Java für jedermann bleibt vorerst reine Wunschvorstellung

26.09.1997
MÜNCHEN: Software-Revolution oder Sturm im Wasserglas? Mit Vorschußlorbeeren überhäuft blieb Java trotz respektabler Erfolge der breite Durchbruch bisher verwehrt. Zwar durchweg positiv, aber ohne Euphorie stehen heute die meisten Software-Unternehmen Java gegenüber. Die These, daß Wunder gewöhnlich etwas länger dauern, scheint sich auch in der IT-Branche zu bewahrheiten.Aus seinen Zielen und Ambitionen hat Java-Urheber Sun Microsystems nie ein Geheimnis gemacht. "Wir werden ein Programm entwickeln, das 99 Prozent des Microsoft-Systems aus ihrem PC ausradiert - bis auf MS-DOS." Mit diesen provokanten Worten erklärte Scott McNealy, Präsident von Sun Microsystems, auf der diesjährigen CeBIT in Hannover Erzkonkurrent Microsoft zum wiederholten Mal den Krieg. Die hitzig geführten Rededuelle dauern an. Sun-Chef McNealy wird nicht müde, die Vorzüge von Java anzupreisen.

MÜNCHEN: Software-Revolution oder Sturm im Wasserglas? Mit Vorschußlorbeeren überhäuft blieb Java trotz respektabler Erfolge der breite Durchbruch bisher verwehrt. Zwar durchweg positiv, aber ohne Euphorie stehen heute die meisten Software-Unternehmen Java gegenüber. Die These, daß Wunder gewöhnlich etwas länger dauern, scheint sich auch in der IT-Branche zu bewahrheiten.Aus seinen Zielen und Ambitionen hat Java-Urheber Sun Microsystems nie ein Geheimnis gemacht. "Wir werden ein Programm entwickeln, das 99 Prozent des Microsoft-Systems aus ihrem PC ausradiert - bis auf MS-DOS." Mit diesen provokanten Worten erklärte Scott McNealy, Präsident von Sun Microsystems, auf der diesjährigen CeBIT in Hannover Erzkonkurrent Microsoft zum wiederholten Mal den Krieg. Die hitzig geführten Rededuelle dauern an. Sun-Chef McNealy wird nicht müde, die Vorzüge von Java anzupreisen.

Die mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten der Wunderwaffe Java beginnen bei der plattformunabhängigen Programmiersprache für jegliche Art von Internet-/Intranet-Anwendungen und reichen bis hin zu speziellen Prozessor-Chips, die über eingebettete Kommandos Java direkt unterstützen. Diese Chips könnten beispielsweise die Grundlage für die Nutzung von Java als Betriebssystem zukünftiger NCs (Network Computer) bilden. Betrachtet man die Akzeptanz von Java, muß man diese beiden Anwendungsgebiete unterscheiden: Während Java bei der Erstellung bunter Web-Seiten inzwischen eine dominierende Marktstellung eingenommen hat, wird um den Einfluß von Java auf kommende NC-Konzepte heftig gerungen.

Java-Erfolg als Internet-/Intranet-Tool ist unumstritten

Die meisten der gegenwärtig verfolgten Internet- und Intranet-Konzepte wären ohne Java nicht denkbar, darin sind sich die meisten EDV-Experten einig. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Java-basierenden Internet-Entwicklungstools. Weltweit führend in diesem Segment ist nach eigenen Angaben das amerikanische Unternehmen Symantec. Für Franz Steufkens, PR-Manager der Symantec Deutschland GmbH in Ratingen, hat Java einen sehr hohen Stellenwert. "Wir haben im Oktober letzten Jahres eine eigene Geschäftseinheit gegründet, die sich mit Emerging Business beschäftigt. Wir haben sehr viel investiert und in diesem Bereich unsere Java-Entwickler zusammengefaßt." Obwohl nach seinen Aussagen Europa im Java-Business noch den USA hinterherhinkt, haben die Umsätze in Deutschland in den letzten zwei bis drei Monaten deutlich angezogen. "Im Vergleich zum C++-Business geht die Kurve bei Java viel steiler nach oben." Zunehmend ist laut Steufkens auch das Interesse des Fachhandels. "Wir bekommen verstärkt Anfragen von Händlern, die im Bereich Java aktiv werden möchten, Schulungen anbieten wollen, etc."

Differenzierter fallen da schon die Aussagen derjenigen aus, die Java in der Praxis zur Realisierung von Internet- und Intranet-Lösungen nutzen. "Java hat inzwischen eine sehr große Bedeutung, im Hinblick auf die Performance muß Java allerdings noch wesentlich besser werden", meint beispielsweise Hubert Wiest, Mitgeschäftsführer der Freiraum Multimedia Consulting GmbH in München. "Der Hauptvorteil von Java ist seine hohe Portabilität. Als Preis dafür muß der Anwender Defizite bei der Geschwindigkeit in Kauf nehmen. Für komplett eigenständige Programme benutzen wir deshalb nach wie vor C-Compiler."

