"Internet World": Erfolgsdruck, reale Geschäfte, Aufmunterung

06.02.2000
Mitten im Sinkflug der Hightech-Börsen stellten sich 566 Aussteller der Internet World drei Tage lang dem Ansturm der Interessenten. 45.000 Besucher kamen. Sie fanden in den vier Hallen die Branche im anregenden Stimmungstief vor.

Es hätte so schön in Berlin sein können. Noch vor drei Monaten. Damals drohte die zum zweiten Mal in Berlin stattfindende Internet World, alle Buchungsgrenzen zu sprengen, erzählt ein Messekundiger. E-Business-Unternehmen aller Schattierungen hatten sich angesagt. Damals, als das Internet noch märchenhafte Gewinne versprach...

Doch seit Mitte März verbindet das ökonomische Gedächtnis mit Online-Märkten, E-Business und Dotcom-Companys nur mehr fallende Börsenkurse. Da aber der Anspruch auf sofortige Aktiengewinnen bleibt, droht man damit, der Nasdaq und dem Nemax den Laufpass zu geben.

Auf der Online-Messe Internet World wurden schließlich 566 Aussteller vorstellig. Nein, dementiert Elfi Orterer vom Aussteller Comunic auf der Messe kursierende Gerüchte, "es haben keine Aussteller abgesagt". Und von den 75.000 vorregistrierten Besuchern "kommen erfahrungsgemäß 60 bis 70 Prozent", sagt sie auf der Messe. Es kamen schließlich zirka 45.000, doppelt so viele wie 1999.

Mit diesen hatten die Aussteller, in vier Hallen ohne deutliche Schwerpunkte verteilt, genug zu tun. Denn das Fachpublikum war vielen Ausstellern zufolge vor allem nach Berlin gekommen, um die Vielzahl der E-Commerce-Produkte zu begutachten. "Man macht hier wenig direkte Geschäfte, sondern knüpft Kontakte, schaut sich die Firma an, mit der man Geschäfte machen möchte", resümierte ein Aussteller am Abend des ersten Tages.

Von unterzeichneten Verträgen war seiner Meinung nach auf dieser Internet World nicht die Rede. Sondern davon, wie die vielen, meist kleinen Firmen "den Weg in den Markt finden. Auch wenn wir mit dem, was wir tun, traditionelle Geschäftsmodelle aus den Angeln heben, werden wir jetzt an diesen Modellen gemessen. Und das heißt: Haben wir genügend Consulting und Vertriebspower, haben wir Leute, die unsere Software installieren können?" Er hat Recht.

Was die dringend Mitarbeiter suchenden Online-Anbieter von B2B und B2C weiterhin bewegte, war, nun "herauszubekommen, wie man einen Weg in den Markt findet", sagte Dieter Seipt, Geschäftsführer des Ismaninger Netzwerk-Distributors Seicom. Er war als einziger Distributor nach Berlin gekommen, und auch er wollte lernen, "was die Firmen beschäftigt".

Zum Beispiel, dass, wer mit Dotcoms Geschäfte machen will, schnell sein muss. Und dass man sich "genau überlegen muss, mit wem man Geschäfte macht. Denn der Branche steht eine Konsolidierung bevor", meinte Harald Zapp, der für Netzwerker Cisco das Terrain sondierte. Brutaler drückte das ein Messebesucher aus. "E-Commerce-Anbieter müssen jetzt im Markt beweisen, dass sie nicht nur aus einem Punkt beziehungsweise einem Produkt bestehen." Er hatte zwar die Software gefunden, die er suchte, weshalb er begrüßte, dass die Messe ein eigenes, nicht im Cebit-Wahnsinn unbeachtet vor sich hin strudelndes Forum "für Startups und fast schon und Etab-lierte" anbot. Aber er war sich dennoch nicht sicher, ob er auf die Firma setzen sollte.

Ermutigung

Seine Zweifel kamen Michael Moon, amerikanischer E-Kommerz-Guru und folglich in letzter Zeit gefragter Podiums-Diskutant in Europa, recht bekannt vor. "Typisch für Europa!", stöhnte er. "Jetzt kommt es darauf an, dass man sich in Deutschland nicht entmutigen lässt, sondern sich daran macht, Produkte und Konzepte umzusetzen", schlug er vor.

Doch dazu bräuchten viele Aussteller das Vertrauen der Kunden in die so genannte "neue Ökonomie".

Davon spürten sie an den drei Tagen herzlich wenig. (wl)

www.internetworld-messe.de/ messe.2000

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