Spätestens 2014 werden Umsätze und Erträge im IT-Channel sinken. Treiber dieser Entwicklung sind Cloud Computing und Consumerisatzion.
Von Axel Oppermann (Experton Group)
Der gesamte IT-Channel, egal ob der "PC-Spezialist" (Reseller) um die Ecke, Distributor, ISV (Independent Software Vendor), SI (System Integrator), VAR (Value-added Reseller) oder spezialisierte Lizenzhändler stehen vor enormen Herausforderungen.
Das gesamte Ökosystem wird sich bis spätestens 2014 nachhaltig verändern. Die bereits erodierenden Erträge und Umsätze der klassischen Aktivitäten des jeweiligen Unternehmenstyps werden schmelzen.
Ausschlaggebend hierfür sind im Kern zwei grundsätzliche Strömungen: Einerseits der durch die IT-Industrie induzierte technologische Druck neuer - bzw. angepasster - Bereitstellungsmodelle wie Cloud Computing und auf der anderen Seite die (überwiegend) nachfragerinduzierte Strömung der "Consumerization of IT".
- Cloud-Markt in Deutschland 2012 bis 2017: Investitionen und Ausgaben nach Segmenten (B2B) in Millionen Euro
Quelle: Experton Group 01/2013 - Cloud-Technologien: Marktanteile in Deutschland 2013 (1,55 Milliarden Euro)
Quelle: Experton Group 01/2013 - Das treibt Unternehmen in die Cloud:
mangelnde eigene IT-Ressourcen, Wunsch, vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen Wunsch nach Kostensenkung; schnellere Bereitstellungs- und Evaluierungszeiten (Druck aus Fachabteilungen); mehr Flexibilität; bessere Arbeitsabläufe; Verantwortung für IT-Betrieb stärker auf den Anbieter verschieben
Die einzelnen Entscheider und Unternehmen im IT-Channel stellen sich den Herausforderungen auf unterschiedlichen Wegen. Grundsätzlich sind drei Verhaltensmuster bzw. Segmente zu erkennen:
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"Die Rain Mans", die in ihrer Welt verharren
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"Die Renovierer", die Innovationen bedarfsgerecht vorantreiben
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"Die bauchgefühlgetriebenen Innovierer", die ungestüm das Geschäftsmodell umkrempeln wollen
Das "Rain-Man"-Syndrom
Entscheider, die der Gruppe mit dem "Rain-Man-Syndrom" zuzuordnen sind, lassen sich durch die aufziehenden Veränderungen einfach nicht beeindrucken - sie lassen sie kalt. In autistischer Manier leben sie in ihrer eigenen Welt, ignorieren durch einen abweichenden Informationsverarbeitungsmodus die immer stärker werdenden Vorzeichen der kommenden Veränderungen und konzentrieren sich dabei auf ihre Stärken. Aktuell - und kurzfristig - fahren sie mit diesem Vorgehen gut. Ihr Tagesgeschäft ist weder dramatisch schlecht noch außerordentlich gut, es ist (noch) solide.
Die Renovierer
Die zweite Gruppe - also die "Renovierer" - die Spitzenunternehmen, die in jeder Größenklasse oder Wertschöpfungsstufe anzutreffen sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestehende Geschäftsfelder und Kompetenzen erweitern und ausbauen, eine bedarfsgerechte und kompetenzkonforme Diversifizierung vornehmen und Veränderungen marktkonform dosieren.
