IT-Handel muss mit strengeren Vergabekriterien bei Krediten rechnen

25.05.2001
Einen Kredit bei einer Bank oder Sparkasse zu bekommen wird schwieriger und teurer - vor allem trifftdies kleine und mittelständische Unternehmen. In Zukunft wird sich die Situation noch verschärfen. Helmut Ibsch* hat einige nützliche Tipps für IT-Händler parat.

Schon heute beklagen viele Betriebe eine geringere Bereitschaft der Banken bei der Kreditvergabe. Schuld daran ist das so genannte "Rating", ein für die Banken künftig zwingendes Verfahren zur systematischen und standardisierten Prüfung der Kreditwürdigkeit ihrer Kunden.

Derzeit ist das Rating, das ab 2004 für die Banken verbindlich werden soll, in aller Munde. Es vergeht kaum kein Tag, an dem in der überregionalen Wirschaftspresse nicht darüber berichtet wird.

Worum geht es dabei genau? Was ist Rating eigentlich? Zunächst einmal ist Rating gar nichts Neues. Schon heute prüfen die Banken natürlich die Bonität, das heißt die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden - jeweils mit ihren eigenen Verfahren. Das müssen sie in Zukunft sehr viel intensiver und auf der Grundlage genau festgelegter Regularien tun. Gefordert wird das im "Basel-II-Papier". Der Ausschuss für Bankenaufsicht bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel hat es als international geltenden Eigenkapitalstandard für Banken erarbeitet, der 2004 in nationales Recht umgesetzt werden soll.

Sie werden sich vielleicht fragen: Und was hat das alles mit mir und meinem Geschäft zu tun? Eine ganze Menge. Erste Reaktionen gehen von dramatischen Veränderungen im Kreditgeschäft aus, von verschärfter Kreditvergabepolitik der Banken und sich verschlechternden Konditionen. Fest steht, dass bereits heute - drei Jahre vor der Umsetzung der Baseler Beschlüsse - vor allem kleine und mittelständische Unternehmen bei Kapitalbeschaffung vor großen Hindernissen stehen.

Kürzung oder Kündigung von Kreditlinien

Die Banken weisen schon seit einiger Zeit regelmäßig darauf hin, dass das Firmenkunden-Kreditgeschäft mangelnde Ergebnisbeiträge bei relativ hohem Risiko liefert. Daher sind vermehrt Kürzungen oder gar Kündigungen von Kreditlinien festzustellen. Das hat zum Beispiel auch eine Untersuchung des Verbandes für den norddeutschen Groß- und Außenhandel ergeben.

Es wird seitens der Banken eine Marktbereinigung einsetzen. Das bedeutet, dass Kreditengagements in Branchen mit besonderen Risiken linear zurückgefahren werden. Die IT-Branche wird nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge wohl zu diesen Branchen zählen.

Bei den Großbanken ist das schon länger der Fall. Das wurde spätestens bei den - allerdings gescheiterten - Fusionsverhandlungen zwischen der Deutschen und der Dresdner Bank klar. Man konzentriert sich dort lieber auf andere, ertragreichere Geschäftsfelder wie das Investment- und Retailbanking. Schon heute steht deshalb fest: Die Bankenwelt verändert sich grundlegend - und somit auch gerade in Deutschland die Form der Unternehmensfinanzierung, die hierzulande zu etwa 80 Prozent über Bankkredite erfolgt, was im internationalen Vergleich viel zu hoch ist.

Die Meinung, Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden sich wegen ihrer besonderen Aufgabenstellungen diesem Vorgang entziehen und höhere Risiken eingehen als Geschäftsbanken, könnte sich sehr schnell als Trugschluss erweisen. Was ist zum Beispiel, wenn sich diese aus Kostengründen weiterhin aus der Fläche zurückziehen, Filialen schließen und Fachhändler sowie Systemhäuser damit ihren vertrauten Ansprechpartner vor Ort verlieren?

Zudem werden Kredite für viele kleine und mittelständische Betriebe teurer werden, weil das oben erwähnte Basel-II-Papier auch noch von den Banken fordert, dass Kredite an bonitätsschwache Kunden stärker mit Eigenkapital zu unterlegen sind als Kredite an bonitätsstarke Kunden. Das lassen sich die Banken natürlich bezahlen. Und betroffen davon werden die kleinen und mittleren Betriebe sein: Wer wird denn schon angesichts knapper Margen, stagnierender oder rückläufiger Gewinne und dünner Eigenkapitaldecke über ein wirklich gutes Rating verfügen?