Dennoch überwiegen unter dem Strich die Vorteile. Von IDC durchgeführte Analysen unternehmensinterner Intranet-Projekte bei Großunternehmen stellen Java ein gutes Zeugnis aus. So überraschte die Projektverantwortlichen bei Fahrzeughersteller Audi in Ingolstadt beispielsweise, daß selbst komplexe Anwendungen in kürzester Zeit mit Java verwirklicht werden konnten.

Auch im Bereich der Banken erfreut sich Java steigender Beliebtheit. Internetbanking mit Java, lautet die Überschrift eines Projekts, das die Münchner HMT Informations-Systeme GmbH kürzlich für die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank realisierte. Ausschlaggebend bei der Entscheidung für Java war hier neben der Systemunabhängigkeit die Übertragungssicherheit der Daten, die in diesem Fall über Java-Verschlüsselungs-Software gewährleistet wird. Für Harald Rützel, bei HMT zuständig für Internet-Angelegenheiten von der Infrastruktur bis zur Web-Wartung, stehen eventuell vorhandene Geschwindigkeitsdefizite von Java in keiner Relation zu dem enormen Potential dieser Software. Er erwartet für die Zukunft den verstärkten Einsatz sogenannter Just-in-time-Compiler, die Java-Anwendungen deutlich beschleunigen können.

NCs lassen auf sich warten

Beim amerikanischen Software-Unternehmen Applix stehen andere Einsatzgebiete für Java im Vordergrund. Mit Anyware Office gelang es Applix, eine komplette Office Suite für Java zu realisieren. Hintergrund ist die Hoffnung, daß sich Java als Betriebssystem zukünftiger NCs am Markt etablieren kann. Bernd Wagner, Director Business Development der deutschen Niederlassung in München, macht für die bis dato geringen weltweiten Software-Entwicklungs-Aktivitäten in diesem Segment die schlechte Verfügbarkeit von NC-Hardware verantwortlich.

Der technologische Vorsprung von Applix hat, laut Bernd Wagner, noch nichts eingebracht. "Der Markt hat das NC-Konzept noch nicht akzeptiert, hinzu kommt die bis dato schlechte Verfügbarkeit von NCs, speziell in Europa. Aber auch in den USA sind noch keine Stückzahlen gelaufen." Wagner sieht allerdings Licht am Ende des Tunnels. "Meine Erwartung ist, daß noch im vierten Quartal diesen Jahres größere Stückzahlen lieferbar sein werden. Ich bin gespannt, wie Microsoft reagiert, wenn die erste 1000er Installation steht und MS Office nicht mehr zur Standard-Installation gehört."

Corel korrigiert seine Java-Strategie

Daß Mitkonkurrent Corel die Entwicklung einer eigenen Java Office-Suite gestoppt hat, wundert ihn nicht. "Corel hat den Weg eingeschlagen, alles komplett in Java zu implementieren. Das gibt dicke Applets und lange Ladezeiten. Aktuelle Java Virtual Machines sind nicht in der Lage, so etwas zu behandeln. Wir waren von vornherein nicht sicher, ob das der richtige Weg ist. Wir haben nur das Benutzer-Interface unserer bestehenden Office-Suite abgetrennt und anschließend in Java realisiert."

"Unser Commitment zu Java ist stärker als je zuvor", heißt es dagegen bei Corel. Von einer Fehleinschätzung will man hier nicht reden. "Es lag mehr an der Entwicklung der

Java-Technologie selbst", versucht Corel-Sprecher Ainley Marcinyk die Situation zu retten und die gescheiterte Entwicklung als Pionierarbeit zu verkaufen. "Wir haben 70 Prozent von dem, was wir bereits für Office für Java getan haben, genommen und einen großen Schritt nach vorne getan." In zwei Bereiche läßt sich Corels neue Sicht der (Java) Dinge zusammenfassen: Unter dem Kodenamen "Remagen" wird Corel, ähnlich seinen Mitbewerbern, Java-Technologie mit seiner vorhandenen Corel WordPerfect Suite 8, oder anderen Softwarepaketen wie beispielsweise Microsoft Office kombinieren. Zielgruppe sind dabei Business-Anwender. In einem zweiten Schritt soll, basierend auf CorelCentral, einem aktuellen Bestandteil der WordPerfect Suite 8, eine neue Produktlinie von Internet-Anwendungen entwickelt werden. Neben E-mail, Sprach- und Fax-Funktionen wird das Produkt eine Reihe weiterer Office für Java-Funktionen beinhalten. Unter dem Kodenamen "Alta" wird es voraussichtlich im Frühjahr 1998 verfügbar sein. "Wir sehen, daß die Bedeutung von E-Mail und Groupware-Software im Vergleich zu Office-Produkten zunimmt. Viele Anwender brauchen keine kompletten Office-Anwendungen mehr, statt dessen einfache Kommunikations-Werkzeuge", so Paul Skillen, Vize- Präsident Software-Entwicklung bei Corel.