- 10 wegweisende Consumer-Trends
Die Analysten identifizieren zehn Makro-Trends, die Technologie, Medien und Dienstleistungen in den kommenden zehn Jahren beeinflussen werden. - 2. Der Einfluss von Be- und Entschleunigung – Der digitale Graben wird größer:
Strukturelle Beschleunigung vor allem durch Upgrades in immer höherer Frequenz ist laut Gartner eine unausweichliche Entwicklung. Mit zwei Schattenseiten allerdings. Erstens wird ein Teil der Bevölkerung zurückgelassen, weil nicht jeder dem Tempo des digitalen Fortschritts folgen kann. Zweitens entsteht ein Bedarf nach Entschleunigung auch auf Seiten der Anwender, die zwar durch immer schnellere IT vordergründig Zeit gewinnen, die aber sogleich wieder von der notwendigen Beschäftigung mit IT-Fragen aufgefressen wird. - 3. Frauen gesucht – Geschlechterpotenziale ausschöpfen:
Frauen stellen die Mehrheit der Bevölkerung und kontrollieren laut Gartner bis zu 80 Prozent der Haushaltsausgaben – darunter so große Posten wie Computer, Autos und Immobilien. Gleichzeitig gebe es immer noch einen eklatanten Mangel an Frauen in Schlüsselpositionen sowie an Technologie-Produkten, die auf weibliche Käufer zugeschnitten sind. Gartner ermahnt die Anbieter deshalb zu einer Nutzung dieses Talentreservoirs sowie zu mehr Kreativität in der Produktentwicklung. - 4. Power Customer ersetzt Customer Power:
König Kunde wird immer mächtiger. Das heißt vor allen Dingen, dass er immer besser darüber informiert ist, in welche Richtungen sein Zepter denn so schwingen kann. Das heißt, dass es häufiger klar begründete Markenwechsel gibt. Aus Gartner-Sicht eröffnet das den Anbietern wunderbare Chancen zur Profilierung von Marken und zur Produktdifferenzierung. Voraussetzung dafür sei allerdings der Aufbau einer echten Beziehung zum Kunden, die auch nach Verkäufen zu pflegen sei – etwa via Support-Leistungen. - 5. Die Lebenslinie sozialer Information:
Kommunikation, Information und das Teilen von Erfahrungen verlagern sich immer mehr in die sozialen Netzwerke. Anbieter von Medien und Inhalten seien deshalb gezwungen, ihre Angebote künftig über soziale, mobile und interaktive Kanäle zu verbreiten. „Social Media stellt weiterhin Herausforderungen für traditionelle Markenbeziehungen und Geschäftsmodelle bereit“, so Gartner. „Darauf muss ein Unternehmen als Ganzes antworten, indem ein kohärentes Social CRM-Programm aufgelegt wird.“ - 6. Menschheit 2.0:
Die Menschen geben einen wachsenden Anteil ihrer Ausgaben für Consumer-Technologie aus, zudem entstehen ständig neue Märkte. Problematisch ist allerdings, dass ein kleiner Teil der Kundschaft die Early-Adopter repräsentiert, die sich begeistert auf jedes neue Produkt werfen. Viele anderen Verbraucher – Gartner schätzt zwei Drittel – wenden sich innovativen Angeboten aber erst mit erheblicher Verzögerung zu. Die Analysten raten den Anbietern deshalb zur Entwicklung von Brücken-Lösungen, um diese große Mehrheit auch so schnell wie möglich mitzunehmen. - 7. Neuverhandlung von Kundenvertrauen:
Bankenkrise, gestürzte Regierungen, Korruption und andere Skandale haben das Ur-Vertrauen in traditionelle Institutionen erschüttert. Die Verbraucher seien deshalb auf der Suche nach neuen Marken, Werten und sozialen Organisationen, denen sie vertrauen können. „Marken, die ihren Kunden durch harte Zeiten helfen, könne große emotionale und kognitive Loyalität auf Kundenseite aufbauen, die sich in Expansion ummünzen lässt“, so Gartner. - 8. Kanäle im Wandel:
Zwar wird immer mehr online eingekauft, aber klassische Läden, Märkte und Kaufhäuser bleiben auf absehbare Zeit der Hauptumsatzbringer. Kunden suchten ein Einkaufserlebnis, ohne in Verkaufskanälen zu denken, so Gartner. Händler sollten deshalb versuchen, das Shopping-Erlebnis so integriert und reibungsfrei wie möglich zu gestalten. Zudem gelte es, Business Intelligence (BI) und Analytics zu nutzen, um das Kundenverhalten besser verstehen und nachvollziehen zu können. - 9. Der Tod der Komplexität:
Kunden mögen Produkte, die einfach und intuitiv verständlich und zu benutzen sind. Je komplexer Technologie werde, umso müssten sich Anbieter deshalb bemühen, das User-Interface überschaubar und simpel zu halten. Gartner rät zu einer Konzentration auf die Vereinfachung von Technologie, Preispolitik und Kommunikation. Zudem sollten Hilfsdienste für überforderte Kunden angeboten werden. - 10. Die Demographie und das Heranwachsen einer neuen Mittelklasse:
Neue Wachstumsmärkte wie etwa China und Indien gewinnen an Bedeutung im Vergleich zu reifen Märkten wie Deutschland oder Japan. Zugleich ist es die Mittelschicht, die einen Großteil der Ausgaben in einer Volkswirtschaft kontrolliert. Gartner rät deshalb zu einem verstärkten Engagement in entstehenden Märkten sowie zum Aufbau eines Verständnisses für lokale Besonderheiten und Präferenzen. Die gesammelten Erfahrungen sollten in den breiteren Innovationsprozess und in die Strategie einfließen.
