Cloud & Consumerization

IT-Channel vor enormen Herausforderungen

13.08.2012
Laut Experton-Analyst Axel Oppermann werden spätestens 2014 Umsätze und Erträge der IT-Vertriebspartner sinken, verursacht durch Cloud und Consumerisatzion.

Spätestens 2014 werden Umsätze und Erträge im IT-Channel sinken. Treiber dieser Entwicklung sind Cloud Computing und Consumerisatzion.
Von Axel Oppermann (Experton Group)
Der gesamte IT-Channel, egal ob der "PC-Spezialist" (Reseller) um die Ecke, Distributor, ISV (Independent Software Vendor), SI (System Integrator), VAR (Value-added Reseller) oder spezialisierte Lizenzhändler stehen vor enormen Herausforderungen.
Das gesamte Ökosystem wird sich bis spätestens 2014 nachhaltig verändern. Die bereits erodierenden Erträge und Umsätze der klassischen Aktivitäten des jeweiligen Unternehmenstyps werden schmelzen.

Ausschlaggebend hierfür sind im Kern zwei grundsätzliche Strömungen: Einerseits der durch die IT-Industrie induzierte technologische Druck neuer - bzw. angepasster - Bereitstellungsmodelle wie Cloud Computing und auf der anderen Seite die (überwiegend) nachfragerinduzierte Strömung der "Consumerization of IT".

Die einzelnen Entscheider und Unternehmen im IT-Channel stellen sich den Herausforderungen auf unterschiedlichen Wegen. Grundsätzlich sind drei Verhaltensmuster bzw. Segmente zu erkennen:

  1. "Die Rain Mans", die in ihrer Welt verharren

  2. "Die Renovierer", die Innovationen bedarfsgerecht vorantreiben

  3. "Die bauchgefühlgetriebenen Innovierer", die ungestüm das Geschäftsmodell umkrempeln wollen

Das "Rain-Man"-Syndrom

Entscheider, die der Gruppe mit dem "Rain-Man-Syndrom" zuzuordnen sind, lassen sich durch die aufziehenden Veränderungen einfach nicht beeindrucken - sie lassen sie kalt. In autistischer Manier leben sie in ihrer eigenen Welt, ignorieren durch einen abweichenden Informationsverarbeitungsmodus die immer stärker werdenden Vorzeichen der kommenden Veränderungen und konzentrieren sich dabei auf ihre Stärken. Aktuell - und kurzfristig - fahren sie mit diesem Vorgehen gut. Ihr Tagesgeschäft ist weder dramatisch schlecht noch außerordentlich gut, es ist (noch) solide.

Die Renovierer

Die zweite Gruppe - also die "Renovierer" - die Spitzenunternehmen, die in jeder Größenklasse oder Wertschöpfungsstufe anzutreffen sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestehende Geschäftsfelder und Kompetenzen erweitern und ausbauen, eine bedarfsgerechte und kompetenzkonforme Diversifizierung vornehmen und Veränderungen marktkonform dosieren.

Innovative Obsessionen sind (nicht immer) zielführend

Die "bauchgefühlgetriebenen Innovierer" lassen sich typischerweise als chaotisch, emotions- und impulsgetrieben sowie obsessiv charakterisieren. Sie verzichten auf Kontinuität und strukturierte sowie reflektierte Veränderungsprozesse. Die interne Selbstbindung, im spieltheoretischen Sinne, ist zwar hoch, die Glaubwürdigkeit jedoch gering. Unternehmen aus den Segmenten 1 und 3 sind für Anwenderunternehmen eine Gefahr, da eine langfristige Lieferantenbeziehung auf schwachen Beinen steht.

Die "bauchgefühlgetriebenen Innovierer" verlassen sich oft auf externe Treiber und zielen auf Innovationen im Portfolio ab. Sie versuchen, ihr Unternehmen, welches auf eingefahrenen und/oder etablierten Strukturen beruht, durch die Ausrichtung auf zukunftsweisende Produkte und Technologien zu beleben. Hierbei handelt es sich oft um einen schlechten Ansatz zur Positionierung und Vermarktung, und dieser funktioniert in der Regel nicht.

Die Entscheider in diesen Unternehmen scheitern beispielsweise an der Umstellung von Servicekonzepten und deren Monetarisierung - zum Beispiel bei der Umstellung von ausschließlich auf "Time & Materials"-Leistungen (T&A) ausgerichteten Geschäftsmodellen auf ein Modell, welches Projektumsätze, T&A sowie Servicegeschäft beinhaltet. Oder bei der Erweiterung von Leistungen, bei gleichzeitig fehlenden personellen Ressourcen.

Balance halten

Selbstverständlich sind Innovationen und Risikobereitschaft die Grundlage für einen dauerhaften Erfolg. Diese Aktivitäten müssen jedoch kanalisiert werden. So sind beispielsweise Effizienzgewinne stärker einzuordnen als pure Innovation.

Hinzu kommt, dass sich Unternehmen in sich wandelnden Märkten nicht nur auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren sollten, sondern vielmehr auch den Kern des Unternehmens - respektive der eigenen Marke - beachten sollten; also quasi auf den Kernextrakt (die Kernessenz) des Unternehmens abzielen müssen.

Mit anderen Worten: Während es sich bei den Kernkompetenzen im Wesentlichen um die Faktoren Wissen, Erfahrung, Ressourcen und Menschen dreht, geht es bei der Kernessenz darum, die Beziehung zwischen dem eigenen Unternehmen (und/oder der eigenen Marke) zu Kunden, Nichtkunden, Mitarbeitern und der Umwelt zu betrachten.
Es geht darum, wofür das Unternehmen oder die Marke steht, und damit auch darum, wohin sich das Unternehmen entwickeln kann - insbesondere kurzfristig. Dabei steht immer die Schaffung neuer Werte für das eigene Unternehmen, die Kunden sowie die Gesellschaft im Vordergrund.

Es muss überlegt werden, ob Wachstum und Innovationen horizontal oder vertikal verfolgt werden sollen. Ein Patentrezept gibt es nicht. Eine vertikale Diversifikation sollte jedoch regelmäßig ein charmanterer und wertvollerer Angang sein. Eine solche Ausrichtung an der Wertschöpfungskette ermöglicht eine Kontinuität in der Entwicklung von Kernkompetenzen und Kernessenz.

Auf eine laterale oder diagonale Diversifikation - also eine Ausrichtung in Bereiche, die in keinem technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem bestehenden Leistungsportfolio stehen, sollte komplett verzichtet werden.

Was bleibt?

Letztendlich müssen sich alle Entscheider in den skizzierten Unternehmen auf ihr Urteilsvermögen und die eigene Intuition verlassen. Jedoch sollte auch klar sein, dass in den meisten Fällen der Schwarm den Einzelnen schlägt. Es gilt grundsätzlich, vor umfassenden Innovationsmaßnahmen die eigene Organisation zu "renovieren". Dies bezieht sich sowohl auf Prozesse als auch auf Strukturen. Jedoch besonders auf Denkmuster. Eine Anpassung - also eine "Renovierung" - der Denkmuster ist ausschlaggebend für den nachhaltigen Erfolg in dynamischen und herausfordernden Märkten. Hierzu zählt auch eine veränderte Betrachtung und Bewertung des Wettbewerbs.

(rb)

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