IT mischt den UE-Markt auf

29.11.2001

Niemand weiß eigentlich mehr so genau, wie und wann es entstanden ist, wer es hochgebracht hat?.Plötzlich war es da, das Wort von der "Post-PC-Ära" und mit ihm die Idee einer völlig neuen digitalen Welt, in der alle Heimgeräte vom PC über den Fernseher bis hin zum Kühlschrank miteinander vernetzt werden. In den neuen Begriff, der von der Branche aufgesogen wurde wie kaum ein zweiter, mischt sich aber auch Verzweiflung. Die Verzweiflung darüber, dass der PC-Markt zunehmend von Sättigung, Preis- und Margenverfall bedroht ist. Home-Networking ist in aller Munde. So richtig daran glauben will zwar noch niemand. Vieles deutet aber in die Richtung. So hat die Informationstechnologie längst in vielen artfremden Bereichen Einzug gehalten. Autos, Waschmaschinen und selbst Küchenmixer werden heute schon mit embedded Chips ausgeliefert. Auch in der Hifi- und Fotobranche schreitet die Digitalisierung immer mehr voran, was die wahren Puristen vor Ekel und Argwohn erschüttern lässt. Wie viele in Würde ergraute kleine Feiningers, die den Fotofachhandel besetzen, runzeln heute noch die Stirn, wenn ein Kunde den Wunsch nach einer Digitalkamera äußert? Klar, denn bei Spiegelreflexkameras von Hasselblad, Leica, Nikon und Canon kennen sie sich aus, doch was sollen sie schon zu den digitalen Eindringlingen von Sony und Co. sagen? Jedoch konnten die Buhrufe der Hifi-Freaks den Siegeszug der CD schließlich auch nicht aufhalten.

Mit der Digitalisierung verwischen die früher eng gesteckten Grenzen zwischen Foto-, TK-, IT-, Hifi- und TV-Fachhandel zusehendst. Denn immer mehr Hersteller, die eher aus der IT-Ecke kommen, beginnen auch den Markt für Unterhaltungselektronik zu entdecken und vice versa. Sony zum Beispiel war früher vielen nur aus dem TV- und Radiomarkt bekannt, gilt derzeit aber im Notebook-Segment quasi als Refererenzhersteller. Casio, einst Billiganbieter von Uhren und Taschenrechnern, erhält heute Bestnoten für seine IBM-Microdrive-kompatiblen Digitalkameras. Selbst dem Obermäuserich Logitech wurde der IT-Markt bald zu eng und zielt mit seinen Werbekampagnen in Lifestyle-Magazinen voll aufs Wohnzimmer ab. Er findet sich damit in guter Gesellschaft mit Creative Labs, dem taiwanischen Scanner-Riesen Mustek und vielen anderen Peripheriegeräteherstellern, die ebenfalls mehr und mehr ins Home-Entertainment drängen. Selbst Ingram Micro will sich dem - IT-Fachhandelstreue hin oder her - nicht länger verschließen und plant, mit aggressiven Preisen dem UE-Markt für Plasma-Bildschirme und Projektoren auf die Sprünge zu helfen (siehe auch Seite 40). Nicht nur mit neuen Ideen, sondern auch über den Preis erweckt die IT-Indus-trie die UE-Branche aus dem Dornröschenschlaf. So löblich es sein mag, Highend-Segmente, wie Anfang des Jahres auch bei TFT-Displays geschehen, einer breiteren Nutzerschar zu öffnen, sollten die Hersteller nicht vergessen, dass die heutige Misere in der IT-Branche sehr zum Leidwesen des Fachhandels nicht zuletzt auf ihre zum Teil ruinösen Preiskriege zurückzuführen ist. Wenn sich das jetzt bei der Unterhaltungselektronik wiederholt, dann besteht schnell Gefahr, dass der Prinz IT dem Dornröschen UE nicht den Kuss des Lebens einhaucht, sondern den Todesstoß versetzt.

Klaus Hauptfleisch

khauptfleisch@computerpartner.de

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