Java-Programmierer stehen hoch im Kurs

Deutlich steigender Beliebtheit erfreut sich Java in den Bereichen Forschung und Lehre. So gibt es nach Angaben von Sun Microsystems inzwischen mehr als 200 Universitäten weltweit, die Java-Programmierung in ihre Studienpläne aufgenommen haben. Komplette Java-Vorlesungen mit Programmbeispielen der Universität Münster sind beispielsweise über das Internet verfügbar. Die Universitäten tragen damit der Tatsache Rechnung, daß der Bedarf an gut ausgebildeten Java-Spezialisten aktuell deutlich größer ist, als das Angebot am Arbeitsmarkt. Ein Blick in die Stellenanzeigen großer überregionaler Tageszeitungen bestätigt die Misere. Nach wie vor stehen einigen Millionen C- und C++-Programmierern derzeit nur etwa 400.000 ernsthafte Java-Entwickler gegenüber. Um die Entwicklung von Java-Programmen einer möglichst breiten Benutzerschicht zugänglich zu machen, entwickelte Sun das weniger komplexe, aber zu Java kompatible JavaScript. Zahlreiche Softwarehersteller brachten inzwischen Entwicklungsumgebungen auf den Markt, die eine einfache und schnelle Entwicklung von Java-Programmen erlauben.

IBM könnte die Schlüsselrolle spielen

Obwohl der Schwerpunkt der Java-Einsatzbereiche heute im Internet-/Intranet-Umfeld liegt, zielt die Sun-Strategie mittelfristig auf den kommenden Markt sogenannter NCs (Network Computer). Suns Alternative zum PC, der NC, ist ein Arbeitsplatzrechner ohne Festplatte und aufwendigem Betriebsystem, der seine Funktionen per Browser von einem leistungsstarken Server aufruft. Für 99 Dollar soll der auf Java basierende Sun-NC irgendwann einmal zu kaufen sein, wurde auf der CeBIT vollmundig verkündet. NCs stehen damit in Konkurrenz zu den von Microsoft favorisierten NetPCs, einem Mittelding zwischen NC und PC (siehe auch ComputerPartner Nr. 11/97). Während Microsoft Java im Internet-Umfeld als neuen Quasi-Standard tolerieren muß und seine Programme mit entsprechenden Java-Schnittstellen ausgerüstet hat, ist eine Akzeptanz von Java als Betriebssystem und damit des kompletten NC-Konzepts für Microsoft wohl schwer vorstellbar.

"Microsoft und Sun haben unterschiedliche Strategien. Die eine hält Sie aktiv, die andere produktiv. In Zukunft wird es beides geben. Wenn Sie viel Zeit haben, entscheiden Sie sich für Microsoft." Mit diesen Worten will Sun-Chef McNealy die führenden Unternehmen der Computerbranche unter Zugzwang setzen. Mit einem "entschiedenen vielleicht" versuchen IT-Boliden wie Siemens Nixdorf oder IBM einem klaren Commitment aus dem Wege zu gehen. Beide fahren zur Zeit zweigleisig und bieten ihren Kunden neben NCs auch die von Microsoft favorisierten NetPCs an. Eine Schlüsselrolle im Poker um die Marktherrschaft bei Betriebssystemen könnte allerdings IBM spielen. Die Tatsache, daß Big Blue inzwischen neben seinen wichtigsten Software-Paketen auch seine Betriebssysteme mit Java-Schnittstellen versehen hat, macht deutlich, daß der Branchenkrösus der Sun-Initiative zumindest positiv gegenüber steht.

"Mit Java beginnt eine neue Zeitrechnung", verspricht denn McNealy vollmundig. Daß der Beginn einer neuen Ära allerdings nicht immer unproblematisch verläuft, zeigt beispielsweise die Umstellung der Systemuhren in den Rechnern zum 1. Januar 2000: Schon allein dieses Thema bereitet bereits heute vielen EDV-Verantwortlichen schlaflose Nächte. (sd)

Keine Angst vor großen Namen: Sun-Chef McNealy schickt pausenlos Verbalattacken gen Microsoft.

Der neuesten Studie von Computer Industry Forecast zufolge soll der Java-Markt von 40 Millionen Dollar im Jahr 1996 auf 300 Millionen Dollar zum Jahr 2000 anwachsen.

Ein Indiz für die Akzeptanz von Java ist unter anderem der Absatz von Programmierwerkzeugen. Und hier haben Entwicklungs-Tools für Java im vergangenen Jahr ordentlich zugelegt. Laut Marktforscher PC Data ist der Absatz nach Stückzahlen von 3.000 Exemplaren im ersten Quartal 1996 auf 145.000 im letzen Jahresviertel hochgeschnellt.

Java-Vorlesung der Universität Münster im Internet: Das Motto lautet: Nichts für Teetrinker.

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