Ist die Sony Deutschland GmbH bald überflüssig?

28.09.2000
Sony will nun tatsächlich die seit Jahren angekündigten PCs in Europa einführen. Außerdem soll Unterhaltungselektronik über den IT-Kanal vertrieben werden. Um das zu packen, strukturiert der Hersteller eifrig um.

Eine Never-Ending-Story: Sony strukturiert mal wieder um. Denn große Herausforderungen nahen. In der ersten Hälfte des kommenden Jahres will Sony mit PCs und PDAs nach Europa kommen. Man darf gespannt sein, kündigen die Japaner doch bereits seit 1996 in regelmäßigen Abständen den Einstieg in den PC-Markt hiesiger Breitengrade an. Doch bislang wurde er noch immer verschoben.

Und nicht nur PCs und PDAs will Sony puschen, auch mit Memory-Stick und I-Link ausgestattete Unterhaltungselektronik soll künftig durch den IT-Kanal gedrückt werden. "Da denken wir für die Zukunft beispielsweise auch an Fernseher mit Web-Zugang", erläutert Luc Graré, General Manager Information Technology Products (ITP) bei Sony. Ein mutiges Vorhaben angesichts der Tatsache, dass schon digitale Kameras kaum vom deutschen Fachhandel angenommen werden.

Deutscher Marketing-Chef nach Brüssel versetzt

Sony will bei all diesen Plänen eine länderübergreifende Channel-Strategie fahren: Zum einen sollen Marketing-Maßnahmen europaweit untereinander abgestimmt werden, zum anderen sollen Distis auch für ihre internationalen Aktivitäten nur ein bis zwei Ansprechpartner haben. Die Umsetzung dessen bedeutet nach Aussagen von Graré keineswegs einen Abbau hiesiger Mitarbeiter. Einer ist aber doch schon weg: Guido Karbautzki, ehemals zuständig für Vaio und Monitore, wandert nach Brüssel ab, um sich dort dem Aufbau der europäischen Bildbearbeitungs-Homepage "Imagestation" zu widmen, die es bislang nur in den USA und Japan gibt (siehe auch www.image station.com). Ersetzt wird er nicht: Sein Job wird künftig von Michael Keel miterledigt, der auch die Schweiz und Österreich Marketingtechnisch betreut.

"Das EU-Marketing sitzt in Brüssel, und jedes Land hatte einen Marketing-Leiter. Der Kontakt war nicht effizient. Die Konzentrierung hat das Ziel, das lokale Marketing noch mehr in die EU-Strategie einzubinden", erklärt Graré, der seinerseits die europäische Disti-Politik von Köln aus koordinieren soll. Diese allgemeine Tendenz zur Verlagerung auf die europäische Ebene lässt wieder an Gerüchte zu Zeiten Pohlers denken, als es hieß, die Deutschland GmbH werde aufgelöst und in die Europazentrale integriert. "Da ist nichts dran", wehrt Graré ab und meint weiter: "Wie soll das gehen? Wir haben 7.000 Leute europaweit in Marketing und Vertrieb für Consumer-Produkte, diese Strukturen werden gebraucht."

"Das ist jetzt die zwölfte Strukturwandlung, die ich bei Sony mitmache. Es würde mich nicht wundern, wenn wir bald wieder dort wären, wo wir vor anderthalb Jahren waren", bewertet Detlef Loeffers, Geschäftsführer des Distributors Delo Computer, die aktuellen Bemühungen des Herstellers und beäugt auch dessen allgemeines Gebaren kritisch: "Sony vergisst manchmal, dass man sterblich ist, die können weniger gut als andere mit ihrem Erfolg umgehen. Frei nach dem Motto: Wenn man oben steht, muss man nicht mehr nach oben gu-cken." Ein Mitarbeiter eines anderen Großhändlers ist hingegen des Lobes voll: "Wir sind mit denen zufrieden, die Betreuung klappt bes- tens. Außerdem hat Sony gute Produkte zu guten Preisen." Von den anstehenden Veränderungen hat er allerdings noch nichts gehört.

