Baby-Boomer gehen in Rente - Ausbildungsoffensive erforderlich

iSCM-Analyse - Corona-Pandemie und Fachkräftemangel



Dr. Rudolf Aunkofer ist Direktor am Institut für Information & Supply Chain Management (iSCM) der Hochschulie für angewandtes Management in Ismaning bei München.

Digitalisierung reduziert Fachkräftemangel

Die durch die Pandemie beschleunigte Digitalisierung aller Lebensbereiche wird zwar zu einer gewissen Reduktion von Arbeitsplätzen führen, nicht aber zu dem von einigen Auguren prognostizierten steigenden Arbeitslosenzahlen. Im Gegenteil: Digitalisierung wird dringend benötigt, um - vor dem Hintergrund des skizzierten Generationenwechsels - einen Teil der fehlenden Arbeitskräfte zu kompensieren und den sich abzeichnenden Fachkräftemangel zu begrenzen.

Für die IT-Industrie bedeutet dies, dass sie sowohl mit der zunehmenden Vakanz von Positionen durch den stattfindenden Generationenwechsel als auch mit zusätzlicher Nachfrage nach Produkten, Services und Dienstleistungen konfrontiert wird, was zu einem weiter steigenden Bedarf an Fachkräften führen wird.

Um dem Fachkräftemangel vorzubeugen, müssen Mitarbeiter kontinuierlich weitergebildet werden.
Um dem Fachkräftemangel vorzubeugen, müssen Mitarbeiter kontinuierlich weitergebildet werden.
Foto: Inna Bigun - shutterstock.com

In Konsequenz wird die Branche selbst dadurch gezwungen, verstärkt auf zentral gemanagte Cloud-Lösungen zu setzen, da diese mit ihrem höheren Automatisierungsgrad einen geringeren Personalbedarf versprechen. Ergänzend wird die Branche selbst - als Vorreiter in punkto digitaler Transformation - durch Digitalisierung weitere Rationalisierung und Effizienzsteigerung erfahren müssen, um einen im Vergleich zur erforderlichen Service-Ausweitung nur unterproportional steigenden Personalbedarf zu erreichen. Remote Management, Artificial Intelligence, Augmented Reality oder virtuelle Kollaboration werden hierbei helfen. All diese Entwicklungen werden aber nicht ausreichen, den wachsenden Bedarf an Fachkräften im New Normal zu verringern.

Fachkräfte - zentraler Erfolgsfaktor im New Normal

In den sechs Monaten vor dem ersten Lockdown und dem Pandemiebeginn, gaben im Durchschnitt gut 46 Prozent an, dass Fachkräftemangel ihr aktuelles Geschäft einschränkt. Zwar ging dieser Wert während der ersten sechs Monate der Pandemie auf im Durchschnitt 13 Prozent nach unten, im Jahr 2021 stieg dieser allerdings trotz Lockdown und Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes (Corona-Notbremse) bereits wieder auf im Durchschnitt 19 Prozent an, Tendenz: weiter steigend (siehe Abbildung am Anfang des Textes).

Es ist davon auszugehen, dass mit steigender Impfquote, geringen Inzidenzwerten sowie dem Backlog aufgrund von limitierter Produktverfügbarkeit oder aufgrund von Projektverschiebungen, bereits Ende des Jahres, spätestens zu Beginn des Jahres 2022 - ähnlich wie vor der Pandemie - jedes zweite Tech-Unternehmen erneut mit Fachkräftemangel konfrontiert sein wird.

Mitarbeiterbindung wie Mitarbeiterausbildung werden daher für die absehbare Zukunft und weit über das aktuelle Jahrzehnt hinaus eine zentrale Herausforderung der IT-Industrie sein, um dem Fachkräftemangel zu entgegnen.

Zwei bis drei Tage Home-Office pro Woche werden daher - aufgrund besserer Work-Life-Balance wie auch aufgrund von Kostenvorteilen - als elementarer Faktor für Mitarbeiterbindung fester Bestandteil des New Normals bleiben. Bei Mitarbeiterausbildung sind zwei Aspekte zu fokussieren:

(1) die gezielte Ausbildung von jungen, neuen Mitarbeitern, um ihnen so den Einstieg in die komplexe IT-Welt zu erleichtern

(2) die kontinuierliche lebenslange (Weiter-)Bildung von bestehenden Mitarbeitern, um sicherzustellen, dass möglichst viele Mitarbeiter bis ins höhere Alter über adäquates Qualifizierungsniveaus verfügen und im Unternehmen verbleiben.

Erst beide Ausbildungsschwerpunkte gemeinsam ermöglichen es, Fachkräftemangel erfolgreich zu reduzieren.

Einfach aber nicht immer leicht

Die Lösung ist somit einfach, wenngleich nicht immer leicht in der Praxis umzusetzen: Mitarbeiter müssen durch ein individuell gestaltetes Ausbildungsangebot kontinuierlich Weiterbildung erfahren. Dies sollte im ureigenen Interesse eines jedes Unternehmens sein. Entsprechende Freiräume sind zu schaffen und adäquat zu nutzen. Ausbildung muss eine klar definiere Zielsetzung haben und sollte qualitativ hochwertig durchgeführt werden. Von Ausbildung nur um der Ausbildungswillen, ist daher konsequent abzusehen. Ist das finanzierbar?

Kosteneinsparungen durch Home Office bedingt Reduzierung von Bürofläche oder durch verringerte Reisetätigkeit aufgrund virtueller Meetings sollten ausreichen, um die erforderliche Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter zu finanzieren. Dies sichert sowohl Mitarbeiterloyalität wie auch Wettbewerbsfähigkeit, beide führen zu mehr Umsatz wie auch Profit. Das Investment in lebenslange Bildung zahlt sich somit mehr aus denn je. Nur so kann Zukunft gestaltet werden und erfolgreich gelingen!

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