Apples Tablet im Macwelt-Test

iPad Air 2019: Top-Display und -Leistung, aber schwache Kamera

Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Das iPad Air überzeugt in unserem Test durch ein tolles Display und klasse Performance, über kleine Schwächen bei Kamera und Ton kann man hinwegsehen.
Optisch unterscheiden nur Nuancen das iPad Air von einem älteren iPad 9,7-Zoll, die Unterschiede sind aber groß.
Optisch unterscheiden nur Nuancen das iPad Air von einem älteren iPad 9,7-Zoll, die Unterschiede sind aber groß.

Sie wollen ein neues iPad? Dann fällt Ihnen die Entscheidung vermutlich nicht leicht, ungewohnt groß ist aktuell Apples Auswahl: Ein günstiges Einstiegsgerät, das kleine Edel-Gerät iPad Mini, zwei iPad-Pro-Modelle und das neue Mittelklasse-Gerät iPad Air. Das iPad Pro 10,5-Zoll gibt es gerade als günstiges Auslaufmodell. Ein Tipp vorab? Das hier getestete iPad Air ist für fast alle die beste Wahl, wie wir zeigen werden.

Vertrautes Design

In der Redaktion der Macwelt erhalten wir regelmäßig faszinierende neue Apple-Produkte, beim neuen iPad Air sind wir beim Auspacken fast etwas enttäuscht – so vertraut wirkt das Design mit Homebutton und weißem Rahmen. Das ist aber nur der erste Eindruck: Das Design des iPad Air ist immer noch schön anzusehen und elegant, die Verarbeitung erstklassig. Das aufwendige und futuristische Face-ID vermissen wir ebenfalls nicht. Am iPad ist Touch-ID immer noch zeitgemäß, hat doch ein blind ertastbarer Hardware-Button bei der Bedienung echte Vorteile, nebenbei weiß man immer wo die Ober- und Unterseite ist. Man muss sich aber klar sein, dass das neue iPad Air eigentlich eine Art Lite-Version des Pad Pro 10,5 ist. Apple hat das Pro dabei sowohl aktualisiert, als auch an der Preisschraube gedreht. Bei den Einsparungen hat man sich aber glücklicherweise zurückgehalten. Allerdings: Viel Aufsehen wird man in Uni oder Konferenzen mit seinem neuen iPad nicht erregen, es sieht kaum anders aus als ein iPad von 2013...

So gut ist das Display

Um Jahre ist das neue Air aber seinen Vorgängern beim Display voraus. Die Qualität ist ausgezeichnet und schon sehr nah an den Pro-Modellen. Es schlägt vor allem das des Einstiegs-iPads um Längen und ist ein echter Kauf- oder Upgrade-Grund. Es kann mehr Farben darstellen als das deutlich günstigere 9,7-Zoll-Modell, das nur den Standard-Farbraum sRGB bietet, zusätzlich wird der von iPhone-Kameras unterstützte Farbraum P3 dargestellt. Das kommt aber fast nur bei Fotos und Videos zur Geltung. Noch auffälliger ist aber die bessere Entspiegelung – im direkten Vergleich wird man deutlich weniger von Spiegelungen gestört und kann ungestörter im Freien oder neben Fenstern arbeiten. Im Unterschied zum Standardmodell erhält man außerdem ein volllaminiertes und somit flacheres Display. Gibt es doch beim kleineren Modell einen größeren Abstand zwischen Glas und Display. Der Rahmen ist ebenfalls etwas schmaler, was uns gut gefällt. Filmfreunde werden sich außerdem über die Unterstützung von HDR-Videos freuen, die Funktionen Truetone und Night Shift sind ebenfalls sehr nützlich.

Ein weiterer Plus-Punkt gegenüber der verlockend günstigen Einstiegsversion ist das größere Display. Eine Auflösung von 2224x1668 statt 2048x1536 oder 10,5-Zoll statt 9,7-Zoll klingen wenig beeindruckend, man erhält aber im Alltag doch deutlich mehr Bildschirmfläche. Auffällig fanden wir dies vor allem beim Lesen von PDF-Zeitungen oder beim Surfen. Der technische Vorsprung zu den Pro-Modellen ist klein, bleibt aber doch gewahrt. So sind beide Pro-Displays größer, randlos, etwas heller und bieten die Technologie Pro Motion, also die Unterstützung von 120 Hz. Das Fehlen dieser Bildschirmtechnologie sollte aber nur echten Profis auffallen, etwa bei der Arbeit mit dem Pencil.

