IT-Ausgaben in USA und Europa liegen weit unter den Erwartungen

01.11.2001
Durch Gewinnwarnungen, Absatzkrise und Preisverfall ohnehin schon schwer angeschlagen, sieht die IT-Branche in Europa und den USA nach den Ereignissen vom 11. September noch düstereren Zeiten entgegen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Global Touch und Morgan Stanley.

Das dritte Quartal 2001 war für die meisten US-amerikanischen und europäischen IT-Unternehmen eine Katastrophe. Die Umsätze blieben meist deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dem Fass den Boden ausgeschlagen haben die Terroranschläge auf die Twin Towers in New York und das Pentagon in Washington, in deren Folge sich der Nachfragerückgang bei den Verbrauchern und Firmen insbesondere in den USA noch mehr verstärkt hat.

Ein umfassendes Stimmungsbild zeichnet eine Umfrage, welche die amerikanischen Analysten von Global Touch und Morgan Stanley für den "Channel Tracker Report" auf beiden Seiten des großen Teiches nach dem 11. September bei fast 500 IT-Handelsunternehmen durchgeführt haben. Dazu gehören Distributoren, Fachhändler, VARs, Systemintegratoren, Direktvermarkter und Retailer. Dem Meinungsbild zufolge mehren sich bereits Anzeichen, dass der europäische Markt derzeit vor einem ähnlich großen Einbruch steht wie der amerikanische vor einem Jahr.

Supply Chain auf dünnem Eis

"Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Channel-Partner, die an der letzten Channel-Tracker-Umfrage teilgenommen haben, im vierten Quartal und darüber hinaus sehr schweren Zeiten entgegensehen", erklärt Denise Sangster, President und CEO der Unternehmensberatung Global Touch. "Unserer Meinung nach sind die schwache Nachfrage und die Absatzeinbußen der Umfrageteilnehmer beunruhigende Anzeichen für signifikante Auswirkungen auf die gesamte IT-Industrie, insbesondere aber auch auf den Handel."

Wie dünn das Eis nach dem 11. September für viele Unternehmen geworden sei, zeige sich an den branchenübergreifenden spektakulären Firmenpleiten von Swissair und Exite-at-Home. Sollte sich die Absatzsituation in den kommenden Monaten nicht deutlich bessern, könnte die Kombination aus niedrigeren Verkaufszahlen und Margenverfall einen Domino-Effekt von Liquiditätsproblemen auslösen, der die ganze Supply Chain der IT-Industrie erschüttern werde, heißt es in dem Channel-Tracker-Report.

Die Liquiditätsengpässe vieler Unternehmen könnten sich sogar zu einem so großen Flächenbrand ausweiten, dass große Anbieter wie Hewlett-Packard (HP), Compaq und Cisco einspringen müssen, um ihre Distributionskanäle zu retten, warnt der Report und fügt hinzu: "Dies trifft insbesondere auf Schlüsselmärkte wie Deutschland zu."

Düsteres Stimmungsbild

Folgende Einzelergebnisse hat die Studie zutage gefördert:

- Mehr als 60 Prozent aller Umfrageteilnehmer gaben an, dass ihre Umsätze im dritten Quartal zum Teil deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.

- Fast 90 Prozent der US-Unternehmen sprechen für das dritte Quartal von stagnierenden oder sinkenden Umsätzen. In Europa sind es "nur" 75 Prozent.

- 57 Prozent der US- und 18 Prozent der europäischen Unternehmen haben im dritten Quartal erlebt, dass Kunden Kaufvorhaben zurückgezogen oder verschoben haben.

- Auf Jahresbasis haben die US-Unternehmen im dritten Quar-tal herbere Umsatzverluste einstecken müssen als die europäischen.

- 84 Prozent der amerikanischen und 52 Prozent der europäischen Unternehmen klagen über teils sehr starke Einbußen bei Unix-Servern.

- 84 Prozent der amerikanischen Unternehmen meldeten enttäuschende Umsätze mit Enterprise-Storage-Produkten, während sich für 73 Prozent der europäischen die Erwartungen erfüllten. Hüben wie drüben gehen die befragten Unternehmen für das Segment im vierten Quartal jedoch von wieder leicht ansteigenden Umsätzen aus.

- Vom Niedergang des Netzwerkmarktes am schwersten getroffen sind 3Com und Enterasys (Cabletron), während sich Cisco noch relativ gut behaupten konnte. Für das vierte Quartal erwarten 41 Prozent der amerikanischen und 69 Prozent der europäischen Unternehmen für das Netzwerk-Segment einen - wenn auch mageren - leichten Aufwärtstrend.

- In Europa scheint bei PCs Compaq den größten Lagerbestand zu haben und IBM bei Laptops. Beide Unternehmen hatten im dritten Quartal unter zum Teil erheblichen Absatzeinbußen zu leiden.

- Die meisten US-Händler bereiten sich für das vierte Quartal auf stagnierende bis fallende Absatzzahlen für Marken-PCs und -Laptops vor, während die europäischen Händler für PCs und Notebooks von Apple, Compaq, HP und IBM moderate bis starke Wachstumszahlen erwarten.

- Der amerikanische Druckermarkt wird sich nach Ansicht der für die Studie befragten Handelshäuser im vierten Quartal besser entwickeln als der europäische.

Sollte der Absatz im vierten Quartal flach bleiben oder sogar weiter sinken, ist der Studie zufolge damit zu rechnen, dass die Anbieter ihre Preiskämpfe noch verschärfen werden, um den Absatz wieder anzukurbeln. Hauptleidtragende werden die Händler sein, die ohnehin schon mit "rasierklingendünnen" Margen zu kämpfen hätten.

Zum Thema europäischer PC-Markt siehe auch den Artikel auf Seite 26 im aktuellen Heft.

www.globaltouch.com

www.morganstanley.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Studie von Morgan Stanley und Global Touch zeichnet ein arg düsteres Stimmungsbild in der internationalen IT-Distributions- und Handelslandschaft. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass die Umfrage inmitten des Schocks über die Terroranschläge in den USA gemacht wurde und nichts darüber aussagt, wie sich die Verkaufszahlen im gerade angelaufenen vierten Quartal wirklich entwickeln. Abgesehen davon sind PCs und Drucker nicht alles. Was in der Studie überhaupt nicht erwähnt wird, ist das lohnende Geschäft mit Peripheriegeräten wie zum Beispiel Digitalkameras, deren Absatz gerade wegen sinkender Preise zu Weihnachten kräftig anziehen dürfte. (kh)

Zur Startseite