Isar Valley: Jeder zehnte IT-Spezialist arbeitet in der Münchener Region

24.02.2000
Die selbsternannte "Weltstadt mit Herz" hat gute Aussichten, in "Isar Valley" umbenannt zu werden: München ist mit 70.000 Beschäftigten der führende IT-Standort in Deutschland, jeder zehnte Software-Entwickler des Landes arbeitet in dieser Region.

München hat das Oktoberfest, BMW und Stoiber erfunden. Außerdem ist die Weißwurst-Metropole die schlauste Stadt Deutschlands: Mit rund zwölf Prozent hat sie von allen Großstädten den höchsten Anteil an hoch qualifizierten Arbeitskräften. Der politische Schlachtruf "Laptop und Lederhose" geht hier als Lebensmotto durch: Jeder zehnte Beschäftigte der deutschen EDV- und Elektronikindustrie arbeitet in dem Wirtschaftsraum. 24.000 sind sozialversicherungspflichtig beschäftigte Software-Experten, hinzu kommt noch eine große Anzahl freier Entwickler, Berater und Serviceanbieter. Der Wirtschaftsraum verzeichnet insgesamt 70.000 Beschäftigte in der IT-Branche und ist damit deutschlandweit führend in diesem Bereich. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey liegt München damit im europäischen Vergleich auf Platz zwei hinter London. Böse Zungen behaupten allerdings, das liege nur am kühlen Klima: Bei einer Jahresdurchschnittstemperatur von gerade mal neun Grad ist es im Büro doch gemütlicher als an der Isar.

München in Zahlen

Jedes Jahr werden hier fast 13.000 Unternehmen neu gegründet, die meisten davon im Dienstleistungsgewerbe. Die Jungunternehmer bevorzugen dabei laut Statistik die unternehmensnahen Dienstleistungen wie technische Beratung und Planung, Multimedia, Internet, Werbung, Umwelttechnik sowie EDV-Beratung. Derzeit sind über 4.000 Unternehmen im Raum München im Bereich "Neue Technologien" tätig. Allein 2.500 Firmen arbeiten in den Schlüsseltechnologien Mikroelektronik, Software und Hardware. Weitere im Raum München stark vertretene Technologiefelder sind Energie-, Nachrichten- und Kommunikationstechnik, Datenverarbeitung, Neue Werkstoffe sowie technologierelevante und wissensintensive Dienstleistungen. Bei der Biotechnologie hat der Wirtschaftsraum München ebenfalls eine herausragende Position. Die Anzahl der berühmten Brauereien beläuft sich hingegen gerade mal auf sieben Stück.

Fast ein Drittel der 25 größten Software-Unternehmen in Deutschland sind im Großraum München angesiedelt. Zu den Aushängeschildern der bayerischen Hauptstadt gehören IT-Größen wie Apple, Compaq, IBM und Siemens, aber auch Sun, Lotus, Intel und Microsoft sind hier vertreten. So lobt der hiesige Microsoft-Chef Rudolf Gallist gern die "Symbiose von Lebensqualität und moderner Wirtschaft". Für den Software-Konzern sei in der Bundesrepublik von Anfang an nur München in Frage gekommen. Hier habe High-Tech eine große Tradition, man arbeite mit Intel quasi Tür an Tür und "wenn ich in Italien einen Cappuccino trinken will, bin ich in einer Stunde dort."

Die bayerische Hauptstadt rühmt sich aber auch, für Newcomer ein gutes Pflaster zu sein: Schnell wachsende und innovative Unternehmen wie Ditec, Ixos, Nemetschek, Mensch & Maschine oder Peoplesoft haben eine Münchener Adresse. Fast 1.600 IT-Händler sind hier zu Hause, hinzu kommen noch etwa 500 Systemhäuser. Die Konkurrenz ist groß, bestätigt auch Werner Hasner von der ADCO GmbH: "Wir haben zwar größtenteils Industriekunden, aber leicht ist es auch bei uns nicht. Die Händler, die ausschließlich auf das Endkundengeschäft spezialisiert sind, haben es in München besonders schwer." Auch IT-Händler aus der Münchener Region beklagen den großen Konkurrenzdruck.

