Iomega im Gegenwind

23.07.1998

MÜNCHEN Nach einem furiosen Geschäftsjahr 1997 erlebt Iomega heuer den Total-Absturz. Ein Verlust-Quartal jagt das nächste, der Börsenkurs fällt unaufhörlich, das Top-Management bricht auseinander, und die neuen Produkte greifen nicht, wie erwünscht. Doch der Hersteller geht in die Offensive - der erste Schritt: der Kauf des französischen Konkurrenten und Prozeßgegners Nomai.Eigentlich erfüllte sich bei Iomega der Traum jedes Marketiers: Der Produktname "Zip" wurde zum Gattungsbegriff in der Laufwerksbranche. Was sonst nur etablierten Markenartikeln wie Tempo, Zewa oder Nescafé gelingt, erreichten die Amerikaner aus Utah auf Anhieb. Verursacht wurde dieses Phänomen dadurch, daß es Produkte dieser Art, nämlich Laufwerke mit unempfindlichen Austauschmedien mit einem Speichervolumen von 100 MByte, noch gar nicht gab. Der Markt für Zip-Drives mußte Mitte 1996 erst erzeugt werden, und Iomega ging mit Macht daran, das zu tun - mit einigem Erfolg, zunächst.

Doch was in der 1997er Bilanz einen Gewinn von 115,4 Millionen Dollar erbrachte, scheint sich jetzt ins Gegenteil zu verkehren. Bereits das zweite Quartal in Folge fällt negativ aus. Waren es noch 18,6 Millionen Dollar im März, so erwartet die Unternehmensführung sogar 60 bis 70 Millionen Dollar Verlust im zweiten Quartal, gemessen an einem Umsatz, der ähnlich wie im ersten Quartal bei rund 400 Millionen liegen soll. Entsprechend trostlos sieht die Entwicklung des Aktienkurses 1998 aus. Zum Jahreswechsel rangierte das Papier bei 12,5 Dollar, am 19. Juni gerade noch bei sechs.

Kim Edwards, ehemaliger CEO von Iomega, scheint es also richtig gemacht zu haben: Zunächst verdiente er sich an Aktienoptionen 1997 eine goldene Nase - Insider sprechen von 13 Millionen Dollar -, und erstmals nach zweieinhalb Jahren Firmenzugehörigkeit versilberte er damit seine Anteile - um kurz darauf im März das Weite zu suchen. Bereits am fünften Juni folgte ihm sein Chief Financial Officer Leonard Purkis.

Für die verbliebene Rumpf-Geschäftsleitung unter Interims-Boss James Sierk bedeutet diese Entwicklung Alarmstufe Rot. Mit einem Sozialplan in der Größenordnung von acht Millionen Dollar ist man gerade dabei, bis zu 700 Mitarbeitern den Ausstieg aus dem Unternehmen zu versüßen. Die Belegschaft wird dadurch insgesamt um 12 Prozent sinken.

viele probleme

im unternehmen sind hausgemacht

Die Analyse der letztjährigen Entwicklung und die Suche nach den Gründen für das ungünstige Ergebnis von Iomega bringen Erstaunliches zu Tage: Neben sichtbaren Fehleinschätzungen, vor allem der internationalen Märkte, ist der ureigene Erfolg von Zip und damit von Iomega selbst schuld an dieser Situation.

Und das kam so: Die Marktbearbeitung bei Zip, bei der Iomega Großes leistete, rief Nachahmer auf den Plan. Echte Konkurrenten wären für die gut beleumundete Iomega kein allzu großes und beileibe kein außergewöhnliches Problem gewesen. So hat man beispielsweise Syquest-Laufwerke mit dem Produkt "Jaz" - einem schnellen Laufwerk mit einer Speicherkapazität von einem Gigabyte - in Windeseile fast aus dem Markt gedrängt. Die Konkurrenz bei Zip war anderer Natur. Der französische Anbieter Nomai brachte kein Laufwerk, sondern nur eine Zip-kompatible Disk auf den Markt. Zum Kampfpreis, versteht sich. Das zerstörte Iomegas Business-Modell. Kämpferisch zog man vor den Kadi, um das Monopol zu halten und die entsprechenden Gewinne zu verlängern. Das glückte auch vorübergehend: Mit einer Einstweiligen Verfügung wurde Nomai am weiteren Verkauf der Disks gehindert. Dieses Jahr im Februar folgte dann aber die Ernüchterung: Die Verfügung wurde aufgehoben.

Deshalb entschied sich das Management des Unternehmens, den französischen Störenfried wohl oder übel durch eine Übernahme kaltzustellen: 21 Millionen Dollar kostet es Iomega dem Vernehmen nach, die geplanten 53 Prozent an Nomai zu kaufen. Damit erreicht das amerikanische Unternehmen, daß Nomai ab sofort die Lizenzierung, Produktion und den Vertrieb seiner supergünstigen XHD-Cartridges einstellt. Doch damit ist es wohl nicht getan. Denn insgesamt konnten die internationalen Verkaufszahlen in Europa nicht mit den Ansprüchen der Amerikaner mithalten. Ein ums andere Mal mußten die Verkaufsprognosen für Europa nach unten korrigiert werden. Die Einschätzungen seien aber auch überzogen gewesen, wie es aus unternehmensnahen Kreisen heißt.

