André Vogtschmidt

"IT-Service.Network-Plus soll kein Krawattenclub werden"

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.

Hier stellt sich Synaxon ab 2020 neu auf

channelpartner.de: Jetzt haben Sie sich neu ausgerichtet: Warum? Und wie sieht das Modell aus?

Frank Roebers: Wir haben uns überlegt, wie die künftige Rolle der Synaxon aussehen wird. In diesem Zuge haben wir mehrere Grundsatzentscheidungen getroffen:

1. Starker Fokus auf den gewerblichen Bereich. Der reine Privatkundenbereich wird in allen Verbundgruppen der Synaxon kaum mehr eine Rolle spielen. PC-Spezialist hat das schon im August bekannt gegeben.

2. Konzentration auf Infrastrukturbetreuung, mit Fokus auf Managed Services und der Kernzielgruppe Unternehmen von 1 bis 250 PC-Arbeitsplätzen.

3. Unternehmen in der Größenordnung von 1 bis 10 PC-Arbeitsplätzen werden von PC-Spezialist betreut, der Bereich 10 bis 250 Arbeitsplätze von IT-Service.Network sowie von 101.

4. iTeam konzentriert sich auf ihre Kernkompetenz: die Vernetzung von Partnern.

Nun agiert 101 seit knapp zwei Jahren als Franchisesystem. Und wir haben seither immer überlegt, wie ein Modell aussehen kann, das sich zwischen einem sehr strikten Franchisesystem mit klar definierten Vorgaben, und einer sehr lockeren Verbundgruppe positioniert, die zwar alle Gestaltungsfreiheiten genießt, aber gerade deshalb zu keiner echten Marke werden kann.

channelpartner.de: Und haben Sie eine "Zwitterlösung" gefunden?

Frank Roebers: Wir haben mit großer Faszination betrachtet, was im Lebensmittelbereich geschehen ist, beispielsweise mit Edeka: Es ist kein echtes Franchisesystem, aber auch keine lockere Verbundgruppe. Es gibt dort einen einheitlichen Markenauftritt, einige Standards und gleichzeitig viel mehr Freiräume als beispielsweise bei McDonalds oder 101.

Wir suchten eine Position dazwischen und fanden sie in der so genannten "Markenkooperation" - das IT-Service.Network Plus.

channelpartner.de: Was unterscheidet IT.Service-Network von IT-Service.Network Plus?

Frank Roebers: IT-Service.Network Plus geht über die reine Marketingunterstützung hinaus. Wir wollen IT-Service.Network Plus als eine für gewerbliche Endkunden wahrnehmbare Marke positionieren. Deshalb verpflichten sich Mitglieder zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards, bezogen beispielsweise auf die Markennutzung in der Öffentlichkeit. André Vogtschmidt und sein Team haben jetzt im August 2020 mit sechs Partnern die Pilotphase designt.

Wir unterstützen die Partner hier massiv mit Ressourcen, Vertriebsunterstützung, Werbebudgets, zentraler HR-Beschaffung et cetera. Es ist nahezu das Leistungspaket eines Franchisesystems ohne dessen Beschränkungen, allerdings schon mit dem Auftrag, mit dieser Marke den Markt zu erobern.

channelpartner.de: Wie variabel ist das System: Welche Auflagen gibt es? Wie weit reichen die Freiheitsgrade? Und wo verläuft die Grenze zu 101?

Frank Roebers: Bei 101 sind die Grenzen sehr eng gesteckt. Franchisenehmer dürfen nur ein ganz bestimmtes Produkt- und Leistungsportfolio anbieten. Jedes Produkt - sei es Managed Desktop oder Manged Mailarchivierung etc. - ist fest definiert. Partner jenseits dieser Grenzen kein Geschäft betreiben, also beispielsweise mit Digital Signage oder starten oder IT-Sicherheit noch dazu packen. Das ist unseren Franchisenehmern nicht erlaubt.

Ein IT-Service.Network-Plus-Partner dagegen kann an dieser Stelle vollkommen frei agieren. Er erhält zwar Kernunterstützung im Geschäftsfeld Managed Services in der IT-Infrastrukturbetreuung, aber es steht im frei, weitere Geschäftsfelder zu betreiben. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Und die Qualitätsvorgaben für Partner sind bei 101 um ein Vielfaches restriktiver als bei IT-Service.Network Plus. Bei 101 sind beispielsweise feste Mindest- und Maximalreaktionszeiten auf Tickets und sehr strenge Dokumentationsstandards einzuhalten. Für IT.Service-Network-Plus-Partner gibt es hier keinerlei Vorgaben oder Einschränkungen seiner unternehmerischen Gestaltungsfreiheit.

