IT-Hersteller büssen mit Gewinnrückgang die Yen-Abwertung

25.06.1998

MÜNCHEN: Das Schlagwort Asienkrise beherrscht seit dem Yen-Tiefflug wieder verstärkt die Medien. Analysten gehen davon aus, daß Deutschland nur gering von Wachstumseinbußen betroffen sein wird. Leidtragende der ökonomischen Turbulenzen ist die japanische Industrie - mit schwindelerregenden Gewinnrückgängen.Japan - als zweitstärkste Industrienation weltweit - galt lange Zeit als Vorbild für technologische Innovation und wirtschaftliche Dynamik. Anfang der 90er versuchten westliche Unternehmen noch, östliche Managerphilosophien und "corporate identity made in Nippon" zu übernehmen. Seit letztem Jahr wirken sich Korruption und ein labiles Banken- und Finanzsystem massiv auf den ehemaligen Wachstumsmarkt aus. "Unsere Wirtschaft steht am Rande des Zusammenbruchs", kommentiert sogar Sony-Chairman Norio Ohga gegenüber dem "Manager-Magazin" die Vorgänge im eigenen Land. Bei den deutschen Niederlassungen japanischer IT-Hersteller halten sich die Befürchtungen in Grenzen: "Bisher merken wir von den Auswirkungen der Asienkrise nichts. Unser japanisches Mutterunternehmen hat keine Einstellungsstops angeordnet, und Budgetkürzungen sind derzeit auch nicht im Gespräch", erklärt General Manager Thomas Zanzinger von der Mitsubishi Electric PC-Division in Ratingen. Allerdings leugnet er nicht, daß das Unternehmen - wie andere IT-Hersteller auch - massive Gewinneinbußen im letzten Jahr hinnehmen mußte, vor allem im Konsumgüterbereich wie zum Beispiel PC-Hardware.

Durch Preisverfall werden Produkte günstiger eingekauft

"Fujitsu in Europa operiert unabhängig von Japan. Momentan sind wir sogar Nutznießer der Situation in Asien. Durch die Preissenkungen kaufen wir auf dem Weltmarkt günstiger ein", konstatiert Deutschland-Geschäftsführer Winfried Hoffman der Fujitsu GmbH. Er meint aber auch: "Japans Wirtschaft wird bluten müssen. Es wird eine Welle der Restrukturierung und Sanierung in den Unternehmen geben."

An Kürzungen und Entlassungen können die gebeutelten asiatischen Unternehmen bei ihren deutschen Tochterfirmen nicht interessiert sein. Denn hier fließen - nach Abwertung der eigenen Währung - immer noch kostbare Devisen. "Die Krise in Korea hatte weltweite Straffungen bei Samsung zur Folge, auch in Deutschland. Auf der anderen Seite reagiert das Unternehmen antizyklisch und hat die Marketing- und Sales-Aktivitäten hier verstärkt. Zum Beispiel werden bei uns jetzt zwölf neue Vertriebsmitarbeiter eingestellt", stellt Olaf Litzau, Samsung-Vertriebschef in Schwalbach fest. Dumpingpreise, hervorgerufen durch die Abwertung des südkoreanischen Wongs, sollen für den Hardwarehersteller kein

Thema sein, wie aus unternehmensnahen Kreisen zu hören war. Ein Branchenkenner will aber wissen: "Aus Südkorea wurde Samsung die Marschrichtung vorgegeben, alles zu verkaufen, was geht - und diese Devise des Mutterunternehmens wird auch in Deutschland zu Preiskämpfen führen. Denn die südkoreanische Industrie braucht jetzt dringend harte Währungen."

Die von der Krise betroffenen Unternehmen lesen sich wie das Who-is-Who der internationalen IT-Branche: Hitachis Gewinn sank 1997 um 96 Prozent, bei Fujitsu waren es 88 Prozent, Toshiba büßte 85 Prozent ein und NEC immerhin noch 50 Prozent (siehe dazu auch ComputerPartner Nr. 12/98, Seiten 14 und 15). Einzige Ausnahme: Sony. Der Mischkonzern konnte nach eigenen Angaben insgesamt eine Steigerung im letzten Geschäftsjahr von 59,2 Prozent beim Unternehmensgewinn verzeichnen - mit einem Nettoertrag von 1,68 Milliarden Dollar. Der Grund: Sony agiert stärker auf den internationalen Märkten als andere japanische Hersteller.