Der deutsche Endkunde zögerte seine Kaufentscheidung hinaus, weil er um die Kompatibilität im Datenaustausch fürchtete. Der Mangel an vorinstallierter Basis in den PCs erzeugte mangelhafte Absätze und umgekehrt.

Die neuen produkte

können iomega wieder in die gewinnzone pushen

Gleichzeitig kam die "echte" Konkurrenz auf den Plan. Der angeschossene Gegner Syquest ging mit dem Produkt "SparQ" derart aggressiv auf den Markt, daß Iomega mit den Preissenkungen nicht mehr nachkam. SparQ ist zur Zeit zu einem Preis von 420 Mark auf der Straße zu bekommen und bietet dafür ein Gigabyte Speicherplatz. Zip kostet zwischen 240 und 280 Mark, und das für 100 MB. Folgerichtig mußte Iomega Jaz neu positionieren und liefert die 1-GByte-Variante jetzt für rund 600 Mark aus. Darüber rangiert jetzt eine neue 2-GB-Variante für rund 1.200 Mark Straßenpreis. Weitere erfahrene Laufwerks- und Medienhersteller, wie Sony und Fuji, engagieren sich ebenfalls in diesem Markt. "Wir verkaufen jetzt viel mehr als letztes Jahr und verdienen dabei viel weniger", klagt Europas Marketing Manager Paul Seaman. Insgesamt sind 14 Millionen Laufwerke bisher über die Ladentheken gegangen. Eine leichte Erholung verspricht man sich vom OEM-Geschäft. Schon in diesem Quartal geht rund die Hälfte aller Zip-Laufwerke an PC Hersteller. Mitte Juni konnte die Iomega-Führung bekannt geben, daß Compaq Zip in einige PCs der Pressario-Reihe standardmäßig einbauen werde und auch IBM biete Zip in PCs der Produktlinien 300GL und 300PL als Austausch-Option an. Auf der PC Expo stellte mit Microtech auch erstmals ein Hersteller ein Zip-Laufwerk für Notebooks vor.

Der aktuelle Hoffnungsträger bei Iomega heißt "buz": ein Video-capturing-board mit bestechenden Leistungswerten. Einen Datendurchsatz von bis zu sechs MByte pro Sekunde kann man damit erzielen, sofern das entsprechende Laufwerk mitspielt. Das reicht für eine Ausgabequalität, die höher als S-VHS ist und damit dem ambitionierten Semi-Profi durchaus genügt. Doch erst die Nachfrage bei Iomega ergab, daß das Gerät überhaupt in dieser Geschwindigkeit Videos ausgeben kann. Der Bereich Video-out wurde geflissentlich übersehen. Doch ist der für den Käufer von entscheidender Bedeutung, schließlich ist die analoge Kassette das Distributionsmedium schlechthin für Video. Sicher ist sich Iomega bei der Positionierung dieses Geräts. "buz ist für sehr anspruchsvolle semiprofessionelle Anwender gedacht", erklärt Seaman. Dann muß man aber fragen, warum sich die absolute Low-end-Software "VideoWave" von MGI auf der mitgelieferten CD-Rom findet und nicht etwa die Semiprofi-Tools Premiere (Adobe) oder Mediastudio (Ulead). "VideoWave macht es Einsteigern leicht, zu vorzeigbaren Ergebnissen zu kommen, mehr nicht", erklärt der zuständige deutsche Produktmanager. Fassen wir zusammen: buz ist ein Produkt für den ambitionierten, semiprofessionellen Einsteiger, oder wie Seaman es formulierte: "Eigentlich ist es wie bei Zip, buz wird sich einen eigenen Markt kreieren, der jetzt noch gar nicht da ist!"

Falsch! Gerade hierzulande wird ein solches Produkt dringend erwartet. Buz ist nämlich nicht nur eine Videokarte, sondern besitzt gleichzeitig einen Ultra-SCSI-Controller on board. Eine schnelle Festplatte oder ein Jaz-Laufwerk kann also direkt daran angeschlossen werden und den immensen nötigen Speicherplatz zur Verfügung stellen. Legionen ambitionierter Videoamateure warten auf diese einfache Art, ihre Heimvideos schneiden zu können. Denn die für ähnliche Zwecke benötigte Analog-Ausrüstung geht in die Zehntausende. Buz hingegen kosten im Endverkauf schlappe 499 Mark. Schon ein guter Ultra-SCSI-Controller schlägt mit 250 bis 300 Mark zu Buche, und den braucht man extra, wenn man die einschlägigen Lösungen von Miro oder Fast wählt. Und nach buz steht auch schon das nächste interessante Produkt vor der Tür: "Clik" ist eine kleine 40-MByte-Disk, die als Wechselmedium für kleine Digitalgeräte wie PDAs, Handys und Digitalkameras zum Einsatz kommen soll. Wenn sich Iomega auf die Stärken von Jaz, buz und Clik konzentriert, werden im zweiten Halbjahr 1998 auch wieder Gewinne geschrieben werden.

Frank Puscher *Der Autor ist freier Fachjournalist in München.

Das Zip-Laufwerk katapultierte Iomega 1997 in schwindelerregende Höhen ...

... die von Jaz nicht annähernd gehalten werden konnten.

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