Smart Keyboard und Pencil

Etwas verwirrt waren wir, dass Apple im Apple Store ein „Smart Keyboard für das iPad Air“ anbietet. Das ist aber nur Marketing: Bestellt man die Air-Tastatur, erhält man das altbekannte Smart Keyboard des iPad Pro 10,5-Zoll. Auch für unseren Test erhielten wir von Apple eine Tastatur für das iPad Pro von 2017 – die problemlos funktionierte und dank der kleinen Spezial-Schnittstelle Smart Connect keinen Akku benötigt und sofort erkannt wird. Das gilt ja nebenbei auch für den eigentlich veralteten Pencil der ersten Generation. Vermutlich scheute Apple den Aufwand, um das neue iPad mit diesem Modell kompatibel zu machen oder will hier ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zu den Pro-Modellen behalten. Allgemein sollte viel Zubehör für das alte 10,5-Pro-Modell kompatibel sein, so hat der Hersteller der Ansteck-Tastatur Brydge schon erklärt, sein beliebtes Modell für das iPad Pro 10,5 sei auch mit dem iPad Air kompatibel.

Über Smart Keyboard und Pencil selbst muss man eigentlich kaum noch etwas schreiben. Soll das iPad ein Notebook ersetzen, sind sie sehr zu empfehlen. Schade: Der günstige Logitech Crayon scheint nicht zu funktionieren.

Warten auf iOS 13?

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den wir erwähnen sollten: In wenigen Monaten erscheint iOS 13. Von diesem neuen Betriebssystem erwarten wir eine Vielzahl an Neuerungen für iPads, so einen einfacheren Zugriff auf externe Speichermedien. Nach unserer Einschätzung ist es durchaus möglich, dass einige Funktionen nur für die Pro-Modelle mit USB-C und FaceID zur Verfügung stehen. Hoch könnten auch die Hardwareanforderungen für das neue System sein, vielleicht wird man dies auf älteren iPads wie dem iPad 9,7 bereits zu spüren bekommen.

Die Kamera – das einzige Manko des iPad Air

Auf der Liste der Einsparungen stand leider auch die Kamera. Sie steht zwar nun nicht mehr aus dem Gehäuse hervor, das ist aber die einzige Verbesserung. Der Vorgänger war qualitativ etwa auf dem Niveau des iPhone 7 – das neue Air eher auf dem des iPhone 6 bzw. iPad 2018.

Die Fotos sind etwa auf dem Niveau des iPhone 6.
Die Fotos sind etwa auf dem Niveau des iPhone 6.

Von unseren Testfotos an einem sonnigen April-Tag waren wir beim Vergleich mit einem iPhone XR nur mäßig zufrieden. Auch bei gutem Licht weisen die iPad-Fotos mattere Farben, niedrigere Kontraste und bei einem Zoom ins Bild auch mehr Artefakte auf. Leider hat Apple nicht nur am Sensor, sondern auch am Objektiv (3,3 mm f2,4) gespart. Interessant für Gruppen-Fotos: Das Objektiv ist nicht nur deutlich lichtschwächer, es ist weniger weitwinklig und der Bildausschnitt deshalb kleiner als bei einem XR oder XS. Überrascht sind wir bei einer Sichtung auf dem iPad: Auf dem iPad-Air-Bildschirm sehen die iPad-Fotos noch einmal unschärfer aus, als auf einem herkömmlichen Mac-Bildschirm. Anscheinend wird die mäßige Auflösung der Fotos auf dem Retina-Display des iPad einfach noch besser sichtbar. Bei gutem Licht sind aber brauchbare Ergebnisse möglich, immerhin bietet die Kamera eine HDR-Funktion, eine ausgereifte Panoramafunktion und Digitalzoom.