Die Einschränkungen bei 101 mögen abschreckend klingen - aber diese klaren Standards sind gerade das, was diese Partner erwarten. Und wir entwickeln diese Standards ja mit den Partnern gemeinsam auf Augenhöhe. Hat ein Partner eine Produktidee, trägt er sie vor, und dann entscheiden wir mit den Partnern gemeinsam, ob es mit einer bestimmten Leistungsbeschreibung ins Portfolio Eingang findet oder nicht. Das gilt auch für die Auswahl der Hersteller.

channelpartner.de: Gibt es bei 101 auch ein Regelwerk, das Partnern hilft, diese Standards nicht nur auf Portfolio-Ebene zu schaffen, sondern auch hausintern für ihre Prozesse, als Basis für die Automation von Managed Services, die für die Skalierung elementar ist?

Frank Roebers: Ja, das gibt es und wir entwickeln diese Regeln ausgeprägt weiter. Das ist auch deshalb sehr gut möglich, weil alle Franchisenehmer in ihren Unternehmen die gleichen Systeme nutzen - SAP BusinessOne, Autotask/datto etc., mit zentralem Datenpool, so dass jeder alles sehen und mit allem arbeiten kann. Alle müssen bestimmte Zertifizierungen absolvieren, Ausbildungskurse durchlaufen.

Hier agieren wir sehr zentralisiert. Deshalb nutzen auch alle die gleichen Textbausteine und Abrechnungstexte und Kategorien, etc. Das macht uns unglaublich transparent.

channelpartner.de: Wo verorten sich IT-Service.Network-Plus-Partner?

Frank Roebers: Vielen Partnern ist das zu beengend. Exakt hier setzt IT-Service.Network Plus an. Sie können alles nutzen, was 101 und IT-Service.Network Plus bieten, aber sie müssen es nicht. Uns ist sehr wichtig, dass wir jede Graduierung abdecken können:

Für Verbundgruppenpartner, die keinerlei Vorgaben wünschen, für Franchisenehmer, die Definiertes bevorzugen, und für alle Partner, die sich in keinem dieser beiden Modelle wiederfinden, sondern ganz flexibel und individuell bestimmte Unterstützung und Erfahrungen nutzen wollen. Beispielsweise beim Vertriebsprozess oder bei der Personalbeschaffung. Hier haben wir unglaublich erfolgreiche Zahlen erreicht, die ihresgleichen suchen. Beispiel zentrale HR-Beschaffung: Wo finde ich für 4.000 Euro Mitarbeiter in dieser Geschwindigkeit, so wie wir das bieten?

Partner können also wählen, welches der drei Verbundmodelle das richtige für sie ist. Was alle Modelle verbindet, ist ein enorm hoher Grad an Partizipation der Partner bei allen Entscheidungen und Weiterentwicklungen. Sie haben ein extrem großes Mitspracherecht. Das erklärt auch den Erfolg.

Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender der Synaxon AG: "Bei 101 sind die Grenzen sehr eng gesteckt. Franchisenehmer dürfen nur ein ganz bestimmtes Produkt- und Leistungsportfolio anbieten."
Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender der Synaxon AG: "Bei 101 sind die Grenzen sehr eng gesteckt. Franchisenehmer dürfen nur ein ganz bestimmtes Produkt- und Leistungsportfolio anbieten."
Foto: Synaxon

channelpartner.de: Wie hat sich die Wurzel von IT-Service.Network Plus - das IT.Service-Network - entwickelt?

André Vogtschmidt: Das IT.Service Network ist kräftig gewachsen und hat deutschlandweit aktuell 430 Partner. Das sind Systemhäuser mit 5 bis zu teilweise 70 Mitarbeitern. Viele haben die Entwicklung der 101 beobachtet, Vorträge dazu gehört und fanden das sehr erstrebenswert. Aber sie wollten sich nicht alle Details wie bei 101 vorschreiben lassen.

