Interview mit dem neuen Vobis-Chef Joachim Gut

20.08.1998

WÜRSELEN: Schneller als von vielen erwartet, legt der frischgebackene Vobis-Vorstandsvorsitzende Joachim Gut ein neues Unternehmens- und Sanierungskonzept vor. Neben der Abgabe der PC-Assemblierung an Maxdata lauten die wesentlichen Eckpunkte: zügiger Ausbau der Superstores, Umwandlung der Filialen in Franchise-Betriebe und Stärkung des Unternehmertums vor Ort. Im Gespräch mit ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking erläutert Gut seine Strategie.

Herr Gut, Ihr Amtsvorgänger Gert Hügler begründete sein Ausscheiden Ende Juli damit, daß es in der neuen Gruppenkonstellation eine

Position mit seinen bisherigen Verantwortlichkeiten nicht mehr geben werde. Was ist damit gemeint?

GUT: Nach Abschluß des Verkaufes unserer Unternehmensgruppe an die CHS ist eine Separierung der Unternehmensteile Vobis, Maxdata und Peacock geplant. Somit wird die Vobis-Gruppe mit der zentralen Führungs- und Holding-Funktion der AG in der bisherigen Form nicht weiter bestehen.

Die PC-Fertigung soll bei Maxdata aufgehängt werden. Wird Vobis damit ein reinrassiges Handelsunternehmen?

GUT: Ja, das kann man so sagen.

Ist mit dieser Neupositionierung auch eine Änderung der Gesellschaftsform verbunden?

GUT: Es wird in dem heutigen Verbund im Zuge der Separierung gesellschaftsrechtliche Veränderungen geben, die aber in der Prüfung sind. Inwieweit davon die Rechtsform der AG betroffen sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar.

Der designierte Vobis-Aufsichtsrats-Chef Volker Lampatz kündigte an, daß Vobis 1999 bereits wieder profitabel sein werde. Wieviele Mitarbeiter werden Sie entlassen?

GUT: In der heutigen Vobis AG werden nach jetzigem Stand 130 Stellen gestrichen, das hängt im Wesentlichen auch mit der Veränderung der Aufgaben der zukünftigen AG zusammen. Es werden aber auf der anderen Seite weitere Arbeitsplätze im Bereich Produktion am Standort Würselen entstehen. So wie auch weitere Arbeitsplätze in zukünftig zu eröffnenden Superstores.

Werden Sie Filialen schließen?

GUT: Die Schwerpunkte der Restrukturierung auf der Marktseite sehen wir darin, das Unternehmertum zukünftig stärker zu fordern. Das heißt, wir werden die heutigen Filialen überleiten in das erfolgreich eingeführte Franchise-System. Weiter werden wir bis Ende 1999 zirka fünfunddreißig zusätzliche Superstore-Standorte in Deutschland eröffnen.

CHS-Chef Helmut Schmidt versprach, daß die Vobis-Läden schon bald wieder brummen würden. Das kann man auch so verstehen, daß dies derzeit nicht der Fall ist.

GUT: Unsere Läden machen heute schon ein sehr, sehr gutes Geschäft.

Wenn wir das Ergebnis rein von der Vertriebsseite deutschland- und europaweit sehen, haben wir uns in dem harten Wettbewerb hervorragend behauptet, so daß wir sagen können, daß wir gut positioniert sind.

Auch die Spannenentwicklung ist im laufenden Geschäftsjahr sehr positiv. Sieht man jedoch das Ergebnis speziell im ersten Quartal, so liegen wir dort unter Vorjahr, woraus wir natürlich den Rückschluß ziehen, daß wir hier Kostenproblematiken haben, die wir im Zuge unserer Restrukturierung und Sanierung reduzieren müssen, um die Vobis AG 1999 wieder in eine Umsatzrentabilität zu führen.

Welche Zahl schwebt Ihnen da vor?

GUT: Wir streben in 1999 eine zwei- bis dreiprozentige Umsatzrendite an.

Wo genau befinden sich eigentlich die Verlustlöcher, die Sie zu stopfen haben?

GUT: Ich denke, daß wir hier zwei ganz große Bereiche sehen müssen. Das eine ist die heutige Headquarter-Funktion, die in der Vergangenheit neben dem Einzelhandel weitere Funktionen wahrgenommen hat: ab Ende 1997 eine Gruppenfunktion im Bereich Einkauf und Produktion. Und vor allem auch eine Holding-Funktion für die ehemalige Unternehmensgruppe. Dies hat zu einer Intransparenz der Geschäftsabläufe geführt.

Den zweiten Schwerpunkt sehen wir im zukünftigen Warenmanagement. Wir erhoffen uns durch weitere Zentralisierung in diesem Bereich, unsere Warenbestände besser managen zu können, unsere Lagerumschläge zu erhöhen und so letztendlich die Basis für die genannte Umsatzrendite zu schaffen.

