IT-Battle

Ist Windows Phone tot?



Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Microsoft schreibt 7,6 Milliarden Dollar für seine Handy-Sparte ab und streicht wohl bis zu 7800 Jobs im Smartphone-Geschäft. Ist das das Ende von Windows Phone? Die Redakteure Manfred Bremmer und Jürgen Hill diskutieren das Pro und Contra der Microsoft-Entscheidung.

Pro: Bye Bye Windows Phone

Jürgen Hill, Teamleiter Technologie

Foto: Joachim Wendler

Schade, gerade als ich mich langsam an Windows Phone gewöhnt hatte - das Betriebssystem ist in der Praxis besser als sein Ruf und sowohl iOS als auch Android können an mancher Stelle in Sachen Usability von Windows Phone lernen - verkündet Microsoft das Ende des mobilen Betriebssystems. Anders sind für mich die jüngsten Meldungen, 7,6 Milliarden abzuschreiben und bis zu 7800 Jobs im Phone-Bereich zu streichen, nicht zu interpretieren. An die Story, dass dies die Chance auf einen großen Neuanfang sei, glaubt doch kein Mensch. Und mit drei Modellen pro Jahr - eins im Billig-Segment, eins für den Fanboy und eins für den Business-Kunden - überleben? Das Beispiel Blackberry zeigt nur zu gut, wie ein Unternehmen damit an der Grenze der Wahrnehmbarkeit im Smartphone-Business vor sich hindümpelt.

Ebenso wenig glaube ich, dass nun dank des Rückzugs Microsofts massenhaft andere Hersteller auf den Windows-Phone-Zug aufspringen werden. Schon in den letzten Jahren waren rund 90 Prozent der verkauften Windows Phones lediglich Microsoft-Hardware. Dass eine solche Software-only-Strategie scheitern muss, zeigt zudem ein anderes Beispiel: HP brachte mit großem Brimborium sein Tablet mit dem eigenem Betriebssystem WebOS auf den Markt und stellte dann die Hardware-Produktion ein. Am Betriebssystem WebOS hatte danach niemand ernsthaft Interesse, obwohl HP es zu Opensource erklärte.

Und nur ein Modell pro Jahr für Consumer? Das Beispiel Blackberry zeigt doch nur zu gut, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Wer Smartphones bauen oder ein entsprechendes Betriebssystem vermarkten will, braucht die Consumer-Massen. Denn nur so finden sich die Entwickler, die die Apps entwickeln, die letztlich über den Erfolg einer Smartphone-Plattform entscheiden. Und genau da fehlte es bei Windows Phone auch.

Deshalb gibt es von mir zur Zukunft von Windows Phone nur ein Trauerndes "Rest in peace", es war schön mit dir und der Markt hätte eine ernsthafte Alternative zum Duopol von Android und iOS brauchen können.

Contra: "Nochmal mit mehr Gefühl"

Manfred Bremmer, Redakteur

Sicher: Eine weitere Milliardenabschreibung im Zusammenhang mit der Übernahme der Gerätesparte von Nokia vor einem Jahr und der Abbau von zusätzlichen bis zu 7800 Mitarbeitern wirkt zunächst wie eine Bankrotterklärung für die hauseigene Plattform Windows Phone. Tatsächlich nimmt Microsoft-Chef Satya Nadella damit aber eine Strategieänderung vor, die nun hoffentlich in die richtige Richtung geht und Wirkung zeigt.

Die Diagnose ist klar: Als sein Vorgänger Steve Ballmer im Herbst 2013 in seiner bulligen Art beschloss, das Zepter selbst in die Hand zu nehmen und die Handy- und Smartphone-Geschäft der Finnen aufzukaufen, brachte er den Konzern in eine gefährliche Position: Er wurde im Smartphone-Geschäft zu einem mächtigen Konkurrenten seiner Lizenznehmer von Windows Phone und überflutete den Markt mit einer Riesenanzahl von fast schon unverschämt günstigen Lumia-Smartphones. Als Resultat sind größere OEMs wie HTC, Samsung oder LG mittlerweile nicht mal mehr mit Geld, geschweige denn guten Worten zum Bau neuer Windows Phones zu bewegen - dass Microsoft mehr als 90 Prozent Marktanteil bei Windows Phone aufweist, dürfte Abschreckung genug sein.

Ballmer-Nachfolger Nadella will nun die Sache etwas kleiner angehen: Berichten zufolge kommen künftig nur je ein oder zwei Telefone aus den Kategorien Business-Devices, günstige Einstiegsgeräte und Produktflaggschiff auf den Markt. Dies mindert im worst case die Verluste - positiv betrachtet, sorgt diese Strategie ähnlich wie bei den eigenen Surface-Modellen oder auch Googles Nexus-Reihe für Impulse und sichert gleichzeitig eine Grundversorgung, ohne den OEMs weiterhin die Luft zum Atmen zu nehmen.

Auch der Plan, sich aus einigen wenig erfolgversprechenden Märkten und Carrier-Beziehungen zurückzuziehen, macht Sinn: So weist Windows Phone zwar weltweit einen Marktanteil von zwei oder drei Prozent auf. Gerne wird aber übersehen, welche Erfolge die Plattform in einigen Regionen feiert, In Italien und Frankreich liegt der jüngste Marktanteil laut Kantar Worldpanel bei 13,9 (vor iOS!) beziehungsweise knapp zwölf Prozent, in Deutschland kommt Windows Phone auf passable acht Prozent.

Scheitern sieht anders aus: In Italien liegt Windows Phone sogar vor iOS
Scheitern sieht anders aus: In Italien liegt Windows Phone sogar vor iOS
Foto: Kantar Worldpanel

Gleichzeitig beginnen auch mehr und mehr Unternehmen, sich für Windows Phones als Business-Geräte zu interessieren, zumal bei vielen IT-Entscheidern die mit Windows 10 und Universal Apps versprochene Story von einem System für alle Devices offenbar gut ankommt. Hier tut Microsoft gut daran, weiterhin den Nachschub mit aktuellen Geräten zu gewährleisten - zugegeben ähnlich wie Blackberry, aber sicher aus einer ganz anderen Position heraus.

Ob der Plan aufgeht, muss sich zeigen. Viel mehr verlieren kann Microsoft aber nicht. Die Sparte ist nun weitgehend abgeschrieben und dank der Ausweitung seiner Lösungen auf Android und iOS ist Microsoft nicht unbedingt auf Windows 10 Mobile angewiesen, um im Mobility-Geschäft erfolgreich zu sein - ins Zentrum sind längst die Office-Apps und Cloud-Lösungen gewandert.

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