Innovative Obsessionen sind (nicht immer) zielführend
Die "bauchgefühlgetriebenen Innovierer" lassen sich typischerweise als chaotisch, emotions- und impulsgetrieben sowie obsessiv charakterisieren. Sie verzichten auf Kontinuität und strukturierte sowie reflektierte Veränderungsprozesse. Die interne Selbstbindung, im spieltheoretischen Sinne, ist zwar hoch, die Glaubwürdigkeit jedoch gering. Unternehmen aus den Segmenten 1 und 3 sind für Anwenderunternehmen eine Gefahr, da eine langfristige Lieferantenbeziehung auf schwachen Beinen steht.
Die "bauchgefühlgetriebenen Innovierer" verlassen sich oft auf externe Treiber und zielen auf Innovationen im Portfolio ab. Sie versuchen, ihr Unternehmen, welches auf eingefahrenen und/oder etablierten Strukturen beruht, durch die Ausrichtung auf zukunftsweisende Produkte und Technologien zu beleben. Hierbei handelt es sich oft um einen schlechten Ansatz zur Positionierung und Vermarktung, und dieser funktioniert in der Regel nicht.
Die Entscheider in diesen Unternehmen scheitern beispielsweise an der Umstellung von Servicekonzepten und deren Monetarisierung - zum Beispiel bei der Umstellung von ausschließlich auf "Time & Materials"-Leistungen (T&A) ausgerichteten Geschäftsmodellen auf ein Modell, welches Projektumsätze, T&A sowie Servicegeschäft beinhaltet. Oder bei der Erweiterung von Leistungen, bei gleichzeitig fehlenden personellen Ressourcen.
Balance halten
Selbstverständlich sind Innovationen und Risikobereitschaft die Grundlage für einen dauerhaften Erfolg. Diese Aktivitäten müssen jedoch kanalisiert werden. So sind beispielsweise Effizienzgewinne stärker einzuordnen als pure Innovation.
Hinzu kommt, dass sich Unternehmen in sich wandelnden Märkten nicht nur auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren sollten, sondern vielmehr auch den Kern des Unternehmens - respektive der eigenen Marke - beachten sollten; also quasi auf den Kernextrakt (die Kernessenz) des Unternehmens abzielen müssen.
Mit anderen Worten: Während es sich bei den Kernkompetenzen im Wesentlichen um die Faktoren Wissen, Erfahrung, Ressourcen und Menschen dreht, geht es bei der Kernessenz darum, die Beziehung zwischen dem eigenen Unternehmen (und/oder der eigenen Marke) zu Kunden, Nichtkunden, Mitarbeitern und der Umwelt zu betrachten.
Es geht darum, wofür das Unternehmen oder die Marke steht, und damit auch darum, wohin sich das Unternehmen entwickeln kann - insbesondere kurzfristig. Dabei steht immer die Schaffung neuer Werte für das eigene Unternehmen, die Kunden sowie die Gesellschaft im Vordergrund.
Es muss überlegt werden, ob Wachstum und Innovationen horizontal oder vertikal verfolgt werden sollen. Ein Patentrezept gibt es nicht. Eine vertikale Diversifikation sollte jedoch regelmäßig ein charmanterer und wertvollerer Angang sein. Eine solche Ausrichtung an der Wertschöpfungskette ermöglicht eine Kontinuität in der Entwicklung von Kernkompetenzen und Kernessenz.
Auf eine laterale oder diagonale Diversifikation - also eine Ausrichtung in Bereiche, die in keinem technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem bestehenden Leistungsportfolio stehen, sollte komplett verzichtet werden.