Stimmt es eigentlich, daß Vobis in den letzten Jahren zum Teil erheblich teurer eingekauft hat als einige Ihrer Wettbewerber?

GUT: Dazu kann ich nur sagen, daß ich bei der Übernahme der Zentralfunktion Einkauf Ende 1997 im einen oder anderen einzelnen Fall mit Erstaunen festgestellt habe, daß das Konditionsgefüge nicht mehr optimal war. Heute verfügt unsere Gruppe aber über weltweite exzellente Einkaufskonditionen und Vertragsvereinbarungen mit den Herstellern.

Die Postionierung von Vobis im letzten Jahr als "PC-Discounter mit Fachhandelsqualität" ist auf erhebliche Skepsis in der Branche gestoßen. Würden Sie sagen, daß es ein Schritt in die richtige Richtung war?

GUT: Wenn wir die Veränderung gerade im Kaufverhalten und auch im Konsumer-Geschäft sehen, war dies ein richtiges Signal. Das heißt, wir müssen hier auch in Zukunft eine weitere Differenzierung zu unseren Wettbewerbern finden, um hier mit "Preis-Plus und näher dran" dem Endkunden ein Leistungssortiment anbieten zu können, das er bei seinen Wettbewerbern nicht bekommen kann. Wir werden auch in Zukunft diesen Weg konsequent weiter verfolgen, werden aber auch in Anspruch nehmen, weiter die richtigen Preispunkte im Markt setzen zu wollen.

Streben Sie die Preisführerschaft an?

GUT: Vor dem Hintergrund der Aktivitäten etwa der Fooddiscounter ist dies fast unmöglich. Aber: Mit den Synergien aus dem gesamten Unternehmensverbund wollen wir aggressiv im Preis am Markt sein, um so die richtigen Antworten zu finden.

Einige Filialen oder Superstores wie etwa in München bieten neuerdings auch klassische Systemhausleistungen an. Ähnliches hatte Vobis bereits früher mal versucht mit den Systemhauspartnerschaften und einer eigenen Rechnerlinie Highpaq. Dieser Versuch mißlang damals. Wieso glauben Sie, daß es heute besser funktionieren wird?

GUT: Wenn wir an unseren Superstore-Standorten die Möglichkeit haben, im regionalen Einzugsgebiet additive Leistungen anzubieten, also auch semiprofessionelle Anwender und kleinere Gewerbetreibende mitzu-versorgen, dann ist das sinnvoll. Aber unser Schwerpunkt ist der Computer-Einzelhandel an private Endkunden.

Der gewerbliche Computer-Anwender ist für Sie also kein Zielkunde?

GUT: Richtig. Unser Zielkunde ist der private Anwender.

Sie wollen die Anzahl der Super-Stores von derzeit 36 auf 70 bis 80 mit einer Fläche zwischen jeweils 8.000 und 10.000 Quadratmetern kräftig ausbauen. Hat der herkömmliche Vobis-Shop ausgedient?

GUT: Ich würde es nicht so formulieren wollen, daß der klassische Vobis-Shop ausgedient hat. Wir sehen aber die Tendenz, daß in den nächsten Jahren die Großfläche an Attraktivität gewinnen wird, gerade im Zuge der Änderung des Kaufverhaltens der Konsumer, so daß wir diesen Schwerpunkt ausbauen wollen. Der zweite Schwerpunkt, den wir

setzen, ist das Franchise-Konzept, weil hier vor Ort individuelle Lösungen durch die Unternehmer im regionalen Umfeld gefunden werden, die letztendlich zu einer positiven Mischung aus traditionellem Einzelhandelsgeschäft und Fachhandelsgeschäft führen.

Planen Sie in den Superstores auch eine Erweiterung des

Warensortiments?

GUT: Das ist so nicht geplant. Wir denken eher darüber nach, unsere Sortimente im Sinne des Kunden mehr zu straffen. Wir wollen aber über das Unternehmermodell vor Ort mehr Flexibilität an den Point of

Sales bringen, so daß hier individuell eine Sortimentsgestaltung für den regionalen Markt gefahren werden kann.

Fujitsu-Europachef Winfried Hoffmann meint, daß Läden wie Vobis zumindest mittelfristig keine Zukunftschance mehr haben. Was entgegnen Sie darauf?

GUT: Das ist die Meinung von Herrn Hoffmann. Ich bin mir jedoch in einem Punkt sicher, nämlich daß der Verkauf von PCs mit Verlust erst recht keine Zukunft hat.

Vobis will zukünftig an den Superstores nur noch mehrheitlich beteiligt sein. Wer sollen die anderen Gesellschafter sein?