Mit einigen dieser Partner, speziell dem Beirat, haben wir dann angefangen, das IT-Service.Network Plus zu entwickeln. Wir haben unsere Ideen eingebracht, Partner konnten kräftig mitbestimmen und das Produkt mitentwickeln. Das alles haben wir in einem Leistungspaket definiert, das der Partner buchen kann. Er ist aber nicht dazu angehalten, alle Bestandteile umzusetzen - allerdings muss er für die gewählten bestimmte Qualitätsstandards erfüllen.

Im August 2020 sind wir mit der ersten Pilotphase an sechs Standorten gestartet. Die Pilotpartner beschäftigen im Schnitt 15 Mitarbeiter - das ist auch unsere Wunschgröße für diese Partnerschaft.

channelpartner.de:Gibt es im IT-Service.Network eine Art Koordinationsstelle, die Partnern hilft, sich zu vernetzen, um gegenseitig von ihren unterschiedlichen Kompetenzen zu profitieren?

André Vogtschmidt: Unter den 430 IT-Service-Network-Partnern gibt es eine eher lockere Vernetzungskomponente, die eher über soziale Medien funktioniert. Bei IT-Service.Network Plus ist das dagegen ein elementarer Bestandteil der Partnerschaft. Es gibt vier verpflichtende Treffen pro Jahr, um zu Netzwerken, Ideen zu bündeln und Produkte zu entwickeln. Hier wird auch definiert, wie man sich gegenseitig unterstützt. Das fördern wir auch.

channelpartner.de: Sind im IT-Service.Network nur klassische Systemhäuser aktiv, oder kommen auch jüngere, "Born in the Cloud"-Partner, Transformationsberater oder Agenturen auf Sie zu, die via Cloud in die Rolle des IT-Dienstleisters gewachsen sind?

André Vogtschmidt: Der größte Teil der Partner sind klassische Systemhäuser, die den Mittelstand mit Infrastrukturleistungen bedienen.

Frank Roebers: Meiner Erfahrung nach sind diese neuen "Born in the Cloud"-Partner vor allem im Enterprise-Kundensegment sehr stark vertreten. Wir adressieren Partner, die den Mittelstand bedienen. Unabhängig davon aber steigt der Cloud-Anteil an IaaS- und SaaS-Geschäft bei unseren Partnern - er liegt bei iTeam-Partnern inzwischen im Schnitt bei 50 Prozent.

channelpartner.de:Beobachten Sie, dass Mittelstandskunden zu "Born in the Cloud"-Partnern abwandern oder sie mit an Bord holen?

Frank Roebers: Diese Frage beschäftigt uns schon seit fünf Jahren intensiver. Die Geschwindigkeit der Cloudifizierung wurde - auch von uns - falsch vorhergesagt. Wir haben das Tempo zu hoch eingeschätzt.

Die Frage, wann diese neuen Unternehmen einen so signifikanten Marktanteil erreichen, dass sie für die Anderen zum Problem werden, ist eine der spannendsten Frage unseres Marktes. Und sie ist bis jetzt mit großer Konsequenz immer falsch beantwortet, nämlich mit "zu früh". Ich denke, wir haben locker noch zehn bis 15 Jahre Zeit, ehe es für die sich zum MSP und CSP wandelnden Systemhäuser wirklich gefährlich wird.

channelpartner.de: Dann wäre für die "Born in the Cloud"-Partner das IT-Service.Network ein großer Vorteil. Denn die meisten Kunden agieren mit hybriden Infrastrukturen. Und das klassische Infrastrukturgeschäft wollen "Born in the Cloud"-Partner gewöhnlich nicht anfassen. IT-Service.Network-Partner wären für sie also ein enormer Vertriebshebel für den Einstieg in den Mittelstand - um so die Abhängigkeit von wenigen Großkunden zu verkleinern - was angesichts der Corona-Folgen in manchen Branchen durchaus von Vorteil sein kann…

Frank Roebers: Wir haben auch bei iTeam einige Partner mit über 50 Mitarbeitern, die bei der Abhängigkeit von wenigen großen Unternehmen Probleme bekommen, wenn einer dieser Kunden wegbricht. IT-Service.Network-Partner haben hier aufgrund der Branchenstreuung und der kleineren Kundengrößen eine breitere Risikostreuung. Und ja: Ein "Born in the Cloud"-Partner, der in der Zielgruppe Mittelstand Fuß fassen wollte, könnte vom IT-Service.Network enorm profitieren.

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