Peter Bundgard, General Manager der Display und Printer Division bei der NEC Deutschland GmbH, führt den Einbruch des japanischen Mutterunternehmens nicht ausschließlich auf die Yen-Abwertung zurück: "Da kommen einige Faktoren zusammen. Mit Sicherheit spielen auch die massiven Preissenkungen im Chip-Bereich - neben der allgemeinen ökonomischen Lage in Japan - eine Rolle beim schlechten Abschneiden der Hardwareanbieter."

Auch andere teilen diese Einschätzung: Nicht nur äußere Einflüsse, wie die Yen-Abwertung und Änderungen des Steuersystems, seien schuld an der Krise, sondern auch die Unternehmen selbst, meint ein Marktinsider: "Die japanischen Firmen sind zum großen Teil Gemischtwarenläden, und schnelles Handeln ist ihnen aufgrund ihrer Mentalität fremd. Mit der gesamten Asienkrise sind sie jetzt endlich gezwungen, sich auf ihre Kerngeschäfte zu konzentrieren und möglichst schnell unprofitable Geschäftsbereiche abzustoßen."

"Strukturreformen sind dringend notwendig"

In Japan hängt das Ende der Krise von der Reaktion der Regierung ab: "Japan hat das Ende seiner Misere selbst in der Hand. Dringend notwendig sind Strukturreformen: Ein Konjunkturprogramm muß erarbeitet und die Verflechtung von Politik und Wirtschaft reduziert werden. Große Schwäche ist auch das labile Finanz- und Bankensystem. Das Land kann es sich nicht leisten, weiter so vor sich hinzudümpeln wie bisher", meint Clemens Muth, Analyst bei der Bayerischen Vereinsbank in München.

Als Auswirkungen der Asienkrise für Europa und Deutschland prognostiziert er vorrangig zwei Effekte: "Auch bei uns wird sich die Konjunktur infolge der sinkenden Exporte leicht abschwächen, allerdings ist Europa davon längst nicht so betroffen wie die USA und Australien. Der zweite Punkt ist der Preiseffekt. Durch die Abwertungen werden die asiatischen Länder wieder - im Vergleich zu Europa und den USA - wettbewerbsfähiger." Als die am meisten von der Asienkrise betroffene deutsche Branche bezeichnet Muth den Maschinenbau.

Taiwans Währung blieb bisher von der großen asiatischen Abwertungswelle verschont - wie lange noch, ist fraglich. Denn als konkurrierender Exporteur könnte es sein, daß der Tigerstaat gezwungen sein wird, massiv nachzuziehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Taiwan hat früh in den Bildungssektor investiert. Der Fokus des Landes liegt nicht auf Produktion, wie zum Beispiel in Malaysia oder Indonesien, sondern auf Entwicklung. Außerdem steht die Wirtschaft und der Bankensektor auf einer soliden finanziellen Basis - anders als in Japan", beschreibt Michael Grote, Acer-Produktmanager, optimistisch die Lage auf der südchinesischen Insel.

Den deutschen EDV-Fachhandel und seine Kunden lassen die Spekulationen und Prognosen rund um die Asienkrise noch kalt: "Japan scheint für unsere Kunden weit weg zu sein. Wenn die deutschen Zeitungen dagegen Meldungen über amerikanische Unternehmen wie zum Beispiel Compaq bringen, merken wir das sofort am Käuferverhalten. Die Kunden sprechen uns dann auch auf Preise an. Die Asienkrise interessiert hier noch nicht", meint Elvira Hutter, Geschäftsführerin des Computerstudios in Weilheim. Obwohl sie viel mit Fujitsu-Produkten handelt, hat sie noch nichts von den prognostizierten Hardwarepreissenkungen gemerkt - auch die Kunden wurden darauf noch nicht aufmerksam. "Fujitsu wird seltsamerweise von den Käufern nicht sofort Japan zugeordnet, sondern allgemein der asiatischen Region", erklärt Geschäftsführerin Hutter.

Das Marktforschungsinstitut IDC sieht von der Asienkrise vor allem Hardwareunternehmen betroffen. Bessere Rahmenbedingungen und Erholung der südostasiatischen IT-Märkte stellen die Analysten frühestens 1999 in Aussicht. Dies gelte aber nur für Firmen, die die Krise überlebt und durch Geduld und konsequente Einsparungen eine solide Ausgangsbasis für den Aufschwung geschaffen hätten, prognostiziert IDC. (ch)

Die sogenannten Tigerstaaten - hier Singapur - haben einiges an Biß verloren.

Zur Startseite