IT-Branche hält verlängerte Garantie für schwierig

06.04.1998

MÜNCHEN: Viel Wind um nichts oder wirklich ein Drama? Deutsche Endverbraucher können sich freuen: Sie kommen in zirka zwei bis drei Jahren in den Genuß einer deutlich verlängerten Produktgarantie für Verbrauchsgüter. Die Leidtragenden der neuen Regelung werden die Einzelhändler sein. Die IT-Branche kritisiert, daß "zwei Jahre Gewährleistung gerade bei Hardware nicht durchführbar ist".Die deutschen Einzelhandelsverbände toben, weil der Handel seine bisher gesetzlich garantierte "Produktgarantie" von nur sechs Monaten gegenüber dem Endverbraucher aufgeben muß. Die Industrie kann dem Ganzen gelassen entgegensehen, weil sie - erst einmal - außen vor bleibt. Der Endkunde kann sich zunächst über die Verbraucherschutzrichtlinie freuen. Aber: "Das Verlängern der Gewährleistungsfrist von sechs Monaten auf zwei jahre wird im Endeffekt der Verbraucher zahlen, denn der Einzelhandel muß die zusätzlichen Kosten umlegen, was anderes bleibt ihm nicht übrigË, lautet die Prognose vom Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Armin Busacker, in Köln.

Hoffnung auf änderung ist fehl am platz

Die Fakten: In der ersten Lesung hat sich das Europäische Parlament mehrheitlich für die "EU-Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien" ausgesprochen. Hoffnung auf eine Kursänderung der Kommission ist aber fehl am Platz: Denn Ende 1999 soll die Richtlinie dann verabschiedet werden, und "entscheidende Veränderungen wird es nicht mehr geben", so ein EU-Beamter in Brüssel. Das heißt, deutsche Endkunden werden spätestens im Jahr 2002 beim Kauf von Konsumgütern - also auch Hard- und Software - von ihrem Fachhändler eine gesetzliche Garantie von mindestens zwei Jahren, statt wie bisher sechs Monaten, erhalten.

EU-Richtlinie betrifft nur Händler und Endkunden

Der Knackpunkt dabei: Diese EU-Richtlinie zielt nur auf das Verhältnis zwischen Händler und Endverbraucher ab. Greift der Gesetzgeber hier nicht ein, hat der Handel gegenüber der Industrie weiter nur Ansprüche im Rahmen von sechs Monaten. Denn Herstellergarantien sind "zusätzliche Leistungen der Industrie, die freiwillig sind". Die Gewährleistung betrifft dagegen "das gesetzlich verbriefte Recht des Verbrauchers", wie HDE-Mann Busacker die beiden Begriffe definiert.

Handel sieht kosten, Industrie nimmt's locker

Die IT-Branche sieht diese Regelung zwiespältig: Auf der einen Seite stehen Kosten und Probleme für den Fachhandel, auf der Herstellerseite wird von "Qualitätsverbesserung" gesprochen. "Bei steigendem Wettbewerb muß der Handel eine verlängerte Gewährleistung übernehmen; er trägt ja auch Verantwortung gegenüber dem Kunden. Außerdem wird dann vielleicht auch der IT-Schrott, der in Deutschland teilweise angeboten wird, verschwinden", meint Comteam-Prokurist Boris Lösch.

"Durch die Einführung des Euro wird sich unsere Kaufkultur amerikanischen Verhältnissen anpassen. Die Ansprüche der Kunden werden automatisch steigen, und dadurch wird die Qualität angehoben", prognostiziert auch Maxdata-Geschäftsführer Holger Lampatz. Die Befürchtung des HDE, der Handel müsse die Kosten alleine tragen, negiert er: "Natürlich kann man Kosten und Leistungen nicht nur auf dem Rücken der Partner austragen. Die Gewährleistungsverlängerung wird sich automatisch auch auf die Industrie verlagern."

