Java-basierende Lösung für die Marketingabteilung

05.09.2002
Die von Virtual Solution für Sun entwickelte Lösung hilft auch dem Softwarehaus. Als Partnerprofitiert der Java-Spezialist nun von der effizienteren Betreuung durch Sun.

Die 1995 von Bernhard von Fromberg und Florian Höfter gegründete The Virtual Solution GmbH (TVS) beschäftigt mittlerweile ein gutes Dutzend Java-Spezialisten. Mit seinem Büro mitten in München ist das Softwarehaus nicht weit von seinem größten Kunden in Kirchheim-Heimstetten entfernt, der Sun Microsystems GmbH.

Gleichzeitig fungiert TVS als einer der bedeutendsten Partner von Sun, und in dieser Eigenschaft hat der Konzern die Münchener angesprochen, als es um ein wichtiges Projekt zur Verbesserung der Partner-betreuung ging. Bisher war es nämlich so, dass potenzielle Partner ihre Kundenprojekte nicht nur an Suns Deutschland-Zentrale meldeten, sondern durchaus auch mit den übrigen sieben Niederlassungen hier zu Lande Kontakt aufnahmen. Um dieses Prozedere zu vereinfachen, hat sich Sun Deutschland überlegt, das Ganze strikt internetgestützt zu erfassen. Dann würden eben alle Anträge von Partnern zentral an einer einzigen Stelle bei dem Hersteller eingehen.

Man wollte aber nicht selbst die dazu nötige Software entwerfen und beauftragte mit dieser Arbeit Virtual Solution. Das geschah Ende 2000, also etwa zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der durchaus erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Dienstleister. Sun dachte gar nicht daran, das Projekt öffentlich auszuschreiben, denn man war davon überzeugt, dass TVS es schon schaffen werde.

Die Programmierer des VAR gingen sofort, also im März 2001, an die Arbeit und erstellten in gerade mal vier Monaten das erste Modul des später "Partner Manager" genannten Softwarepaketes. Wie es sich für einen Sun-Partner gehört, wurde das Ganze natürlich in Java, Version 1.3, programmiert. Als Entwicklungswerkzeug setzten dabei die Mannen von TVS "Sun One Studio", das frühere "Forte", ein.

Die erste Version des Moduls "Partner Project & Forecast" ging also im Juli des Vorjahres in den Produktivbetrieb. Von da an bekam Sun alle Anträge seiner Partner per Web geliefert. Ob ein Kundenprojekt erfolgreich abgeschlossen werden kann oder eher zum Rohrkrepierer taugt, wird nun im Konzern innerhalb eines ausgefeilten Workflows entschieden. Dieser umfasst insgesamt zehn Arbeitsschritte - und das über drei Hierarchiestufen hinweg. Da hat natürlich Suns Vertriebsabteilung ein Wörtchen mitzureden, aber auch das technischen Management und natürlich die firmeninternen Hardcore-Techniker.

Sie alle prüfen die via Internet eingegangenen Projektbeschreibungen der Partner und befinden darüber, ob sich ein weiteres Engagement seitens Sun lohnt oder ob man dem Partner eher von diesem speziellen Projekt abraten sollte. Manager und Ingenieure erstellen hierfür eine detaillierte Soll-Ist-Analyse und gewähren den Antrag stellenden Partnern bei optimistischer Prognose weitere Unterstützung.

Diese Hilfestellung kann sich auf Marketinggelder beschränken, aber auch zusätzliche Schulungen beinhalten, falls Sun der Meinung sein sollte, das Know-how seines Dienstleisters benötige unbedingt eine baldige Auffrischung. Um derartige Defizite auch quantitativ zu erfassen, hat nun TVS gleich anschließend eine zweite Java-Komponente für Sun entwickelt, den "Certification Manager".

Dieses Modul hilft nun dem Partner-Manager, die Qualifizierung seiner Schützlinge besser einzuschätzen. Ergeben sich in der Auflistung der Partnerdaten etwaige Wissensdefizite, kann Sun diesen Dienstleister zu diversen - teilweise auch kostenlosen - Schulungen einladen. Erfolgreich bestandene Trainingsmaßnahmen erfasst das Tool automatisch und schreibt sie dem Teilnehmer gut.

Marketingabteilung war die treibende Kraft

Die Initiative zur Entwicklung eines derartigen webbasierenden Erfassungssystems ging dabei gar nicht vom technischen Management, sondern von der Marketingabteilung bei Sun aus. Die Programmierer von TVS brauchten für die Entwicklung der Software gerade mal drei Monate, seit Oktober 2001 ist das Modul im produktiven Einsatz.

Natürlich baut der "Certification Manager" auf der zuerst entworfenen Java-Komponente "Project & Forecast" auf, und selbstverständlich kommunizieren beide Module ständig miteinander, wobei sie selbstredend auch Daten gegenseitig austauschen und aktualisieren. Gespeichert und verwaltet werden all diese Partnerinfos in einer Oracle-Datenbank auf einem E4500-Sun-Solaris -Server.