Dennoch: Die Region gilt allgemein als wirtschaftlich äußerst attraktiv. Im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten weist München ein etwa doppelt so hohes Bruttoinlandsprodukt (nominal pro Kopf) wie der Bundesdurchschnitt auf. Die Arbeitslosenquote liegt etwa um die Hälfte unter dem deutschen Mittelwert, und die Kaufkraft der Stadt ist vergleichsweise 1,58 Mal so hoch. Für den Landkreis wurde sogar eine Kaufkraft von 171 Prozent des Bundesdurchschnittes errechnet. Sie wird nur noch vom Nachbarlandkreis Starnberg (180 Prozent) und dem Hochtaunuskreis (174 Prozent) übertroffen. Doch Qualität hat ihren Preis: München hat mit durchschnittlich zwei Prozent die wenigsten leer stehenden Büroflächen zu bieten, der Mietpreis ist mit etwa 30 Mark pro Quadratmeter (Stand 1998) entsprechend teuer.

Eine Milliarde Mark wartet auf Jungunternehmer

Groß ist auch die Anziehungskraft, die München auf die Venture-Capital-Szene ausübt: Von den gesamten deutschen Bruttoinvestitionen an Wagniskapital flossen 1997 allein 20 Prozent langfristig in Unternehmen in Bayern, wobei der Wirtschaftsraum München einen hohen Anteil auf sich konzentrieren konnte. Rund 32 Prozent der über Venture Capital finanzierten deutschen Jungunternehmen haben hier ihren Sitz. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass noch rund eine Milliarde Mark im Großraum München auf innovative Ideen und Projekte wartet. Das Venture Capital kommt meist von Banken, Großunternehmen und Global Players, vor allem aus dem Bereich der Chemie. So investieren hier unter anderem Techno Holding VC, TVM Techno Venture Management, Allianz UBG, Apax Partners, Atlas Venture und die Bay BG Bayerische Beteiligungsgesellschaft mbH.

Aber auch der Freistaat Bayern zeigt sich großzügig: So sollen im Rahmen der "High-Tech-Offensive" in den kommenden Jahren die vorhandenen international mitführenden Kompetenz-Cluster in den Sektoren Biotechnologie/Life Sciences sowie Informations- und Kommunikationstechnologien weiter ausgebaut werden. Am zweiten Projekt des Freistaats, der "Software-Offensive Bayern", sind ebenfalls Münchener Unternehmen beteiligt. Und die sitzen auch beim Thema Nachwuchs quasi an der Quelle: Die Konzentration an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist in dieser Region ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Die Technische Universität darf sich der modernsten Maschinenbaufakultät Europas rühmen, durch die Verlagerung der Fakultäten Informatik und Mathematik wird in Garching ein "Zentrum für mathematisch-naturwissenschaftliche Forschung" entstehen. Um die Jungunternehmer aus der High-Tech-Branche auch langfristig bei Laune zu halten, gibt es in München zahlreiche innovations- und gründerfreundliche Netzwerke. Allein 15 Technologietransferstellen bei den Universitäten und den Wirtschaftskammern sorgen für eine intensive Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft.

Im "FNT", dem Förderkreis Neue Technologien/Forum Innovativer Technologieunternehmen, sind mittlerweile 300 Unternehmen organisiert. Der FNT will nach eigener Aussage Technologiepotentiale vernetzen und Existenzgründungen und Unternehmen unter- stützen. Seit vier Jahren läuft erfolgreich der Münchener "Business-Plan-Wettbewerb". Gründerteams erstellen als Basis für ihr Unternehmen Geschäftspläne und werden von Coaches in Lehrveranstaltungen mit Know-how begleitet. Eine Expertenjury bewertet die Pläne, es winken Erfahrungen und Preisgelder. Rund 30 Teilnehmer der beiden ersten Wettbewerber gründeten ein Unternehmen. Eine Erhebung ergab, dass einige von ihnen bis zu 500 Mitarbeitern beschäftigen. (mf)

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