Interview mit annedore liebs

26.11.1998

Geilenkirchen: Der Beginn von Telearbeit bedeutet für den Heim-arbeiter einen gravierenden Einschnitt sowohl in das Berufs- als auch das Privatleben. Nur selten verläuft der Einstieg in diese neue Arbeitsform ohne Spannungen. ComputerPartner-Mitarbeiter Ulrich Kramer sprach mit Annedore Liebs von der TA Telearbeit GmbH über die sozialen Aspekte der Telearbeit.

Welche Grundvoraussetzungen müssen gegeben sein, damit das Experiment "Telearbeit" gelingen kann?

LIEBS: Wichtige Grundvoraussetzungen können zum Beispiel Aspekte wie das Prinzip der Freiwilligkeit der Teilnahme an einem Telearbeitsprojekt oder die Möglichkeit zur flexiblen Zeiteinteilung sein. Aber auch eine reibungslose Kommunikation und Information von Telearbeitern und Nicht-Telearbeitern ist eine wesentliche Voraussetzung. Die aus meiner Sicht wichtigsten Voraussetzungen sind jedoch Akzeptanz und Vertrauen - sowohl im Unternehmen (der Vorgesetzte, die Kollegen), aber auch im privaten Umfeld (Familie, Freunde und Nachbarn)

Wie kann man Arbeit und Familienleben unter einen Hut bringen?

LIEBS: Telearbeit wird oftmals als die Lösung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesehen. Diese Beurteilung der Telearbeit ist sicherlich nicht zu verallgemeinern. Sicherlich bietet diese Arbeitsform eine wichtige Voraussetzung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern zu können. Man sollte sich aber nicht dem Trugschluß hingeben, daß die Arbeit im häuslichen Umfeld zeitgleich mit der Kinderbetreuung möglich wäre.

Das Bild, das oftmals in der Öffentlichkeit verwendet wird, wonach eine Mutter ihr Kind auf dem Arm hat und gleichzeitig streßfrei beruflich telefoniert, spiegelt kein realistisches Bild von Telearbeit wider. Die Möglichkeit, Telearbeit zu praktizieren, erlaubt es aber den Erziehenden, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Das heißt, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wird eine große örtliche und zeitliche Flexibilität eröffnet, die sowohl die Interessen und Anforderungen des familiären als auch des beruflichen Umfeldes in Einklang bringen kann.

Viele Heimarbeiter klagen darüber, daß sie sich nie richtig im Büro, nie richtig zu Hause fühlen. Welche Empfehlungen können Sie ihnen geben?

LIEBS: Durch Telearbeit wird die Grenze zwischen Job und Freizeit ein Stück weit "aufgeweicht". Die Möglichkeit, zu jeder Tages- und Nachtzeit arbeiten, Ergebnisse beziehungsweise Ideen produzieren und nahezu rund um die Uhr mit Kollegen in Kontakt treten zu können, führt in manchen Fällen zu einem unguten Gefühl, nicht richtig abschalten zu können und die Trennung zwischen Privat- und Berufsleben nicht vollziehen zu können. Hier können aber einfachste Maßnahmen zu einer gesunden Trennung der zwei Bereiche führen.

So kann eine klare räumliche Trennung, zum Beispiel ein räumlich abgegrenztes Arbeitszimmer, schon helfen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, am Telearbeitsplatz durch die Wahl der Kleidung eine bewußte Trennung zum Privatleben herzustellen. Überspitzt gesagt, ist es nicht unbedingt vorteilhaft, sich im Jogginganzug an seinen Telearbeitsplatz zu begeben und zu arbeiten. Dies würde man schließlich auch nicht tun, wenn man ins Büro gehen müßte. Eine gute Koordination von Freizeit- und Arbeitsleben hängt auch von den vereinbarten Zielen und zu erarbeitenden Ergebnissen direkt ab. Um die Selbstausbeutung und ständige Überlastung zu vermeiden, ist eine realistische Zielvereinbarung hinsichtlich Inhalten und Terminen der Arbeit von großer Bedeutung.

Nicht alle Mitarbeiter eignen sich gleichermaßen für die Telearbeit. Wem würden Sie eher die Fortsetzung der "normalen" Bürotätigkeit empfehlen?

LIEBS: Nicht alle Mitarbeiter sind für Telearbeit geeignet, und - das darf nicht vergessen werden - nicht alle Mitarbeiter wollen Telearbeit machen. Wichtige Kriterien, an denen sich die Mitarbeiter selbst messen sollten, sind die folgenden:

- Kann und werde ich mich selbst managen können?

- Kann und werde ich mich selbst motivieren können?

- Habe ich eine gute Arbeitsbeziehung mit meinem Manager?

- Habe ich eine angemessene Arbeitsumgebung zu Hause?

- Kann ich Störungen durch die Familie vermeiden?

- Habe ich Vorkehrungen zur Pflege (Kinder, Pflegebedürftige) getroffen?

- Kann ich Versuchungen widerstehen?

- Kann ich ohne die täglichen persönlichen Kontakte des Büros auskommen?

- Fällt es mir leicht, meinen Arbeitsplatz und -ort öfters zu ändern?

Diese Fragen sollte sich jeder Mitarbeiter persönlich stellen und für sich ehrlich beantworten, da die persönliche Nichteignung zu hohen Frustrationspotentialen für alle Beteiligten führen kann, wenn Telearbeit trotz dieser erkannten Nichteignung praktiziert wird.

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