Java ist für E-Commerce kein kalter Kaffee

20.03.1998

WEILHEIM: Das Internet und Java als plattformunabhängige Programmiersprache verändern die Welt des Handels und bereiten den Boden für völlig neue Geschäftsperspektiven. Martin Fischer* erklärt, warum Java für E-Commerce immer mehr an Bedeutung gewinnt.Aie neuesten Internet-Analysen belegen nicht nur für die USA, sondern auch für Europa ein explosionsartiges Wachstum. Ende 1997 waren etwa 120.000 Domains in Deutschland angemeldet. Ende 1998 werden es vermutlich über 300.000 sein. Sicherlich sind den meisten Besitzern von Domains die Vorteile eines Online-Marketings in Verbindung mit Online-Handel bewußt: Direkter Kundenkontakt, verkürzte Wertschöpfungskette (insbesondere für digitalisierbare Produkte), 24 Stunden Angebotspräsenz, kurze Reaktionszeiten, Ausgleich für Größen- und Standortnachteile. Durch den permanenten Dialog mit dem Kunden (One-to-One-Marketing, Diskussionsforen, Serviceorientierung) erhalten die Händler wesentlich mehr Informationen über die Interessen und Wünsche der Konsumenten und können entsprechend schnell reagieren. Trotz dieser Entwicklung floriert der Online-Handel in Deutschland noch nicht. Derzeit dominieren die Abwicklung von Finanztransaktionen und die Darstellung der eigenen Unternehmen und Produkte.

Die Kritikpunkte an bestehenden Shops wie zum Beispiel "myworld" von Karstadt sowie an den sich auf dem Markt befindlichen Programmen für Shops von Unternehmen (Cat@log, Onlineshop, Intershop) sind gewichtig: Fehlende permanente Datenverschlüsselung, unsicherer Zahlungsverkehr, umständliche Suchverfahren und fehlende Anbindungen an bestehende Systeme werden bemängelt. Zweifel bestehen zudem hinsichtlich Realisierbarkeit sowie technischer und finanzieller Investitionssicherheit. Viele Programme sind einfach zu teuer, das notwendige Know-how zur Pflege oder Datenerfassung ist zu hoch. Eine schnelle Verbreitung des Online-Handels ist unter diesen Umständen nicht zu erwarten.

Aus dem Internet haben sich aber mit dem Intranet und dem Extranet Technologien entwickelt, die dem Online-Handel (oder allgemein der elektronischen Unterstützung von Geschäftsprozessen), dem E-Commerce also, zum Durchbruch verhelfen werden. Fundament des Intranets (innerhalb eines Unternehmens) und des Extranets (Verbindung von Unternehmen) ist wie beim Internet die Plattformunabhängigkeit. Für eine Web-Präsenz im Internet und für den entsprechenden Informationsaustausch hat sich mit HTML ein effizienter Standard herausgebildet. HTML hat aber auch seine Grenzen: Obgleich einfache Feed-Back-Systeme auf Formularbasis generiert werden können und die einzelnen Seiten durch multimediale Elemente interaktiv wirken, bleibt die Funktionsweise weitgehend statisch und auf die Weitergabe von Informationen beschränkt. Da alle auf dem Markt befindlichen Shop-Systeme auf HTML beruhen, ist die technologische Sackgasse vorprogrammiert.

Erst die von Sun Microsystems entwickelte Programmiersprache Java trägt den tatsächlichen Client-Server-Gedanken ins Internet. Da Java aber bis Ende 1997 für die Anwendung im Internet noch nicht weit genug entwickelt und verbreitet war, liegt die Entwicklung des E-Commerce weit hinter der des Internet zurück.

Innerhalb von Unternehmensgrenzen konnte sich der Intranet-Gedanke in Verbindung mit Java als nächster notwendiger Schritt der Netzwerk- und Computertechnologie vielfach durchsetzen. Nach Großrechnern und Mini-Computern mit jeweils "dummen" Terminals befinden sich heute in den meisten Unternehmen PC-basierte Netzwerke. Die Unternehmensdaten liegen zentral auf relationalen Datenbanken. Die Anwendungen laufen dezentral auf PCs.

Die damit verbundenen Probleme zu hoher Kapazitäten oder zu unterschiedlicher Anwendungen führen nicht nur zu wesentlich höheren Kosten für Hard- und Software sowie für den Support. Sie bergen für das Unternehmen auch erhebliche Sicherheitsrisiken, wie zum Beispiel Manipulation, Unzuverlässigkeit und Viren.

Java stellt für die Netzwerk-Architektur eine vollständige Entwicklungsumgebung zur Verfügung. Es besteht im wesentlichen aus einer plattformunabhängigen, objektorientierten Programmiersprache, einer Software-Ebene zur Umsetzung von Java-Anwendungen auf verschiedenen Betriebssystemen (Java Virtual Machine), einem Browser (HotJava) und Standard-Software-Schnittstellen (JavaAPIs).

Das wichtigste Kriterium, die Plattformunabhängigkeit, wird erreicht, indem der Compiler den Quellcode nicht in Maschinencode oder spezifische Prozessoranweisungen übersetzt, sondern in einen plattformunabhängigen Bytecode. Dieser wird dann von einem Java-Interpreter (Java-Virtual-Machine) auf dem Client-Rechner zum Laufen gebracht. Zusätzlich zu gewöhnlichen Java-Anwendungen können besondere Java-"Applets" als Teil einer Web-Seite beim Client heruntergeladen und in einem Java-fähigen Browser ausgeführt werden. Das HTML-Dokument dient in diesem Fall nur noch zur Einbettung des Java-Programmes.

Diese Möglichkeit weltweiter Interaktivität, selbst für komplexe Anwendungslogiken, befördert im Gegensatz zum HTML-Standard den Anwender zum intelligenten Client. Für ihn wird es beispielsweise möglich, logische Eingabefehler vor einer Datenverbindung abfangen zu lassen.

Die Objektorientierung läßt ein einfaches, schnelles, aber auch sehr sicheres Programmieren zu. Längst haben alle führenden IT-Unternehmen (IBM, Oracle, Borland etc.) die Bedeutung von Java erkannt und ihre Produkte an Java ausgerichtet oder bieten Lösungen zur Integration mit Java oder Entwicklungsumgebungen an. IBM etwa beschäftigt bereits 2500 Java-Entwickler. Selbst SAP stellt zur CeBIT 1998 ein Java-Frontend vor.

Diese überwältigende Adaption der Java-Technologie zeigt deutlich, daß Java nicht einfach als eine neue Programmiersprache zu definieren ist, sondern daß Java zukünftig die Technik kommerzieller Applikationen bestimmen wird. Sämtliche bisherigen HTML-basierten Online-Shop-Entwickler sind somit gezwungen, ihre bislang dargebotene Software neu in Java zu entwickeln. Es verwundert nicht, daß die meisten Anbieter dies bereits angekündigt haben. n

*Martin Fischer ist Geschäftsführer der Beans Industry Software GmbH in Weilheim.

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