Bisher scheuten sich die Banken noch davor, ihre Kreditkonditionen stark zu spreizen und so das Risiko einzugehen, als Zinswucherer an den Pranger gestellt zu werden. Im Windschatten der Baseler Beschlüsse dürften den Kreditinstituten derartige Anpassungen leichter fallen.

Rating auch als Chance

Angesichts dieser doch recht unerfreulichen Aussichten fragen sich kleine und mittelständische Unternehmer der IT-Branche wahrscheinlich, was sie jetzt tun sollen. Den Kopf in den Sand stecken? Das brauchen sie nicht und sollten sie auch keinesfalls tun. IT-Wiederverkäufer müssen sich rechtzeitig auf die geänderten Verhältnisse einstellen. Erschreckend ist in diesem Zusammenhang, dass etwa 63 Prozent aller kleinen und mittelständischen Unternehmen in keiner Weise auf das Rating vorbereitet sind, obwohl ihre Kreditwürdigkeit unmittelbar von den Rating-Ergebnissen abhängt. Das hat eine Studie von Price Waterhouse Coopers für dieses Marktsegment ergeben.

Wichtig ist, die eigenen Kennzahlen zu kennen und sich im Branchenvergleich einordnen zu können. Kommt es dann zu Bankgesprächen, kann allein die Tatsache, dass der Unternehmer über Kennzahlen verfügt und seine Position im Wettbewerb darlegen kann, zu einer besseren Einschätzung durch die Bank führen. Der Unternehmer hat seine Kompetenz erhöht und kann das Rating der Bank positiv beeinflussen.

In Zukunft wird Offenheit und Transparenz gegenüber Kreditgebern viel mehr gefragt sein, als es bisher der Fall war. Es geht um eine neue Qualität der Finanzkommunikation. Für die Systemhäuser und Fachhändler, die dies aktiv umsetzen, kann sich Rating auch als echte Chance erweisen.

Bilanzen sollten deshalb sehr viel früher erstellt werden, als es heute im Allgemeinen geschieht. Und wenn die Bank ergänzende beziehungsweise aktuellere Informationen verlangt, sollten betriebswirtschaftliche Auswertungen stets auf dem neuesten Stand sein. Damit liegen qualifizierte Unterlagen vor, die nicht einfach bei der Bank abgegeben werden dürfen, sondern mit dem Bankberater besprochen werden müssen.

Pluspunkte bei der Bank sammeln

Um für solche Gespräche gut vorbereitet zu sein, ist es unerlässlich, sich mit seinen eigenen Zahlen intensiv auseinander zu setzen. Branchenvergleiche und Kennzahlen helfen dabei, die eigene Situation betriebswirtschaftlich richtig zu interpretieren. Hier zeigt sich außerdem, ob es gegebenenfalls Handlungsbedarf gibt. Diesen rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren kann (über-)lebenswichtig sein. Ein solcher Umgang mit den Dingen sowie eine offene Kommunikation wird den Banker beeindrucken und zu Pluspunkten beim Rating führen.

Weit maßgeblicher als vergangenheitsbezogene Bilanzwerte ist beim Rating der Blick in die Zukunft. Wie wird sich mein Unternehmen in den nächsten Jahren entwickeln? Was muss ich tun, um bestimmte Ziele zu erreichen? Gibt es vernünftige Konzepte? Eine auf realistischen Annahmen basierende Planungsrechnung muss Ergebnis solcher Überlegungen sein und sollte der Bank ebenfalls präsentiert werden. Damit können die nächsten Pluspunkte gesammelt werden.

Kreditgeber werden außerdem nicht nur nach harten Zahlen fragen, sondern verstärkt die so genannten "weichen Faktoren" abklopfen. Dazu zählen Dinge wie Branchenperspektiven, Wettbewerbssituation, Qualität des Managements, Qualifizierung der Mitarbeiter, Innovationskraft, Produkt- und Dienstleistungsspektrum oder auch Nachfolgeregelung des Un-ternehmens. Wenn auch hierzu schlüssige Antworten vorliegen, weist das "Rating-Konto" bei der Bank sicherlich ein ansehnliches Guthaben aus.

Von nicht unwesentlicher Bedeutung wird schließlich sein, seiner Bank darzustellen, dass man mit seinem Unternehmen einer starken Verbundgruppe angehört, welche die erforderliche betriebswirtschaftliche Unterstützung bietet. Ein kooperierender Fachhändler ist kein Einzelkämpfer.

*Helmut Ibsch ist Finanzvorstand der Akcent Computerpartner Deutschland AG. Ibsch kommt ursprünglich aus dem Kreditgewerbe und war zuletzt mehr als sechs Jahre Vorstandsmitglied einer norddeutschen Sparkasse. Als Bankenkenner begleitet er das Thema Rating auch in den Verbänden Bitkom und ZGV.

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