Akcent-Vorstand Frank Garrelts teilt diese Perspektive: "Der Fachhandel muß mit seinen Vorlieferanten sprechen, alleine kann der Wiederverkauf das nicht tragen. Distributoren und Hersteller müssen mitziehen."

"Der Appell von Garrelts scheint die Peacock AG in Wünnenberg-Haaren erreicht zu haben: "Der Fachhändler wird versuchen, die zwei Jahre Gewährleistungsfrist über seinen Disti wieder reinzuholen. Wir sehen das als Herausforderung und werden versuchen, die Hersteller mit ins Boot zu ziehen", sagt Heiner Manegold, Bereichsleiter für Service und Garantie bei Peacock. Die Chancen dafür schätzt er gut ein.

Einigkeit herrscht auch in dem Punkt, daß das Einhalten der Gewährleistungsfrist gerade im Hardwarebereich "außerordentlich schwierig ist". Grund: "Wir arbeiten in einem schnellebigen Markt. Die Produktzyklen schreiten schnell fort. Hier zwei Jahre Gewährleistungsfrist einzuhalten, wenn Hardware bereits nach zwölf Monaten als veraltet gilt, ist problematisch", meint Lösch.

Aus drei Gründen hat Deutschland - gemeinsam mit Dänemark - gegen die neue EU-Verbraucherschutzrichtlinie gestimmt, die teilweise auch Einzelhandel und Industrie teilen:

1. Deutschland und Österreich hatten bisher die kürzesten Gewährleistungsfristen in der EU. Für beide Staaten bedeutet die Steigerung auf zwei Jahre einen "fundamentalen Eingriff in das zivile Vertragsrecht".

2. Die neue Richtlinie schließt auch gebrauchte Güter ein. Hier muß der Handel allerdings nur eine Garantie von einem Jahr übernehmen und der Umtausch der Ware soll ausgeschlossen werden.

3. Die Kosten, die mit der Verlängerung auf den mittelständischen Einzelhandel zukommen, könnten immens sein.

Ein EU-Mitarbeiter der Verbraucherschutzkommission in Brüssel versucht, die deutschen Argumente aber zu entkräften: "Die Erhöhung auf zwei Jahre muß man klar als europäischen Kompromiß ansehen; immerhin gibt es andere Länder, die - zumindest theoretisch - zehn bis 15 Jahre Gewährleistung haben. Und wenn die Bundesregierung den mittelständischen Handel vor Zusatzkosten schützen will, kann sie das tun. Denn die gesetzliche Gestaltung bleibt der nationalen Rechtsgebung überlassen."

Eine mächtige Prozesslawine wird auf IT-Handel zurollen

Der Bundesregierung war es zuletzt doch noch gelungen, den Gesetzentwurf im Sinne von Wirtschaft und Einzelhandelsverband zu verändern. Dazu zählt die Möglichkeit, bei Mängeln ein zweistufiges Wahlverfahren für den Verbraucher einzurichten. Danach kann der Kunde nach Gutdünken zwischen Ersatzlieferung und Reparatur wählen.

Aber: Hier muß der sogenannte "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" gewahrt bleiben. "Wenn bei einem Auto der Scheinwerfer kaputt ist, ist das natürlich kein Grund, dem Kunden einen Neuwagen hinzustellen", erklärt der EU-Mitarbeiter weiter.

Aber nicht alles geht so glatt über die Bühne wie das Autobeispiel: So sieht Garrelts als Folge des Verhältnisgrundsatzes "eine Prozeßlawine" auf die Branche zurollen. "Irgendwer muß doch entscheiden, wer recht hat. Der Kunde, wenn er eine Ersatzlieferung verlangt, oder der Händler, wenn er die Hardware nur reparieren will", warnt er. (ch)

Maxdata-Geschäftsführer holger Lampatz verspricht: "Die Gewährleistungsfrist wird sich automatisch auch auf die Industrie verlagern."

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