Das iPad ist weniger weitwinklig als ein aktuelles iPhone
Das iPad ist weniger weitwinklig als ein aktuelles iPhone

Bedauerlich ist die billige Kamera aber doch. Mit einem aktuellen iPhone kann die 8 Megapixel-Kamera des neuen iPad Air nicht mehr mithalten, fast schon so, als wolle Apple nicht dem iPhone das Wasser abgraben. Auch die Kameras der aktuellen Pro-Modelle sind eher ein Rückschritt, sie bieten aber ein lichtstärkeres Objektiv, Blitz, höhere Auflösung und liefern deutlich bessere Ergebnisse ab. Apple greift aber wohl mit einer gewissen Berechtigung zum Rotstift: Es gibt nur wenige, die ihre iPad-Kamera wirklich regelmäßig wie eine Kamera nutzen. Für übliche Gebrauchs-Fotos wie das Abfotografieren von Dokumenten und eine paar Fotos für Facebook reicht die Auflösung ja völlig aus – die meisten Anwender werden eh zum iPhone oder zur Kamera greifen. Vermutlich sind ja eine gute Frontkamera und Video-Qualität wichtiger. Beim Air hat Apple eine recht solide 7-Megapixel-Kamera gewählt, die nebenbei deutlich höher auflöst als die des Macbook Air.

Weniger Probleme macht die niedrige Auflösung bei Videos und AR-Anwendungen. 4K-Auflösung oder 60 FPS gibt es zwar nicht, Slo-Mo und Zeitraffer dafür schon. Dank Facetime und Skype wird die Frontkamera ja häufiger als die Rückenkamera benutzt. Mit den Cams der Pro-Modellen kann sie zwar nicht mithalten, bietet aber immerhin Auto-HDR und HD-Videos. Den Pro-Modellen bleibt wohl allerdings der Porträtmodus vorbehalten und für gute Selfies benötigt man auch bei dieser Kamera eigentlich Tageslicht.

Grafik und CPU

Die Performance ist ausgezeichnet, iPad 9,7 und das iPad Pro 10,5 werden vom Air deutlich überholt – ein Abstand zu den Pro-Modellen bleibt aber auch hier gewahrt. Bei der Messung mit Geekbench 4 erzielt das iPad Air hohe 4750 Punkte im Single Core und gute 11458 Punkte im Multi Core-Test. Interessant: Beim noch als Auslaufmodell erhältlichen iPad Pro 10,5 liegen die Geekbench-Werte mit 3881 im Single Core deutlich niedriger, trotz drei CPU-Kernen ist es mit 9190 Punkten aber auch beim Multicore-Test langsamer. Gegenüber dem iPad 9,7 ist das Air knapp doppelt so schnell.

(Hinweis: Bei Geekbench-Messungen können die Ergebnisse bei jeder Messung um einige Prozent variieren, trotzdem ist dieser Test eine gute Methode um verschiedene Geräte zu vergleichen.)

Eine Abweichung gibt es allerdings beim Geekbench-Test Compute, der u.a. die Metal-Performance ermittelt. Hier erzielt das neue Air 20813 Punkte. Das ist zwar mehr als das iPad mit 13013 Punkte, das alte iPad Pro ist hier aber um knapp 50 Prozent schnell und schafft 29140 Punkte, das neue iPad Pro sogar über 40 000 Punkte. Hier spielt vielleicht die Arbeitsspeicher-Ausstattung eine Rolle, die Pro haben vier GB RAM, das Air nur drei GB.

Im Geekbench-Test ordnet sich das neue iPad Air zwischen iPad Pro und iPad 9,7-Zoll ein.
Im Geekbench-Test ordnet sich das neue iPad Air zwischen iPad Pro und iPad 9,7-Zoll ein.

Auch für aktuelle Spiele ist die Leistung mehr als ausreichend, beim Spieletest Slingshot Extreme erzielt das Modell gute 5107 Punkte. Die höhere Leistung von Grafikkarte und Multi-Core-Performance ist allerdings nur bei Apps hilfreich, die diese Technologien auch nutzen können.

Für Fotografen und Videoprofis ist vielleicht auch die Transfergeschwindigkeit interessant, etwa um Videos vom iPad zu kopieren. Als Test kopieren wir eine 1,1 GB große Videodatei auf das iPad – per USB-Kabel von einem Mac Mini. 35,8 Sekunden dauert der Transfer, also 31,5 MB/s. Hier haben die Pro-Modelle die Nase vor, bei diesen erfolgt ein solcher Transfer mehr als doppelt so schnell.

iPad Air

iPad Pro 12,9 2018

GFXMetal

1080p T Rex (Frames)

14703

26429

Alu 2 (Frames)

1796

3238

Treiberlast 2(Frames

1796

3590

Texturing (Mtexel/s)

25822

50387

Open GL

Manhattan (Frames)

3672

3664

T-Rex (Frames)

