstleister Spacenet spart Kosten - statt eines Highend-Servers verrichtet eine billige Linux-Maschine die ganze Arbeit. Hier fallen ebenfalls keine Lizenzgebühren an. Und Router, die MP3-Streams vervielfältigen, sind bereits bei Spacenet in Betrieb, die entsprechende Funktion musste nur noch freigeschaltet werden. (rw)

Solution Snapshot

Kunde: Antenne Bayern Hörfunkanbieter GmbH & Co. KG, Münchner Str. 101C, 85737 Ismaning, www.antenne.de, Ansprechpartner: Jan Roth, Tel.: 089/99 27-159, Fax: 089/99 27 788, E-Mail: jan.roth@antenne-bayern.de

Problemstellung: Das Internet-Radio-Angebot von Antenne Bayern und Rockantenne sollte auf Multicast-Betrieb umgestellt werden. Das Projekt hatte zum Ziel, Audio-Streams an viele Teilnehmer mit möglichst geringer Bandbreitenanforderung beim Sender und dementsprechend geringen Kosten effizient zu verbreiten.

Lösung: Hardware: PC, Intel Pentium P2, 450 MHz, 64 MB RAM, zwei Ensoniq-1317-Soundkarten; Software: Mandrake Linux 8.1 mit Kernel 2.4.8-12mdk, RTP/Lame 3.70, Mannouncer 1.1.2; Netzumgebung: Cisco-Router mit PIM-SM/MSDP/MBGP Multicast-Routing.

Hardwarelieferant: Inotronic Computers GmbH, Pfälzer-Wald-Str. 70, 81539 München, www.inotronic.de, Ansprechpartner: Oliver Still, Tel.: 089/43 90 07-0, Fax: 089/43 90 07-41, E-Mail: info@inotronic.de

Dienstleister: Spacenet AG, Joseph-Dollinger-Bogen 14, 80807 München, www.space.net, Ansprechpartner: Gert Döring und Christian Brunner, Tel. 089/323 56, Fax: 089/323 56-299, E-Mail: info@space.net

Kontaktaufnahme: Bestehendes Kundenverhältnis (Server-Hosting für WWW-Auftritt)

Verhandlungsdauer: rund vier Wochen

Testphase: vier Monate

Inbetriebnahme: April dieses Jahres

größte Herausforderung: Linux mit mehreren Soundkarten laufen zu lassen;

Installation der nötigen Software zur Multicast-Generierung

länger in Anspruch genommen als vorausgesehen hat: Inbetriebnahme der Kabel-Receiver zur Einspeisung des Radiosignals in den Linux-Rechner

Implementierungsdauer: eine Woche

Arbeitsleistung des Dienstleisters: 16 Mannstunden

Kostenumfang des Projekts: 2.000 Euro für die Hardware, 3.000 Euro für den aufgewendeten Service

Service- und Wartungsverträge: Wartung im Rahmen des normalen Server-Hostings bei Spacenet-Vertrag "WAN Ultra"

Schulung: ja, Kurzeinführung in Multicast-Routing; Dauer: zwei Stunden

Benefit für den Kunden: Bandbreitenersparnis bei gleichzeitig besserer Audio-Qualität, damit einhergehend Kosteneinsparung.

Benefit für den Dienstleister: Verbesserung des Know-how im Bereich "automatisiertes Streaming von Multicast-Angeboten"; Alleinstellung im Markt; externe Demonstrationen möglich

Zur Startseite