Internet und TV: zwei feindliche Galaxien

11.09.2000
Die Synergie zwischen Internet und Fernsehen ist derzeit nur eine Zukunftsvision, sagen die Forit-Marktforscher. Während die Dominanz des Internet steigt, stolpere das Fernsehen eher ziellos in Richtung Digitalisierung.

Die Bedeutung des Internet steigt, während "der schlafende Gigant" Fernsehen noch ziellos ins digitale und interaktive Zeitalter stolpert. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die Forit Internet Research GmbH in ihrer aktuellen Marktstudie "Breitband-Internet versus Smart-TV: Wer gewinnt die Massen?". Befragt wurden Experten aus Unternehmen und Verbänden der hierfür relevanten Wirtschaftsbranchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die fünf zentralen Ergebnisse der Studie:

1. Internet und TV werden bis auf weiteres als zwei getrennte Welten nebeneinander existieren. Echte Interaktivität bietet nur das Internet. Für die zukünftige Entwicklung des interaktiven Fernsehmarktes ist das Internet als Grundlage von zentraler Bedeutung.

2. Entscheidend für ein vielfältiges multimediales Angebot in Fernsehen und Internet ist auch die Einrichtung eines Breitbandnetzes mit Rückkanal. Sowohl Telekommunikations-Unternehmen als auch Kabelnetzbetreiber werden damit zu den Gewinnern der Auseinandersetzung zwischen TV und Internet gehören.

3. Öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender stehen unter starkem Druck aus dem Internet. Sie müssen schnellstens lernen, ihre Programmangebote mit eigenen Internet-Auftritten zu verbinden, um neue Kundenschichten anzusprechen.

4. So genannte Programmbündler, vornehmlich große Online-Dienste mit Entertainment-Programm, werden künftig das beste aus Filmen, Spielen, Information und Dienst-leistungen liefern.

5. Filme auf Abruf aus dem Internet entziehen den Videotheken mehr und mehr ihre Geschäftsgrundlage.

Die Zukunft liegt im Breitbandnetz

Der entscheidendste technologische Schritt auf dem Weg zu einem hochleistungsfähigen multimedialen Angebot im Fernsehen und Internet bestehe aber eindeutig darin, ein Breitbandnetz mit Rückkanal zu schaffen, meint ForitAnalyst Christian Lipski. Der Marktforscher geht davon aus, dass sich die Zahl der Breitbandanschlüsse in Deutschland von derzeit 180.000 auf 9,2 Millionen im Jahr 2005 erhöhen wird.

"Mit dem wachsenden Angebot günstiger Breitbandanschlüsse ü-ber die Telefonleitung oder das Kabelnetz entwickeln sich Online-Dienste zur echten Konkurrenz für die TV-Unterhaltung", erklärt Marktforscher Lipski.

Bereits heute würden über 21 Millionen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz das Internet nutzen. Bis zum Jahr 2005 werden sich diese Zahlen mehr als verdoppeln, glauben die Analys-ten. Vor diesem Hintergrund hätten vor allem Online-Dienste große Chancen, sich im Entertainment-Markt Fernsehen zu positionieren: Mit Hilfe von Benutzerprofilen könne ein individueller Korb von Unterhaltung, Dienstleistung und Informationen zusammengestellt und damit eine optimale Mischung aus Internet und Fernsehen angeboten werden. Forit rechnet in diesem Zusammenhang mit einem Wachstum des Programmmarktes in Deutschland, Österreich und der Schweiz von derzeit etwa 9,5 Milliarden Euro auf annähernd 25 Milliarden Euro im Jahr 2005.

Fernsehsender geraten unter Druck

Durch stagnierende Gebühreneinnahmen, downloadbare Filme aus dem Internet und abnehmende Werbeeinnahmen würden sowohl öffentliche als auch private Fernsehsender zunehmend unter Druck geraten. Um zu überleben, müssten die Sendeanstalten schnell eigene Internet-Kompetenz aufbauen und sich am Beispiel der Online-Portale zum integrierten Programmbündler entwickeln. Dafür würden strategische Allianzen mit kreativen Online-Anbietern genauso notwendig sein wie der aggressive Kauf und Verkauf von Programminhalten. Pay-TV-Sender würden nur dann eine Chance haben, so die Analysten, wenn es ihnen heute gelinge, durch Sonderkonditionen und freie ZugangsHardware die Kunden von morgen zu gewinnen und an sich zu binden.

Während die Forit-Analysten Fernsehsendern noch gute Überlebenschancen einräumen, sehen sie keinen Markt für E-Commerce via TV: "E-Commerce ist und bleibt die Domäne des Internet. Passive Fernsehkonsumenten und Couch-Potatoes lassen sich nicht einfach in aktive E-Shopper verwandeln", resümiert Christian Lipski. Für Videotheken wird gar das letzte Stündlein durch Filmabrufe aus dem Internet schlagen. (mf)

www.forit.de

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