Ebenfalls vom Sun-Marketing kam der Anstoß, ein spezielles System zur Verwaltung der Marketinggelder zu entwickeln. Diese Arbeit nahm TVS vier Monate in Anspruch, seit Juli 2002 ist die Komponente "Joint Marketing" live. Hier kann ein Partner seinen Antrag auf Marketingunterstützung via Web stellen, intuitive Eingabe-Masken begleiten ihn bei jedem Arbeitsschritt. So gibt es zum Beispiel Felder, über die der Lösungsanbieter seine geplanten Marketingmaßnahmen besser beschreiben kann. Hinzu kommen Formulare zur Begründung derartiger Aktionen sowie Hilfemenüs, die den zeitlichen Ablauf und den monetären Aufwand der einzelnen Schritte begleiten.

Sogar die vom Partner erwünschte Art, diese Marketingkosten zurückzuzahlen, lässt sich mit dem Modul erfassen. Der VAR kann jederzeit sein Konto bei Sun einsehen und sich dort über seine Schulden oder auch Guthaben, die in Form von kostenlosen Schulungen eingelöst werden können, informieren. Aber auch an einen direkten Zugriff in das Warenwirtschaftssystem des Partners ist gedacht, damit könnten ihm Marketinggelder online gutgeschrieben werden.

Neben den erwähnten drei Modulen für eine intensivere Hersteller-Partner-Kommunikation entwarf die Virtual Solution GmbH auch einen Lösungskatalog für Sun. Dort präsentieren zertifizierte Partner ihre Komplettsysteme. Auf der jedermann zugänglichen Website von Sun können so potenzielle Kunden aus einer Vielzahl von Lösungen die für sie passende aussuchen. Für die Entwicklung dieses etwas außerhalb des Partner Managers liegenden Moduls benötigte TVS insgesamt drei Monate. Es ist seit vier Monaten online. Den Input für diese Plattform liefern die Partner selbst, indem sie an Sun dieexakte Beschreibung der von ih-nen entworfenen horizontalen und branchenspezifischen Lösungen weiterleiten. Das Ganze wird anschließend vom Hersteller kategorisiert, verifiziert und nach endgültiger ausführlicher Prüfung auch fürs Internet freigegeben. Damit stellt Sun die Qualität der von Partnern angebotenen Lösungen sicher. Gleichzeitig ist im System eine leistungsfähige Suchmaschine integriert, die dem Endkunden beim Auffinden der gewünschten Informationen behilflich ist.

Mehr als ein Mannjahr Entwicklungsarbeit

Die Entwicklung des Partner Managers stellte für TVS das bis dato umfangreichste Projekt dar. Insgesamt 350 Manntage wendete der Dienstleister dafür auf. Auch zurzeit ist fast jeden zweiten Tag ein Mitarbeiter des VARs bei Sun vor Ort; auch die Einbindung des Systems in das Intranet des Herstellers erforderte eine ständige physische Präsenz der TVS-Mitarbeiter bei Sun. Eine Fernzugriffsmöglichkeit war hier naturgemäß nicht gegeben.

Das nun mehr als anderthalb Jahre andauernde Projekt forderte in der Tat "den ganzen Mann" bei Virtual Solution: "Die größte Herausforderung stellten für uns die Sun-internen Umstrukturierungen dar", erinnert sich Firmengründer Höfter. "Es war nämlich so, dass Sun zwischenzeitlich sein Vertriebsmodell völlig umkrempelte, und das mussten wir dann innerhalb kürzester Zeit auf das Workflow-Konzept abbilden."

Die strikte Trennung zwischen dem direkten und dem indirekten Vertrieb ist nämlich bei Sun so nicht mehr gegeben. Direktvertriebsleute kümmern sich durchaus auch um Partner, wenn sie merken, dass diese ein direkt begonnenes Kundenprojekt erfolgreich zu Ende führen können. Diese Änderungen und die zusätzliche Flexibilität galt es für TVS auch in die Software zu gießen.

"Da zeigte sich auch Sun kulant, was die engen Termine betraf, sodass wir den Zeitplan dann doch einhalten konnten", so Höfter gegenüber ComputerPartner. Und das Projekt "Partner Manager" ist noch keineswegs beendet, vielmehr arbeiten die Entwickler von TVS derzeit an neuen Versionen der vier Module. Gedacht ist etwa an verbesserte Interaktionsmöglichkeiten seitens der Partner. So sollen diese künftig - zumindest partiell - auch Zugriff auf das Sun-Intranet bekommen und dort ihren Projektstatus einsehen können.

Potenzielle Kunden auch außerhalb der IT

Natürlich wird Virtual Solution die selbst entwickelte Software weiter vermarkten. "Wir könnten den Partner Manager zum Beispiel Automobilherstellern anbieten, damit diese ihre Händler besser an sich binden", schwebt Höfter ein mögliches Zukunftsszenario vor. Ansonsten sind IT-Unternehmen mit ausgeprägtem indirekten Vertriebsmodell die künftigen bevorzugten Kunden des Münchener Software-hauses.

