Folgenschwere Transparenz: Mit der Veränderung der Publizitätspflichten des deutschen Handelsrechtes ergeben sich für viele Kapitalgesellschaften ungeahnte Konsequenzen: Die öffentlich präsentierten Unternehmenszahlen führen für viele Firmen zu einem deutlich eingeschränkten Zugang zu Krediten. "Jedes fünfte Unternehmen ruiniert mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses seine Bonität" berichtet Prof. Dr. Bernd Weiß, Geschäftsführer des Instituts für Unternehmensdiagnose (InDiag) in Bochum und Vorstandsmitglied des Vereins für Credit Management (VfCM) e.V.
Schuld daran ist die Unterschätzung der gravierenden Veränderungen in Zusammenhang mit den Publizitätspflichten aus dem Handelsrecht: Während die bislang geltende Offenlegung über die Amtsgerichte nie richtig funktionierte, führt die über das Justizministerium geschaffene Kontrollfunktion jetzt zu einer regelrechten Flut an frei zugänglichen Finanzberichten von deutschen Kapitalgesellschaften. Die Zahl der veröffentlichten Jahresabschlüsse steigt seit Anfang des Jahres sprunghaft an. Eine Entwicklung, die für jedes fünfte Unternehmen mit fatalen Folgen einherzugehen droht, wie ein näherer Blick auf die Zahlen beweist.
Nach Recherchen von InDiag in Kooperation mit dem VfCM weisen über 73.000 der 420.000 vom 1. Januar 2008 bis zum 19. März 2008 im eBundesanzeiger bzw. Unternehmensregister veröffentlichten Jahresabschlüsse deutscher Kapitalgesellschaften den Posten "Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag" auf. Das negative Eigenkapital ist dann offen auf der Aktivseite auszuweisen, wenn es durch Verluste vollständig aufgezehrt wurde. In der Finanzanalyse spricht man in diesen Fällen von bilanzieller Überschuldung: Die Buchwerte der Vermögensgegenstände sind dann wertmäßig kleiner als die Rückzahlungsbeträge für die Verbindlichkeiten auf der Passivseite. Dies bewerten die Gläubiger des Unternehmens äußerst negativ und reagieren mit Kreditrationierung. In der Folge werden Kreditlimite gekürzt bzw. komplett gestrichen.