- Marktanteil von Nokia am weltweiten Absatz von Smartphones vom 1. Quartal 2007 bis zum 1. Quartal 2012
- Anteil des iPhone-Umsatzes am Gesamtumsatz von Apple
- Chrome wächst und wächst - Globale Marktanteile bei Webbrowsern
- eBays Transformationsprozess
- Weltweiter Marktanteil PC-Hersteller Q2/09 zu Q2/12 - Lenovo auf Weg zu Nummer 1
- Update im Schneckentempo - Geräte mit Android-Version "Ice Sandwich Cream"
- PayPal erwirtschaftet 38% des Gesamtumsatzes von eBay
- Microsofts Ergebnisse bei Online-Services
- Prognose der weltweiten IT-Ausgaben
- Anzahl der aktiven Nutzer von Facebook in Deutschland von Juli 2009 bis April 2012 (in 1.000)
- Prognostizierte Käufe von eBooks durch eReader-Besitzer in Deutschland bis zum Jahr 2015
- Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Microsoft Corporation in den Geschäftsjahren 2002 bis 2011 (in Millionen US-Dollar)
- Welche Gründe waren für den Kauf eines iPhones ausschlaggebend?
- Durchschnittliche Nutzung des Internets in Minuten pro Tag in den Jahren 1997 bis 2011
- Bilanz der Nationalmannschaft unter Joachim Löw als Trainer von 2006 bis 2012
- Umsätze von Amazon.com vom 1. Quartal 2007 bis zum 4. Quartal 2011 (in Mrd. US-Dollar)
- Umsatz im Markt für Informationstechnik und telekommunikation (inklusive Consumer Electronics) in Deutschland 2007 bis 2012
- Absatz von Apples iPhone weltweit vom 3. Geschäftsquartal 2007 bis zum 2. Geschäftsquartal 2012 (in Millionen Stück) Absatz von Apples iPhone 2007 bis 2011
- Umsatz im Bereich ITK und Consumer Electronics in Deutschland von 2006 bis 2012 nach Segmenten (in Milliarden Euro)
- Bruttoumsatz im Einzelhandel im engeren Sinne in Deutschland von 2000 bis 2012 in Milliarden Euro
- Marktanteile der führenden PC-Hersteller am Absatz weltweit vom 1. Quartal 2009 bis zum 1. Quartal 2012
- Anzahl der geplanten Shopping-Center in Deutschland nach Bundesländern (Stand 27.04.2010)
- Prognostizierte Marktanteile am Absatz von Smartphones weltweit von 2010 bis 2015 nach Betriebssystem
- Populärste Produktkategorien im Online-Handel nach Anzahl der Käufer (in Millionen)
- Umsatz im Bereich Informationstechnik und Telekommunikation in Deutschland von 2008 bis 2012 (in Milliarden Euro)
- Markt und Gewinnanteile von Apple, Samsung und Nokia in der Mobilfunkbranche
- Handelsbilanzsaldo in Deutschland von Juni 2011 bis Juni 2012 (saison- und kalenderbereinigte Werte in Milliarden Euro)
- Umsatzentwicklung von Tech-Unternehmen
- Marktanteile der führenden Anbieter von Breitbandinternet in Deutschland vom 1. Quartal 2011 bis zum 1. Quartal 2012
- Absatz der führenden PC-Hersteller in Deutschland vom 1. Quartal 2009 bis zum 2. Quartal 2012
- Apple beherrscht wachsenden Tablet-Markt
Was bleibt?
Letztendlich müssen sich alle Entscheider in den skizzierten Unternehmen auf ihr Urteilsvermögen und die eigene Intuition verlassen. Jedoch sollte auch klar sein, dass in den meisten Fällen der Schwarm den Einzelnen schlägt. Es gilt grundsätzlich, vor umfassenden Innovationsmaßnahmen die eigene Organisation zu "renovieren". Dies bezieht sich sowohl auf Prozesse als auch auf Strukturen. Jedoch besonders auf Denkmuster. Eine Anpassung - also eine "Renovierung" - der Denkmuster ist ausschlaggebend für den nachhaltigen Erfolg in dynamischen und herausfordernden Märkten. Hierzu zählt auch eine veränderte Betrachtung und Bewertung des Wettbewerbs.
(rb)