IT-Lehrberufe: trotz Kinderkrankheiten beliebt

14.09.2000
Am 1. August 1997, also vor rund drei Jahren, fiel der Startschuss für die vier neuen IT-Ausbildungsberufe. Mittlerweile befinden sich etwa 26.000 Lehrlinge im Rennen, und ein Teil von ihnen nimmt gerade die letzte Hürde: die Abschlussprüfung.

Durch die Einführung der vier neuen IT-Lehrberufe haben Fachhandel und Sys-temhäuser seit drei Jahren die Möglichkeit, Fachkräfte im eigenen Unternehmen heranzuziehen und so ihren Personalbedarf wenigstens zum Teil zu decken. Viele Betriebe haben hiervon schon im ersten Jahr Gebrauch gemacht: Rund 4.800 Lehrlinge konnten 1997 eine Ausbildung als IT-Sys-temelektroniker, Fachinformatiker, IT-Systemkaufmann/-kauffrau oder Informatikkaufmann/-kauffrau beginnen.

Die "Neuen" werden akzeptiert

Dass nicht von Anfang an mehr Verträge abgeschlossen wurden, ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Berufe weder den Unternehmen noch den Jugendlichen bekannt waren. So ist auch Mat-thias Zirngibl, Fachinformatiker der Fachrichtung Systemintegration im zweiten Lehrjahr, nur durch Zufall auf den neuen Beruf aufmerksam geworden: "Eigentlich hatte ich mich als Telekommunikations-Techniker beworben. Beim Vorstellungsgespräch hat man mir dann gesagt, dass Auszubildende für den Beruf des Fachinformatikers gesucht würden. Mir hat der Beruf sofort gefallen." Mittlerweile machen Ausbildungsberater, Kammern, Fach- und Branchenverbände massiv Werbung für die neuen IT-Berufe, und die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge hat sich binnen zwei Jahren fast verdreifacht: Momentan befinden sich insgesamt etwa 26.000 junge Leute in der Ausbildung zu einem der neuen IT-Berufe (siehe Grafik). "Das zeigt, dass sowohl die Jugendlichen als auch die Unternehmen die neuen Ausbildungsberufe akzeptieren", stellt Jörg Engelmann, Referent für Berufsbildung beim DIHT, zufrieden fest.

Fundiertes Basiswissen erwünscht

Bislang stellten die Firmen vor allem Abiturienten und Absolventen von Fachhochschulen für die Ausbildung am PC ein: Ein Abitur hat über die Hälfte der Lehrlinge in der Tasche, einen Realschulabschluss haben dagegen nicht einmal 30 Prozent. Von den Beruflichen Schulen kommen durchschnittlich zehn Prozent der Lehrlinge, und Hauptschulabsolventen stellen laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln lediglich acht Prozent der Azubis. Grund für die mangelnde Präsenz der Real- und Hauptschulabsolventen unter den IT-Auszubildenden: Den Jugendlichen fehlt es oft an fundierten Kenntnissen in Englisch und Mathematik sowie an grundlegendem modernen Technik- und Computerwissen. So stellt auch DIHT-Referent Engelmann fest: "Viele Betriebe haben trotz großer Nachfrage Probleme, ihre Lehrstellen zu besetzen, weil die Bewerber nicht die richtigen Voraussetzungen mitbringen." Das bestätigt Michael Mannek, Ausbildungsleiter bei der Arxes Information Design AG in Köln: "Einige Bewerber sind sich über die Anforderungen und Tätigkeiten in diesem Berufsfeld nicht bewusst und haben große Schwierigkeiten mit dem Lernstoff in den Berufsschulen und in den Betrieben."

Deshalb legt Wolfgang Carstensen von der Computerecke Carstensen GmbH in Bad Salzuflen bei der Bewerberauswahl Wert darauf, dass seine Lehrlinge realitätsnah denken können und über technisches Verständnis sowie ein sicheres Auftreten verfügen. Außerdem rät er: "Laden Sie die Bewerber ruhig für ein paar Tage in den Betrieb ein um zu sehen, wie sie sich verhalten. Stehen sie nur desinteressiert herum, oder versuchen sie, so gut sie können mitzumachen?" Um Fehlbesetzungen zu vermeiden, schaut auch die Unirez GmbH aus Detmold nicht nur auf die Schulbildung, sondern führt einen selbst erstellten Test durch, bei dem vor allem mathematische Kenntnisse und die Fähigkeit, Texte zu analysieren, geprüft werden. Einer, der schon einiges an Wissen in die Ausbildung mitbringen konnte, ist Christian Werner, Fachinformatiker Anwendungsentwicklung im zweiten Jahr bei der Rehau AG + Co: "Im Informatikunterricht am Gymnasium habe ich Basic und Pascal gelernt. Anschließend habe ich ein Elektrotechnik-Studium begonnen, und dort wurden meine Kenntnisse um C und C++ erweitert. Auch privat beschäftige ich mich viel mit dem PC."

