IT-Krisen kommen und gehen - die Frage ist nur: Was kommt danach ?

26.09.2002
Ganz anders als vor einem Jahr fand das diesjährige IDC "European IT-Forum" unter dem Motto "Rebound" - sprich Aufschwung - statt. IT-Krisen kommen und gehen. Die Frage ist nur, wie schnell und mit welchen Technologien findet die Branche nach vielen zerplatzen Träumen den Weg zurück zu normalem, anhaltendem Wachstum?

Bei seiner Eröffnungsrede zu dem diesjährigen "European IT-Forum", zu dem er Anfang voriger Woche in Monaco geladen hatte, erinnerte IDC-Chefanalyst John Gantz an das Treffen vor einem Jahr. Die ITK-Branche lag danieder, die Weltwirtschaft schlitterte in eine Rezession, die Twin Towers des World Trade Centers rauchten noch, und viele Redner aus den USA konnten nicht erscheinen. Diesmal waren es 45, einschließlich Professoren und Experten namhafter Branchenunternehmen.

Noch ist die Krise nicht beendet, mit der Enron- und Worldcom-Pleite zog sie sogar noch größere Kreise. Es mehren sich jedoch erste Anzeichen, dass der Aufschwung (englisch: Rebound) nicht mehr lange auf sich warten lässt. "Die Frage ist nur: Wie lange müssen wir noch ausharren?", so Gantz. Für ihn wie für IDG-Chef Patrick McGovern, der das IT-Forum eröffnete, ist auch diese Krise die schlimmste seit den Anfängen der IT-Industrie, Teil eines zyklischen Auf und Ab: Ende der 60er-Jahre brach der Mainframe-Markt ein, Mitte der 80er-Jahre erstmals der PC-Markt, Anfang der 90er-Jahre eine neue Krise. Über allem stehe aber, dass die weltweiten IT-Ausgaben zwischen 1960 und 1999 von praktisch null auf über eine Billion Dollar gestiegen seien. Jetzt, drei Jahre später, nähere sich die ITK-Branche bereits der Drei-Billionen-Marke. "Die Wirtschaft ist nicht mehr unser Feind", erklärt Gantz im Hinblick auf eine verbesserte konjunkturelle Lage in Europa und Amerika. Darüber hinaus wachse die Branche immer noch auf deutlich höherem Niveau als das Bruttosozialprodukt auf beiden Seiten des großen Teiches. Als treibende Kräfte für den erneuten Aufschwung sieht Gantz folgende fünf Punkte:

- Internet und E-Commerce: Die Zahl der europäischen Web-User werde sich zwischen 2001 und 2006 auf 313 Millionen fast verdoppeln, die Zahl der Transaktionen sogar vervierfachen. Das E-Commerce-Volumen werde von 156 Milliarden auf 2.077 Milliarden ansteigen. Das klingt sehr hoch, aber der Gesamtwert des europäischen Handelsvolumens einschließlich Einzelhandel wird auf rund 16 Billionen Dollar geschätzt. "Die New Economy ist nicht tot, sondern kommt nur im Gewand der Old Economy", betont Gantz.

- Wireless, Breitband und Voice over IP: Wireless LAN in Hotspots wird in Europa bis 2006 um jährlich 22 Prozent wachsen, die Zahl der Breitband-Haushalte werde sich alle zwei Jahre sogar verdoppeln, sodass Ende 2006 schon 58 Prozent blitzschnell im Internet surfen können. Da, wo früher Daten über Telefonleitungen liefen, wird die Zahl der Gesprächsminuten, die über Datenleitungen geführt werden, bis 2006 weltweit von unter 20 auf über 500 Milliarden ansteigen.

- Mobilfunk und Internet wachsen immer mehr zusammen. Bis 2006 wird die Mehrheit der neuen Internet-Nutzer in Europa mobil ins Netz gehen.

- Integration und Web-Services erlangen immer mehr an Bedeutung. Denn viele Unternehmen denken derzeit intensiv darüber nach, wie sie ihre Backend-Systeme mit dem Internet verbinden können. In diesem Zusammenhang wächst auch das Interesse an Mobile Internet.

- Security ist ein anderes großes Thema, das viele Unternehmen bisher noch zu sehr vernachlässigt haben. Seit 1999 sind die B-to-B-Transaktionen um das Tausendfache gestiegen, die Investitionen in Sicherheitssysteme jedoch nur um 70 Prozent. Hier werde in den nächsten Jahren noch kräftig nachgerüstet, verspricht Gantz.

- Globalisierung erschließt Märkte und führt den Unternehmen wie deren Mitarbeitern viele neue Aufgaben zu. Im größten Wachstumsmarkt China bestehe zum Beispiel noch ein Riesennachholbedarf nach Services. PDAs und andere kleinere wie preiswertere Web-Zugangsgeräte trügen weiter zur Öffnung neuer aufstrebender Märkte bei.

Bei all den aussichtsreichen Technologien und Indikatoren warnt Gantz aber auch vor neuen Risiken und Hemmnissen für die Branche. Da sind zum Beispiel die sich immer mehr verschärfenden Preiskämpfe zu nennen, dann die massiven Schuldenberge, welche die Telekommunikationsunternehmen im Hinblick auf eine Technologie mit ungewisser Zukunft (UMTS) angehäuft haben und schließlich der drohende Irak-Krieg, der eine neue Ölkrise auslösen könnte.

Seine Prognosen und Empfehlungen für die nächsten Jahre lauten jedoch: "2003 wird das Jahr der Konsolidierung und eines neuen, wenn auch nicht übermäßig starken, Wachstums. Finden Sie die richtigen Segmente und bleiben Sie eng am Kunden. Das braucht Leute, Systeme und den richtigen Riecher am Markt."

www.idc.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Zyklus-Theorie von IDC-Chef John Gantz klingt banal und scheint wie das Angebot eines Strohhalms an einen Ertrinkenden. Doch ist die ganze ITK-Branche wirklich am Ertrinken? Nein, sie ist nach dem Millennium- und Dotcom-Hype vielleicht etwas nass geworden oder auf die Nase gefallen. Und es gibt tatsächlich noch jede Menge Hoffnungsträger. Um die auszugraben, müssen aber etliche Unternehmen, hier vor allem die ehemaligen Telefonmonopolisten noch einmal kräftig umdenken lernen. (kh)

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