IT-Branche nur schwach organisiert

06.10.1999

MÜNCHEN: Unzählige Verbände buhlen um die Gunst von Unternehmen im Informationstechnologie-Sektor. Bisher ist es ihnen aber nicht gelungen, die Mehrheit der Systemhäuser und IT-Fachhändler vom Nutzen einer Mitgliedschaft zu überzeugen.Der Hang zur Vereinsmeierei, der den Bundesbürgern gerne nachgesagt wird, ist im deutschen IT-Fachhandel nur ganz schwach ausgeprägt. Einer aktuellen ComputerPartner-Umfrage zufolge gehören magere vier Prozent der befragten Wiederverkäufer einem IT-Verband an. Am stärksten organisiert sind die Bürohändler. Ganze elf Prozent sind Mitglied in einem Verband.

Die Umfrage zeigt, wie groß die Skepsis der Unternehmen gegenüber den Lobbygruppen ist. Die Mehrheit der Fachhändler (60 Prozent) traut den Verbänden der IT-Branche nicht zu, ihre Interessen vernünftig zu vertreten. Dabei steht der kargen Nachfrage auf der einen Seite ein unübersichtliches Angebot an IT-Verbänden auf der anderen Seite gegenüber. Kaum ein Belang oder Bereich der Informationstechnologie, für den sich keine Interessenvertretung findet. Doch im Vergleich zu anderen Branchen ist der Bereich Informationstechnologie (IT) schwach organisiert. Branchenkenner schätzen, daß nur 20 Prozent der Marktteilnehmer in Verbänden oder sonstigen Interessengruppen aktiv sind.

Gleichwohl hat sich die Zahl der Mitglieder in den meisten Verbänden innerhalb der letzten Jahre erhöht. "1987 hatten wir 100 Mitglieder, inzwischen sind es schon 300 berichtet Andrea Bockholt, Pressesprecherin des Bundesverbandes Informations- und Kommunikations-Systeme (BVB). Miriam Hohenfeldt, Sprecherin des Verbandes der Softwareindustrie Deutschland (VSI), weiß ähnliches zu berichten. Die wachsenden Mitgliederzahlen gehen mit der zunehmenden Bedeutung der Wirtschaftssektoren IT und TK Hand in Hand.

Interessenvertretung im Mittelpunkt

Die Leistungen der Verbände ähneln sich: In erster Linie wollen sie eine Kontaktplattform und Rechtsberatung bieten und als Anlaufstelle für berufsbezogene Probleme und Fragestellung dienen. Alle Verbände verfolgen als Hauptziel, Lobbyarbeit für die Interessen ihrer Mitglieder zu leisten.

Die Bilanz der ComputerPartner-Umfrage fällt jedoch genau in diesem Punkt recht nüchtern aus: 36 Prozent der befragten IT-Wiederverkäufer trauen keinem Verband eine adäquate Interessenvertretung zu. "Wir gehören keinem Verband an, weil wir die Erfahrung gemacht haben, daß Aufwand und Nutzen für kleine und mittlere Unternehmen häufig in einem ungünstigen Verhältnis stehen", begründet der Geschäftsführer eines Hamburger Systemhauses sein Desinteresse.

Knapp 30 Prozent der Befragten haben sich noch nie mit dem Thema "Interessenvertretung" befaßt. Ein Zeichen dafür, daß Systemhäuser und Fachhändler starke Einzelkämpfer sind. Den Partnerbeiräten der Hersteller trauen sie noch am ehesten zu, ihre Belange zu vertreten. Vor allem die Partnerbeiräte, die nicht von den Herstellern "einberufen", sondern von den Wiederverkäufern aus eigener Initiative gestartet wurden, haben ein dynamischeres Image als die traditionellen IT-Verbände.

Die von ComputerPartner Befragten zweifeln daran, daß Hersteller, Wiederverkäufer und Anwender tatsächlich an einem Strang ziehen können. "In den Verbänden herrscht kein Teamgeist", glauben 20 Prozent der Wiederverkäufer. Die Interessen der einzelnen seien einfach zu verschieden. Hohe Jahresbeiträge tragen ebenfalls nicht dazu bei, die Lust an einer Mitgliedschaft zu steigern.

Für viele IT-Händler ist es viel wichtiger, Verbänden anzugehören, die außerhalb der Informationstechnologie angesiedelt sind, zum Beispiel dem örtlichen Gewerbeverein oder der Handwerkskammer. Da entstehen Kontakte, die für das tägliche Geschäft lohnender sind als die Mitarbeit in großen Verbänden. (is)

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