Außerdem haben die Java-Entwickler das Ganze bereits internationalisiert, sodass auch Suns weitere Landesgesellschaften von der Partner-verwaltungs-Software profitieren könnten. "Die Menüsprache auf Niederländisch, Englisch oder Französisch umzustellen ist kein Problem", so Höfter. Erste Kontakte zu Sun-Niederlassungen in Frankreich, Großbritannien und Holland sollen bereits geknüpft sein.

Natürlich müsste hierbei die ursprünglich speziell für Sun entworfene Software bei einem neuen Kunden modifiziert werden. Den Aufwand hierfür hält Höfter aber für vertretbar: "Ein anderes IT-Unternehmen müsste etwa ein bis drei Monate Entwicklungszeit in Kauf nehmen." Sollte sich ein IT-fremder Kunde für das TVS-System interessieren, rechnet Höfter mit zusätzlicher Programmierzeit von drei bis vier Monaten.

www.java.sun.com

ComputerPartner-Meinung:

Lange war Java als Sprache zum Programmieren von "lustigen" Applets fürs Web angesehen. Dabei setzen Softwarehäuser diese Entwicklungsplattform längst bei Projekten mit siebenstelligen Budgets ein. Und sogar der Java-"Erfinder" Sun vertraut dabei auf das Know-how von Dienstleistern und versucht gar nicht, alles selbst zu machen. (rw)

Solution Snapshot

Kunde: Sun Microsystems, Sonnenallee 1, 85551 Kirchheim-Heimstetten, www.sun.de; Ansprechpartner: Adrian Letzner, Tel.: 089/4 60 08-0, Fax: 089/4 60 08-22; E-Mail: Adrian.Letzner@sun.com

Problemstellung: Bisher gingen Anfragen und Anträge von Partnern bei allen acht deutschen Niederlassungen von Sun ein. Deshalb beauftragte Sun Microsystems Deutschland TVS mit der Entwicklung einer webbasierenden Partner-Management-Lösung. Diese sollte alle Geschäftsprozesse im indirekten Vertrieb abbilden.

Lösung: Hardware: E4500 Server von Sun; Betriebssystem: Solaris; Programmiersprache: Java 1.3; Datenbank: Oracle 8i; Applikationsserver: Tomcat; Webserver: Apache; Software: Java-basierende Lösung "Partner Manager" von TVS, bestehend aus den vier Modulen zur Erfassung und Überprüfung der Partnerprojekte, zur technischen Hilfestellung und Marketing-Unterstützung, zur Partner-Qualifizierung sowie zur Ressourcenplanung von Vertriebs- und Marketingaktivitäten, ferner eine Partner-Lösungsbörse für die gezielte Ansprache von Endkunden.

VAR: The Virtual Solution Software GmbH, Reitmoorstr. 9, 80538 München; www.virtual-solution.de; Geschäftsführer: Florian Höfter, Tel.: 089/2 96 51-26, Fax: 089/2 96 51-27; E-Mail: f.hoefter@virtual-solution.de

Kontaktaufnahme: Ende 2000

Verhandlungsdauer: drei Monate

Herausforderungen: enger Terminplan; keine fest vordefinierten Funktionsspezifikationen, da sich Organisationsstrukturen in den Abteilungen von Sun ständig änderten und deswegen die in der Software abgebildeten Abläufe angepasst werden mussten; Mehrsprachigkeit der Software und deren Flexibilisierung wegen der multinationalen Konzernstruktur

unerwartete Verzögerungen: Anpassung der Workflow-Prozesse aufgrund der Änderungen im Vertriebsmodell bei Sun

Implementierungsdauer: insgesamt anderthalb Jahre

Arbeitszeit des VARs: insgesamt 350 Manntage

Verhältnis Anschaffungen/Service: reine Dienstleistung

Service-Verträge: The Virtual Solution hat mit Sun Wartungsverträge vereinbart, welche die Verfügbarkeit der kompletten für den "Partner Manager" notwendigen Software und Hardware sicherstellen.

Schulung: von Sun intern selbst durchgeführt

Benefit für Kunden: transparente Partnerdaten, klar festgelegte Geschäftsvorgänge; Produktivitätsgewinn durch den weit gehenden Wegfall von Papierarbeit; neue funktionale Möglichkeiten - so kann nun der gesamte Zertifizierungsprozess inklusive der Eignungsprüfung vollständig und transparent via Web abgewickelt werden. Da viele Partner unterschiedliche Werkzeuge wie Microsoft Excel einsetzten, war dies vorher nicht möglich.

Benefit für VAR: Sun Deutschland als bedeutender Referenzkunde; weitere Landesgesellschaften kommen als Kunden infrage; auch IT-fremde Unternehmen könnten nach Anpassungen den "Partner Manager" nutzen.

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