3332

3339

Geekbench

Metal

21045

42418

Single-Core

4750

5056

Multi-Core

11458

17999

Battery

6600

8547

Antutu

Punkte

382360

556579

Akku

Webbrowsen

09:34

08:58

Akkulaufzeit

Als Akkulaufzeit gibt Apple bei den iPads eine etwas vage Akkulaufzeit von „Bis zu 10 Std. Surfen im Web mit WLAN, Video- oder Musikwiedergabe“ an, was unser Test für das Air bestätigt. Bei 75 Prozent Bildschirmhelligkeit hielt das Gerät bei unserem Surf-Test ausgezeichnete 9 Stunden und 35 Minuten durch und eine Stunde länger als das iPad 2018 mit 8 Stunden und 33 Minuten. Der Battery-Benchmark bescheinigte dem iPad mit 6600 Punkten ebenfalls einen guten Wert.

Ton

Eine große Erleichterung für viele High-End-Kopfhörer-Besitzer und Musiker: Ein herkömmlicher Kopfhörereingang bleibt vorhanden. Bei der aktuellen Pro-Linie wurde die alte aber nützliche Schnittstelle mittlerweile leider eingespart. Auch bei den integrierten Mikrofonen hat Apple gegenüber den aktuellen Pro-Modellen die Spar-Variante verbaut, denn mit zwei statt fünf Mikros muss das iPad Air auskommen. Noch schwerwiegender finden wir aber eine weitere Einsparmaßnahme im Bereich Ton: Während die Pro-Modelle vier Lautsprecher besitzen, muss man sich beim Air mit zwei Lautsprechern bescheiden. Das fällt im Porträtmodus kaum auf, sehr deutlich hört man aber den Unterschiede, wenn man im Landschaftsmodus ein Video sieht oder Musik hört. In diesem Modus kommt nämlich der Ton bei den Pro-Modellen von zwei Seiten – ein echter Stereoeffekt. Klanglich kann das Air da nicht mithalten, wenn auch die maximale Lautstärke recht hoch ist. Schade: Als Besitzer eines Pro-iPad kann man den Bluetooth-Lautsprecher eigentlich zu Hause lassen.

Kaufberatung:

Aktuell bekommt man beim iPad Air am meisten iPad für sein Geld: Die Pro-Modelle sind deutlich teurer, das iPad 9,7-Zoll ist weniger leistungsfähiger und hat ein spiegelndes Display. Für die meisten Anwender ist wohl entweder das iPad Air oder das iPad Mini die beste Wahl – man sollte sich da ganz nach der Displaygröße richten. Bei den Pro-Modellen sind es neben dem Design vor allem einige Spezialfunktionen, die locken. Nicht vergessen sollte man, dass diese USB-C-Monitore und andere USB-C-Geräte unterstützen. Und mit dem 12,9-Zoll-Modell ergeben sich noch einmal ganz andere Einsatzmöglichkeiten – nicht zuletzt bei Präsentationen. Ärgerlich ist allerdings Apple Speicher-Politik. Das günstige Einstiegsmodell bietet gerade ausreichende 64 GB Speicher, das 256 GB-Modell kostet gleich 170 Euro mehr. Ein Modell mit 128 oder 512 GB Speicher gibt es dagegen nicht.

Eine interessante Alternative wäre vielleicht noch das auslaufende iPad Pro 10,5-Zoll – hier gibt es gelegentlich sogar günstige Schnäppchen mit 512 GB Speicherplatz.

Fazit:

Das neue iPad Air ist ein erstklassiges Tablet mit hervorragendem Display, guter Laufzeit, toller Performance und gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Echte Schwächen hat es nicht, das Fehlen der Touch ID sehen wir nicht als Nachteil an. Manchen Anwendern könnte es aber zu zu groß und schwer sein – diesen ist das neue iPad Mini zu empfehlen. Enttäuscht waren wir von Kamera und Lautsprechern, kaum ein Anwender wird aber deshalb zu den teuren Pro-Modellen greifen wollen. Leider hat Apple dann doch einige Funktionen beschnitten, um die Pro-Modelle nicht zu sehr zu kannibalisieren. Als Note bekommt es von uns deshalb nur eine "Eins Minus". In jedem Fall wird es das konkurrierende iPad Pro 11-Zoll aber ab sofort sehr schwer haben.

Dieser Artikel stammt von der Macwelt.

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