GUT: Wir wollen eine Beteiligung des Geschäftsführers von bis zu 25 Prozent zulassen. Die Zielsetzung lautet, einen Unternehmer vor Ort zu bekommen, der einen optimalen Geschäftsablauf im Superstore gewährleisten kann und über eine sehr hohe Eigenmotivation verfügt.

Heißt das auch, daß jeder Superstore eine eigene GmbH darstellen wird?

GUT: Ja, das ist richtig. Die Vorbereitungen und die rechtlichen Formalismen sind bereits angestoßen und werden in den nächsten Wochen vorangetrieben.

Ist das neue Konzept und besonders die Superstore-Offensive auch eine Antwort auf den PC-Vertrieb über branchenfremde Vertreiber, wie zum Beispiel die Lebensmittel-Discounter?

GUT: Es ist für mich in erster Linie keine Antwort auf die Lebensmittel-Discounter, sondern letztendlich eine Neupositionierung vor dem Hintergrund des Kaufverhaltens der Kunden.

Wenn es Vobis nicht gut geht, kann es den Franchise-Nehmern kaum besser gehen. Die Stimmung unter Ihren Partnern war schon einmal besser. Was sagen Sie denen heute?

GUT: Sie haben vollkommen recht. Geht es unserem Unternehmen nicht gut, dann kann es zwangsläufig auch den Franchise-Partnern nicht gut gehen. Wir haben aber ein sehr gutes Konzept, um unser Unternehmen kurzfristig in eine profitable Situation zurückzuführen. Was letztendlich auch zu einem guten Geschäft für unsere Franchise-Partner führen wird.

Für Ihren Vorgänger Hügler war das Auslandsgeschäft eine tragende Säule seiner Expansionsstrategie. Welche Rolle spielt das Ausland in Ihrem Konzept?

GUT: Rund fünfzig Prozent der heutigen Einzelhandelsumsätze realisieren wir bereits im Ausland. Europa spielt für uns eine tragende Rolle. Wir werden diese Aktivitäten auch weiter vorantreiben. Durch Eingliederung in den CHS-Verbund müssen wir auch lernen, über Europas Grenzen hinaus zu denken.

Sind ähnliche strukturelle Änderungen wie in Deutschland auch im Ausland zu erwarten?

GUT: Ja, generell können wir sagen, daß wir unsere Auslands-gesellschaften zukünftig auch in ein Beteiligungsmodell überführen wollen. Das heißt, das dortige Management kann eine Beteiligung am Unternehmen erhalten, das ist sogar gewünscht.

Seit einigen Monaten verkauft Vobis auch IBM-Aptiva-Rechner, deren Fertigung in diesem Sommer hier in Würselen anlaufen sollte. Ist diese Kooperation mit der IBM vom Verkauf der Vobis AG an CHS betroffen?

GUT: Nach heutigem Stand: nein. Wir werden in den nächsten Wochen mit der Fertigung von IBM-Aptiva-PCs beginnen.

Bisher hatte Vobis mit dem Verkauf von Marken-PCs wenig Erfolg. Wie läuft es jetzt mit der IBM?

GUT: Die Anfangserfolge waren sehr gut. Wir sehen das Geschäft sehr optimistisch, da wir hier ein weiteres Differenzierungskriterium für den Vobis-Einzelhandel bekommen werden. Entgegen der Vergangenheit ist es heute so, daß wir auch maßgeblich auf die Beschaffung der Komponenten Einfluß nehmen. Und so einen attraktiven Preis gewähr-leisten können.

Sind Sie mit den Absatzzahlen zufrieden?

GUT: Wir sind nicht unzufrieden. Ich denke, daß man, wenn man mit einem großen Partner wie der IBM zusammenarbeitet, auch eine gewisse Lernphase durchlaufen muß. Die ersten Erfolge waren hervorragend, dann gab es eine Stabilisierung. Zur Zeit läuft das IBM-Aptiva-PC-Geschäft gut.

Wie gut genau?

GUT: Zahlen möchte ich in diesem Zusammenhang nicht nennen.

Derzeit wird viel darüber spekuliert, ob, wann und an wenn CHS das Einzelhandelsgeschäft der Vobis wieder verkaufen wird. Von Ihnen hat man zu diesem Thema noch kein offizielles Statement gehört.

GUT: Und so soll es auch bleiben. Ich habe einen klaren Auftrag erhalten. Nämlich den, das Einzelhandelsgeschäft profitabel zu gestalten. Und ich persönlich glaube an die Zukunft des Einzelhandels, auch europaweit. Wir haben eine marktführende Position in Europa, und diese Position wollen wir weiter ausbauen.

Vobis-Superstore: Geschäftsführer können sich bis zu 25 Prozent beteiligen.

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