Ist mir schlecht: der Markt für Krankenhaus-Informationssysteme

24.10.2002
Knappe Kassen, nationale Eigenheiten und ein harter Verdrängungswettbewerb machen besonders den vielen kleineren Anbietern von Krankenhaus-Informationssystemen in Europa schwer zu schaffen. Trotz großen Bedarfs sind enorme Wachstumsraten in dem Markt nicht zu erwarten, meinen die Analysten von Frost & Sullivan.

Krankenhaus- oder Klinik-Informationssysteme (KIS) sind in erster Linie Software-Lösungen und eigentlich eine feine Sache. Denn sie sorgen für mehr Kosten- und Gesundheitstransparenz und sind der Einstieg ins papierlose Krankenhaus, wo alle medizinischen und verwaltungstechnischen Daten zentral erfasst und den jeweiligen Stellen verfügbar gemacht werden.

Obwohl hier noch großer Nachholbedarf zu bestehen scheint, sehen die Akteure im Europamarkt einer ungewissen Zukunft entgegen. Das ist das Fazit einer Studie der Unternehmensberatung Frost & Sullivan, die dem europäischen KIS-Markt mittelfristig gerade mal ein jährliches Wachstum von etwas mehr als zwei Prozent bescheinigt. Die Umsätze sollen von 2,92 Milliarden Euro im vorigen Jahr bis 2008 lediglich auf 3,44 Milliarden Euro ansteigen.

"Geld mit anderen Produkten verdienen"

Als Grund für das relativ schwache Wachstum führen die Analysten unter anderem Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen, Vorbehalte gegen Neuerungen und datenschutzrechtliche Bedenken an. Hinzu kommt ein harter Verdrängungswettbewerb, der gerade die vielen Kleinen im Markt trifft. "KIS ist kein Produkt für große Gewinne, weshalb in diesem Markt Anbieter dominieren werden, die ihr Geld mit anderen Produkten verdienen", erklärt Analyst Chris Cherrington.

Die großen Anbieter von Einheitslösungen müssen sich aber vielfach mit den nationalen Eigenheiten herumschlagen, was auch bei ihnen schon zu einer Ausdünnung geführt hat. So haben Hardwarehersteller wie Bull, Hewlett-Packard und IBM, die den Kliniksektor vor wenigen Jahren noch fest im Griff hatten, mehr und mehr das Feld geräumt und haben ihren Schwerpunkt von Dienstleistungen auf Hardware verlegt.

Andere große Hardwarehersteller wie GE Medical, Philips und Siemens haben aber im Dienstleistungsgeschäft wegen der Schwäche des Finanzsektors ihre Chance gesehen und eigene KIS entwickelt oder Anbieter von Medizin-Software dazugekauft. Marktführer Siemens profitiert zum Beispiel von der Übernahme von SMS (Shared Medical Systems), Philips wiederum von der neuen Tochter Agilent und hat damit laut Frost & Sullivan gute Chancen, auf Platz eins vorzustoßen.

Typisch? Stärkster Sektor Verwaltung

Stärkster Sektor im KIS-Markt sind Systeme für Verwaltungsdaten mit einem derzeitigen Anteil von 42,9 Prozent. Systeme für medizinische Daten teilen sich den Rest zusammen mit integrierten Systemen.

Auch die KIS-Sparte von Laufenberg, einst eines der wichtigsten Systemhäuser auf dem deutschen Markt, wurde von einem größeren übernommen, von keinem geringeren nämlich als dem britischen Marktführer Torex. Marketingleiter Martin Zünkeler in Bochum zufolge ist es wegen der festen Beträge gemäß der Diagnosis Related Groups (DRG) in Deutschland schwieriger geworden, gegenüber den Krankenhäusern zu argumentieren, warum sie in ein KIS investieren sollen, wo es hie und da noch nicht mal für die Anschaffung von neuem medizinisch-technischem Gerät reicht. "In keiner anderen Branche besteht so viel Nachholbedarf", so Zünkeler. "Die wird aber vom Staat getrieben oder aber gebremst. Und die IT-Investitionen in deutschen Krankenhäusern sind im internationalen vergleich einfach lächerlich", fügt der Torex-Mann hinzu. Von einer Konsolidierungswelle, wie sie die kleinen Anbieter trifft, sei sein Unternehmen aber nicht betroffen: "Wir können das durch internationale Geschäfte ausgleichen." Hardware-seitig baut Torex auf die Partnerschaft mit Fujitsu Siemens sowie auf die Zusammenarbeit mit Fachhändlern, die spezifisches Know-how mitbringen.

Beschaffung bei Fachhändlern und Systemhäusern

Speziallösungen für medizinisches Gerät werden auch von anderen Herstellern und Systemhäusern geliefert. Carl Dujat, Chef der KIS-Consulting-Firma Promedtheus aus Aachen, rät den Kunden bei der Beschaffung von PCs und anderen Hardwarekomponenten zu Fachhändlern und Systemhäusern vor Ort. Sich als Neuling in dem Markt zu etablieren, sei angesichts einer sich bereits ausdünnenden Konkurrenz von rund 400 Anbietern mit enormen Schwierigkeiten und Kosten verbunden. Dujat kann sich über mangelnde Aufträge zur- zeit nicht beklagen: "Seit einem halben Jahr besteht ein erhöhter Beratungsbedarf. Das heißt aber nicht, dass sich das sofort in den Auftragsbüchern der Hersteller und Systemanbieter niederschlägt. IT-Security kommt so langsam ins Rollen, man macht sich darüber aber noch zu wenig Gedanken. Andere Themen wie Web-Technologien für die elektronische Patientenakte stehen wiederum im Widerspruch zum Datenschutz, der bei uns in Deutschland besonders groß geschrieben wird." Eine Personaleinsparung durch KIS sieht Dujat nicht. Vielmehr verlagere sich der Verwaltungsaufwand der Ärzte zu Gunsten der medizinischen Versorgung der Patienten.

www.frost.com

www.torex.de

www.promedtheus.de

ComputerPartner-Meinung:

Wenn Klinik-Informationssysteme nur bewirken, dass die Ärzte weniger Verwaltungsaufwand und mehr Zeit für die Patienten haben, dann ist schon viel gewonnen. Bedarf ist da. Viele Pläne scheitern jedoch schon an den alten hierarchischen Strukturen und den knappen Geldmitteln in den Krankenhäusern. Schade eigentlich. Denn auch wenn sich die Systeme nicht so schnell amortisieren mögen, liegen die Einsparpotenziale auf der Hand. (kh)

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