Achillesferse Service

Bei den Händlern ist Sony trotz der altbekannten Service-Achillesferse beliebt, denn sie freuen sich über steigende Umsätze: "Wir machen da ganz schöne Zahlen, weit über Plan", meint zum Beispiel Harald Rößler vom Notebook-Center der Schöll Büroorganisation in Würzburg. Und Wolfgang Schaefer, Geschäftsführer von Brünings & Sander in München, ist angetan: "Wir sind zwar ein Vaio Competence Center, haben da aber bislang gar nichts gemacht. Trotzdem ist der Umsatz so nach oben gegangen, dass wir das jetzt noch verstärkt angehen wollen. Bislang ist das wohl auf unser Ladengeschäft zurückzuführen, da kommen private, semiprofessionelle Leute, die Wert auf Anschluss zu Peripheriegeräten wie digitale Kameras legen."

Solche Entwicklungen machen das Serviceproblem des Herstellers anscheinend leichter verkraftbar, auch wenn die Händler regelmäßige Reklamationen seitens der Kunden hinnehmen müssen: "Wir hatten mal einen Extremfall, da war das Notebook acht Wochen in Reparatur. Allerdings zeigte sich Sony kulant und schickte ein neues Gerät. Wo das alte abgeblieben ist, weiß jedoch bis heute kein Mensch. Das kann es ja wohl nicht sein", plaudert Rößler aus dem Nähkästchen.

Sony will das Problem jetzt in den Griff bekommen, indem ausnahmsweise von der europäischen auf die lokale Ebene heruntergebrochen wird: "Wir haben das bislang zentrale Call-Center dezentralisiert, seit Anfang September sitzen die Hotline-Leute in den jeweiligen Ländern, in Deutschland in Bochum", erzählt Graré. Des Weiteren werde um den Jahreswechsel herum auch der Reparaturservice dezentralisiert. Der Handel soll verstärkt geschult und die derzeitige Zahl der Value-Added-Service-Provider (VSP) von sechs auf 15 im nächsten Jahr erhöht werden.

In Deutschland gibt es derzeit an die 60 Vaio Competence Center (VCC), mit denen Sony in nächster Zeit die Zusammenarbeit intensivieren will. Der Hersteller will laut Graré in Koordination mit den Distis die Händler vor Ort besuchen, "um Argumente für Sony zu vermitteln und um gemeinsame Marketing-Aktionen zu planen". Und um gegebenenfalls weniger umsatzbringende Partner auszusortieren, denn erwünscht sind vor allem Sys-temhäuser, die auch im Corporate-Bereich Stückzahlen bringen.

Derzeit generiert Sony 35 bis 40 Prozent des Umsatzes über den Retail-Kanal und ist dort auch die Nummer eins mit einem Marktanteil von 12,5 Prozent, wie der Hersteller zufrieden verkündet. "Der Rest geht über die Distribution - und davon wiederum gehen etwa 25 Prozent über die VCCs", so Graré. Im Corporate-Bereich habe Sony im vergangenen Jahr mit den Notebooks einen Marktanteil von vier Prozent gehalten und 30 bis 40 Prozent des Umsatzes erwirt- schaftet. (via)

www.sony.de

SONY DEUTSCHLAND GMBH

Das erste Notebook mit Transmeta-Chip

Kann Transmeta Intel das Fürchten lernen? Bald werden wir es erfahren, denn Sony wagt als einer der ersten Hersteller den Einsatz des Crusoe-Prozessors, und zwar in dem Subnotebook "Vaio C1VE". 600 MHz beträgt die Taktrate der CPU in dem tragbaren Rechner, der bisher vor allem mit seiner integrierten digitalen Kamera für Popularität sorgte. Ein neues Feature ist die Software "Movieshaker": Das Filmbearbeitungsprogramm kann unter anderem Bilder neu ordnen, die Übergänge verändern sowie verschiedene visuelle und akustische Effekte hinzufügen, verspricht der Hersteller. Weitere Kerndaten zur Hardware: eine 12 GB große Festplatte, ein 8,95-Zoll großes TFT-Display und ein PC-Card-Modem. Für Anschluss sorgen unter anderem I-Link, USB und Memory-Stick-Slot. Samt der Lithium-Ionen-Batterie wiegt das Gerät ein Kilogramm. (via)

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