Investition in Ausbildung bringt gute Zinsen

Derzeit laufen die Abschlussprüfungen für die ersten Azubis, die dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Und hier sind ihre Chancen trotz Greencard nicht schlecht. Das sehen auch die Lehrlinge selbst so: "Wenn ich Stellenanzeigen lese und sehe, dass händeringend IT-Fachkräfte gesucht werden, dann treibt mir das ein Lächeln ins Gesicht", gesteht Christian Kreul, Auszubildender zum Fachinformatiker für Systemintegration im zweiten Lehrjahr.

"In der Regel werden die Firmen ihre Lehrlinge übernehmen", prognostiziert Petra Kremer von der IHK für München und Oberbayern. Das macht auch Sinn, denn schließlich gewinnt ein Unternehmen auf diese Weise eine Fachkraft, die genau den betrieblichen Anforderungen entspricht und sonst auf dem Arbeitsmarkt nicht zu finden wäre. Dafür muss im Vorfeld aber auch einiges in den Nachwuchs investiert werden. Hier ist vor allem der betriebliche Ausbilder als ständiger Ansprechpartner für die Lehrlinge gefragt. Und obwohl Ausbildungsplätze eine kos-tenintensive Sache für Betriebe sind, lohnt sich der Aufwand den befragten Betrieben zufolge auch finanziell: Bereits im zweiten, spätestens aber im dritten Lehrjahr sollen sich mit den Azubis Gewinne erwirtschaften lassen.

Fachkräftemangel an Berufschulen

Doch nicht alles läuft bei den neuen IT-Berufen rund. So zieht beispielsweise die Schaffung der neuen IT-Lehrstellen einen Mangel an qualifizierten Berufschullehrern nach sich, der auch den Lehrlingen nicht verborgen bleibt. Um Abhilfe zu schaffen, sollen zukünftig IT-Fachkräfte aus Unternehmen - auch ohne eine formale Qualifikation - in Berufsschulen unterrichten.

Außerdem hagelte es nach den ersten Abschlussprüfungen Beschwerden: Die Jugendlichen behaupteten, die Prüfungen hätten zu wenig mit ihrer betrieblichen Realität zu tun, und die lediglich groben Richtlinien in den Lehrplänen würden eine gezielte Prüfungsvorbereitung erschweren. Dazu Stephan Pfisterer, Bitkom-Referent für Bildung und Forschung: "Die Klagen bezüglich der Prüfung haben durchaus einen realen Hintergrund." Denn die Prüfung schere die Lehrlinge mit unterschiedlicher Ausbildung in den einzelnen Betrieben über einen Kamm. Deshalb sei ein Prüfungsverfahren wünschenswert, das die Struktur der Berufe besser abbilde, begründet Pfisterer weiter.

Problematisch ist auch die mangelnde Bereitschaft einiger Firmen, überhaupt in den neuen Berufen auszubilden. Besonders kleine und junge Unternehmen zeigen sich beim Thema Ausbildung in den neuen IT-Berufen noch zurückhaltend: Fehlende personelle und zeitliche Kapazitäten, mangelndes Ausbildungs-Know-how und kaum vorhandene Ausbildungstradition sind die meistgenannten Gründe, warum Betriebe nicht ausbilden. Hier bedarf es noch mehr Aufklärung, damit auch diese Unternehmen mitziehen - beispielsweise indem sich mehrere von ihnen zu einem Verbund zusammenschließen und gemeinsam ausbilden (siehe Kasten "Das Wichtigste auf einen Blick").

Dann könnten vielleicht die bis zum Jahr 2003 geplanten 60.000 Lehrstellen tatsächlich bereitgestellt werden. Jörg Engelmann vom DIHT ist jedenfalls optimistisch: "Bis jetzt läuft’s mit den neuen Ausbildungsberufen ja super - und warum sollte sich das ändern?" (kj)

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